Gemeinsam eine Therapieentscheidung treffen

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Die gemeinsame Entscheidungsfindung – im Englischen als Shared Decision Making, kurz SDM, bezeichnet – steht für einen Prozess, bei dem Patienten gemeinsam mit ihrem Arzt über die Therapieschritte entscheiden. Warum das wichtig ist.

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Manche Arztgespräche verlässt man mit dem Gefühl, gut beraten und versorgt zu sein, andere dagegen unzufrieden. Was macht den Unterschied?

Wie bereichernd das Gespräch mit dem Arzt ist, hängt vorrangig davon ab, ob Patienten verstehen, um was es geht. Und davon, ob sie ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen äußern können. Ein strukturiertes Gespräch, bei dem der Arzt die aktuelle Situation und die Handlungsmöglichkeiten verständlich erklärt, ist eine gute Basis, damit Patienten als informierte Entscheider bei ihrer Therapie mitwirken können. Schließlich kennt niemand Sie so gut wie Sie sich selbst – daher wissen Sie am besten, was zu Ihnen passt.

Umdenken im Gesundheitswesen

Um Patienten noch besser über ihre Behandlung zu informieren und stärker in die Therapieentscheidungen miteinzubeziehen, verändert sich momentan die Arzt-Patienten-Gesprächskultur in Deutschland. Die gemeinsame Entscheidungsfindung, oft auch Shared Decision Making (kurz SDM) genannt, ist in den Augen vieler Experten das Modell der Zukunft, das der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesauschusses mit rund 14 Millionen Euro fördert.

Ein prominenter Fürsprecher dieses Ansatzes ist der Arzt, Autor und Moderator Dr. Eckart von Hirschhausen. „Patienten werden integriert und motiviert mitzumachen“, so der aus zahlreichen Fernsehformaten bekannte Mediziner. Beim Shared Decision Making informiert der Arzt Patienten nicht nur umfassend über alle medizinisch sinnvollen Behandlungs-optionen. Er integriert sie auch stärker bei der Entscheidung für oder gegen eine Therapie. Ziel ist, dass Patient und Arzt gemeinsam die Behandlung bestimmen – und „Patienten als informierte Entscheider mitwirken“, so von Hirschhausen.

Als Patient bei der eigenen Behandlung stärker mitentscheiden

Wenn es – wie es bei einer Brustkrebserkrankung häufig der Fall ist – mehrere Behandlungsoptionen gibt, hilft Shared Decision Making dabei, einen Entschluss zu treffen. Es sorgt gleichzeitig aber auch dafür, dass den Anliegen der Patientinnen mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung zukommt. Die Fragen richten sich nach der persönlichen Lebens- und Gesundheitssituation: Wie beeinflusst die Behandlung meine Fruchtbarkeit? Was spricht für eine möglichst frühe Operation? Möchte ich eine kosmetische Rekonstruktion der Brust?

Für die Therapieentscheidung ist es wichtig, herauszufinden, was Ihnen besonders am Herzen liegt und welche Aspekte für Sie eher eine untergeordnete Rolle spielen. So können Ihre persönlichen Werte und Präferenzen mit in die Entscheidung einfließen. Manche Patientinnen möchten beispielsweise während der Behandlungsphase so viel Zeit wie möglich zu Hause verbringen. Anderen ist es besonders wichtig, später noch ein Kind bekommen zu können. Zudem ist auch von der individuellen Einstellung der Frau abhängig, welche Bedeutung die Brüste für das Körperbild und die Weiblichkeit haben.

Fließen diese Aspekte mit ein, steigt die Qualität der Gespräche und die Gesprächspartner nehmen mehr daraus mit. In der Praxis sind solche Gespräche vielleicht etwas zeitintensiver, führen aber dazu, dass Arzt und Patient mit dem Ergebnis zufriedener sind. Wer bei der Behandlung der eigenen Brustkrebserkrankung mitspricht, kann diese besser an seine aktuelle Lebenssituation anpassen und steht stärker hinter den getroffenen Entscheidungen. „Die geeignete Therapie ist die, die zu Ihnen passt“, unterstreicht Dr. Eckart von Hirschhausen.

… fragen Sie Ihren Arzt

Viele Menschen sind bei einem Arzttermin nervös oder haben so viele Dinge im Kopf, dass ihnen nicht alles einfällt, was sie fragen wollten. Manchmal ist es nach einem Termin auch gar nicht so einfach, sich an alles zu erinnern. Ratsam ist, sich vor einem Arzttermin zu überlegen, was man wissen und wobei man mitentscheiden möchte. Auch die eigenen Erwartungen, Hoffnungen und Bedenken sollten mit dem Arzt besprochen werden. Drei einfache Fragen haben sich bewährt, um all das zu erfahren, was für die Entscheidung wichtig ist.

3 Fragen:

  1. Was sind meine Optionen? Welche Behandlungen stehen für mich in meinem aktuellen Gesundheitszustand zur Auswahl?
  2. Was gibt es für Vor- und Nachteile? Was sind die Vor- und Nachteile der einzelnen Behandlungsmöglichkeiten? Was passiert, wenn ich erst mal abwarten möchte?
  3. Wie wahrscheinlich ist es , dass diese Vor und Nachteile bei mir eintreten? Wer alle Fakten rund um die Behandlung und ihre möglichen Auswirkungen kennt, kann seine Optionen gegeneinander abwägen.

Von diesen Fragen und natürlich den entsprechenden Antworten haben sowohl Patientinnen als auch Ärzte einen direkten Nutzen. Verschiedene Studien zeigen, dass Patienten mehr über ihre Therapie wissen und sie gewissenhafter befolgen, wenn sie sich aktiv an der Entscheidung beteiligt haben. Die gemeinsame Entscheidungsfindung kann dafür sorgen, dass Ärzte und Patienten stärker an einem Strang ziehen – und so letztendlich auch die Gesundheitsversorgung insgesamt verbessern.


Vorreiter im Shared-Desion-Making

Um die Gesprächskultur nachhaltig zu verbessern, integriert das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein als Vorreiter in Deutschland ein Shared-Decision-Making-Programm. Ärzte, Pflegekräfte und medizinische Fachangestellte können an Schulungen teilnehmen, um ihre Kommunikationsfähigkeiten weiter zu verbessern. Für Patienten stehen verschiedene Informationsangebote und Orientierungshilfen zur Verfügung. Im Zusammenspiel führen diese Maßnahmen zu einer Stärkung der Rolle der Patienten. Wie wichtig die Einbeziehung der Patienten ist, betont auch PD Dr. Jens Ulrich Rüffer, der die Projektidee und das SDM-Modell mitentwickelt hat und die Erstellung von Entscheidungshilfen für Patienten betreut: „Als Onkologe weiß ich, was für einen Unterschied die aktive Beteiligung von Menschen mit Erkrankungen bedeuten kann und mache mich seit vielen Jahren dafür stark, jedem diese Möglichkeit zu geben.“


 

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