Fatigue bei Tumor­patienten

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Wenn der Alltag zur Qual wird: Fatigue, ein Begriff des französischen oder englischen Sprachgebrauchs, bedeutet Müdigkeit und Erschöpfung. Die krebsbedingte Fatigue stellt eine krankhafte Ermüdung dar, deren Ursache nicht in allen Einzelheiten geklärt ist.

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Die Erschöpfung lässt sich durch normale Erholungsmechanismen nicht beheben. Auch Schlaf führt nicht zur Regeneration. Die Erkrankung an sich, die Therapien, eine Anämie (Blutarmut), Begleiterkrankungen, immunologische Prozesse oder Depressionen können einzeln oder in Kombination eine Erschöpfung verursachen oder verstärken. Aber insbesondere bei der chronischen Fatigue kann oft keine Ursache gefunden werden.

Der amerikanischen Fatigue Coalition zufolge müssen mindestens sechs der folgenden Symptome zutreffen, um eine Fatigue zu diagnostizieren:

  • Müdigkeit, Energiemangel oder stark erhöhtes Ruhebedürfnis
  • Gefühl der generellen Schwäche oder Gliederschwere
  • Konzentrationsstörungen
  • Mangel an Motivation, den normalen Aktivitäten nachzugehen
  • Gestörtes Schlafmuster (zu viel oder zu wenig Schlaf)
  • Erleben des Schlafs als wenig erholsam
  • Gefühl, sich zu jeder Aktivität zwingen zu müssen
  • Ausgeprägte emotionale Reaktionen auf die empfundene Erschöpfung
  • Schwierigkeit bei der Bewältigung des Alltags
  • Störung des Kurzzeitgedächtnisses
  • Nach körperlicher Anstrengung lange andauerndes Unwohlsein.

Krebstherapie und Fatigue

Der Tumor und die Therapien sind die Hauptursachen der akuten Fatigue. Abgeschlagenheit und Leistungsabfall können Anzeichen einer Tumorerkrankung sein, nicht selten schon vor der Diagnose. Ursache sind durch den Tumor bedingte Veränderungen. Biologisch aktive Tumoren können beispielsweise Stoffwechselprozesse des Körpers stören. Dies kann die Blutbildung beeinträchtigen. Aber auch die meisten Therapien haben einen Einfluss auf die Blutbildung, und das führt zu einer reduzierten Abwehrbereitschaft (Leukopenie), einer erhöhten Blutungsgefahr (Thrombopenie) oder einer Blutarmut (Anämie).

Anämie: eine der Hauptursachen der akuten Fatigue

Die Chemo- und Strahlentherapie beeinträchtigen – ähnlich wie der Tumor selbst – den Prozess der Blutbildung. Das führt langfristig zu einer Armut an roten Blutkörperchen oder auch Erythrozyten, die hauptsächlich in den Becken- und großen Röhrenknochen produziert werden. Die Aufgabe der roten Blutkörperchen im Blut ist der Sauerstofftransport. Über den Blutkreislauf werden so der gesamte Körper und die Organe mit Sauerstoff versorgt. Die Produktion der roten Blutkörperchen im Knochenmark wird durch Erythropoietin stimuliert. Dieses Hormon wird bei gesunden Menschen von den Nieren ausgeschüttet. Ist die Produktion gestört, kann die daraus resultierende Anämie entweder durch Bluttransfusionen oder die Verabreichung von Erythropoietin behandelt werden.

Steigende Lebensqualität durch Behandlung der Fatigue

Da über Fatigue und ihre Ursachen bisher nicht viel bekannt ist, gibt es auch nur wenige gesicherte Therapieansätze. Dabei ist zwischen gezielten medizinischen Interventionen und Ratschlägen zu unterscheiden, die helfen, mit den durch Fatigue verursachten Einschränkungen umzugehen.

Selbstverständlich ist der erste Ansatz in der Therapie, die bekannten Ursachen der Fatigue zu finden und – wenn möglich – zu beheben. Gerade im Rahmen der akuten Tumortherapie gilt es, diese als scheinbar notwendige Nebenwirkung „akzeptierte Erschöpfung” genau zu überprüfen. Durch eine erfolgreiche Intervention der akuten Fatigue lässt sich nicht nur die Lebensqualität deutlich bessern, sondern auch die Verträglichkeit der Therapie und damit deren Durchführung optimieren. Man vermutet heute, dass damit auch der Therapieerfolg beeinflusst wird. Daher sollte der Patient seinen behandelnden Arzt immer genau über sein Befinden informieren, denn jede Änderung kann von Bedeutung sein. Der Arzt kann nur behandeln, was er erkennt. Kann keine der bekannten Ursachen festgestellt werden, orientiert sich die Therapie entsprechend der Fatigue-Ausprägung in körperliche, emotionale und geistige Behandlungsansätze. Häufig findet sich eine Kombination dieser Ansätze. Aber entsprechend dieser groben Unterteilung werden im Folgenden die zurzeit wichtigsten Therapienansätze dargestellt.

Unterschiedliche Therapieansätze

Gezieltes körperliches Training kann die Leistungsfähigkeit der Patienten verbessern und damit die Fatigue effektiv mindern. Wichtig ist, dass man mit diesem Training nicht erst nach Beendigung einer Therapie beginnt, sondern möglichst früh – am besten mit Therapiebeginn. Das Ziel ist, unter medizinischer Kontrolle den Körper mit leichten Dauerbelastungen gleichmäßig zu trainieren, zum Beispiel mit einem Fahrradergometer oder einem Laufband, um so die körperliche Leistungsfähigkeit des Patienten zu erhalten oder sogar zu steigern. Man sollte also von Beginn an die körperliche Betätigung suchen und nicht vermeiden. Dass durch körperliches Training aber nicht nur die Leistungsfähigkeit verbessert wird, sondern auch das Gesamtbefinden beeinflusst wird, ist allgemein bekannt. Dies wird zusätzlich dadurch belegt, dass körperliches Training auch erfolgreich zur Therapie von Depressionen eingesetzt wird.

Aber Fatigue wirkt sich nicht nur körperlich, sondern sehr häufig auch in einer emotionalen oder geistigen Müdigkeit aus. Auch diese Störungen können einzeln oder kombiniert auftreten. Die Therapieansätze sind hier weniger gesichert. Zur Anwendung kommen vor allem verhaltenstherapeutische Verfahren. In Einzel- oder Gruppengesprächen wird versucht, Verhaltensmuster zu beeinflussen, die die Fatigue verstärken. Betroffene sollten auf jeden Fall professionelle Therapeuten in Anspruch nehmen, die mit dem Krankheitsbild vertraut sind. Medikamentöse Therapieansätze sind wenig gesichert und sollten nach intensiver Beratung individuell erprobt werden.

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer
Vorsitzender der Deutschen Fatigue Gesellschaft e.V.
Maria-Hilf-Straße 15
50677 Köln
www.deutsche-fatigue-gesellschaft.de

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