IQWiG: Bewertungen im Sinne der Patienten?
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Manchmal ist es zum Verzweifeln. Da gibt es medizinische Innovationen, die auf deutschen und internationalen Kongressen als „bahnbrechend“ oder „Quantensprung“ bezeichnet werden. Wir erleben, wie bei der Präsentation von Studiendaten Säle voller Ärzte begeistert applaudieren, weil es durch ein neues Medikament gelingen kann, die Lebensqualität von metastasierten Brustkrebspatienten drastisch zu verbessern, indem das Fortschreiten der Krankheit im Schnitt um zehn Monate hinausgezögert werden kann. Die Rede ist von CDK4/6-Inhibitoren. Als erstes Medikament dieser Wirkstoffklasse wurde Palbociclib im November 2016 in Europa zugelassen, weitere Medikamente dieser Wirkstoffklasse stehen kurz vor der Zulassung. Und dann passiert das, was den Betrachter fassungslos erstarren lässt: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das von Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt wird, den „Zusatznutzen“ des Medikaments gegenüber der bereits bestehenden Vergleichstherapie (in diesem Fall der Aromatasehemmer Letrozol allein) zu bestimmen, kommt zu dem Urteil: „In der Studie ließen sich keine Vorteile für den neuen Wirkstoff gegenüber der Standardtherapie nachweisen.“ Mehr noch: „Bei bestimmten Patientinnen überwiegen die Nachteile“. Der Hintergrund ist folgender: Im Gegensatz zu vielen anderen Behörden sieht das IQWiG in einer Verlängerung des „progressionsfreien Überlebens“, also dem Hinauszögern des Fortschreitens der Krankheit, keinen Nutzen. Folglich kommt es zu dem Schluss, dass das neue Medikament durch die möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen mehr schadet als nutzt.
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, muss ich sicher nicht erklären, was es für Patienten in einem metastasierten Krankheitsstadium bedeutet, wenn ein Fortschreiten der Krankheit so lange wie möglich aufgehalten werden kann, wenn sie länger symptom- und schmerzfrei sowie in der Lage sind, ihrem täglichen Leben nachzugehen. Aber nicht nur Patienten-, auch Ärztekreise schütteln über dieses Urteil den Kopf. Professor Dr. Christian Jackisch vom Sana-Klinikum in Offenbach zeichnet bei der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) folgendes, wie wir finden passendes Bild: „Es ist weltweit Standard, dass beim Fußball die Tore zählen. Wer mehr Tore schießt, hat gewonnen. Einige Gesundheitsbehörden in Deutschland sehen das anders. Für sie zählen nicht die Tore, sie beurteilen die Haltungsnoten der Spieler und schließen somit auf das Spielergebnis, und das ist falsch“.
Was bedeutet das für Patienten? Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft nun das IQWiG Gutachten und hört Experten zum Thema. Er entscheidet dann, ob das Medikament einen Zusatznutzen für Patienten hat oder nicht. Von diesem Urteil hängt letztendlich die Kostenerstattung ab. Ähnliche politische Diskussionen haben in England dazu geführt, dass das Medikament dort für Patienten zurzeit nicht zur Verfügung steht (nur innerhalb von Studien). Dem Gutachten des Gemeinsamen Bundesausschusses sehen wir allerdings optimistisch entgegen, denn wir gehen davon aus, dass der G-BA im Sinne der Patienten entscheidet und das Wohl und die Lebensqualität der Patienten über methodische Grundsätze stellt.
Das IQWiG-Urteil zu Palbociclib war leider nicht die einzige Bewertung, die Experten- und Patientenkreise in den vergangenen Monaten aufgebracht hat. Das IQWiG sieht auch in Genexpressionstests, die durch Risikoabschätzung helfen können, unnötige Chemotherapien zu vermeiden, keinen Nutzen für Patienten. Auch hier steht eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesauschusses aus.
Patienten fühlen sich angesichts dieser Einschätzungen mit ihren Sorgen und Nöten nicht gerade ernst genommen. Doch wie oben bereits erwähnt, bleibt die Hoffnung bestehen, dass der G-BA das Interesse der Patienten eher berücksichtigt und dem Punkt „Lebensqualität“ mehr Gewicht verleiht als das IQWiG.
Eva Schumacher-Wulf
Hallo Heidi!
Meine Mutter ist auch mit Palbociclib in Behandlung und den Nutzen so in Frage zu stellen ist einfach nur unmenschlich und schlimm. Vielleicht möchtest du dich ja mal mit ihr oder mit mir über die Behandlung, Erfahrungen mit Ärzten dazu usw per Mail austauschen. Würde mich sehr freuen! Liebe Grüße
Was genau ist denn der Hintergrund dieser Prüfung? Wer hat die angestoßen? Das kommt doch nicht aus heiterem Himmel.
PS: Wieso soll ich eine URL für einen Kommentar anfügen? Ich verfüge lediglich über eine Emaiadresse.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt im Zuge des AMNOG-Prozesses (Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) das IQWiG mit einer Nutzenbewertung. Das ist die übliche Vorgehensweise bei neuen Medikamenten. Es geht um eine Kosten-Nutzen-Abwägung. Das IQWiG legt seiner Bewertung allerdings eher methodische als patientennahe Kriterien zugrunde… Wir hoffen, dass der G-BA das anders handhabt.
Ich bin eine Patientin , die dieses Medikament nimmt, mir geht es gut damit ! Habe vorher nur letrozol genommen, die metastasen sind gewachsen, jetzt aber nicht mehr ! Also doch ein nutzen, für mich wäre es schrecklich! Wie können die das einfach entscheiden, iCh bin fassungslos! Habe gestern meine Befunde bekommen, alles gut, habe mich gefreut und jetzt muss ich sowaß lesen! Kann das nicht verstehen !
Hallo Heidi!
Meine Mutter ist auch mit Palbociclib in Behandlung und den Nutzen so in Frage zu stellen ist einfach nur unmenschlich und schlimm. Vielleicht möchtest du dich ja mal mit ihr oder mit mir über die Behandlung, Erfahrungen mit Ärzten dazu usw per Mail austauschen. Würde mich sehr freuen! Liebe Grüße