Prognostische und prädiktive Faktoren – Ein Überblick

iStock_1133023465_Prognostische_praediktive_ArtikelHeader
© iStock / Nadezhda Fedrunova
Print Friendly, PDF & Email

Die moderne Brustkrebstherapie wird immer mehr auf die individuelle Patientin beziehungsweise den Patienten zugeschnitten. Eine Reihe von Faktoren beeinflusst den Verlauf einer Brustkrebserkrankung. Die Bestimmung dieser Faktoren kann Aufschluss darüber geben, wie wahrscheinlich das Auftreten eines Rezidivs oder einer Metastasierung ist. Außerdem gibt es Tumoreigenschaften, die vorhersagen, welche Therapie am besten eingesetzt werden sollte.

Print Friendly, PDF & Email

Prof. Dr. Isabell Witzel, Leiterin des Brustzentrums am UKE Hamburg, erläutert, welche Faktoren wichtig für die Therapieentscheidung sind – und welche weniger geeignet sind.

Mamma Mia!: Was verstehen Mediziner unter prognostischen beziehungsweise prädiktiven Faktoren?

Prof. Dr. Isabell Witzel: Prognostische Marker korrelieren mit dem krankheitsfreien Überleben oder Gesamtüberleben einer Patientin, wenn diese keine weitere systemische Therapie erhalten würde. Prädiktive Marker zeigen an, ob eine bestimmte systemische Therapie bei einer Patientin wirksam sein könnte.

Mamma Mia!: Welche prognostischen Faktoren werden bei Brustkrebs routinemäßig bestimmt?

Prof. Dr. Isabell Witzel: Zu den routinemäßig bestimmten prognostischen Faktoren gehören die Tumorgröße, der Nodalstatus (Anzahl der befallenen Lymphknoten), das Grading, der Hormonrezeptor- und HER2-Status sowie der Proliferationsmarker ki-67. Seit Perou et al. beim Mammakarzinom molekulare Subtypen mit unterschiedlichen Prognosekriterien definiert haben, wird versucht, diese molekularen Subtypen mittels Immunhistochemie in die klinische Routine zu überführen. Es konnte gezeigt werden, dass die Nachbildung der molekularen Subtypen (luminal A, B, HER2-positiv und triple-negativ, siehe Infokasten) mit den immunhistochemisch bestimmbaren Parametern Östrogenrezeptor, HER2 und ki67 der molekularen Signatur sehr nahe kommt.

Mamma Mia!: Wie werden sie bestimmt und wie genau ist deren Bestimmung?

Prof. Dr. Isabell Witzel: Die Bestimmungen finden am Paraffingewebe des Tumors statt. Die Qualität der Bestimmungen hat sich durch Ringversuche und Standardisierungen in den letzten Jahren deutlich verbessert. So konnte in der deutschen PLAN-B-Studie gezeigt werden, dass die Östrogenrezeptorbestimmung beim Pathologen vor Ort inzwischen zu 97 Prozent mit der zentralen Bestimmung eines Pathologen, der alle Tumorproben der Studie untersuchte, übereinstimmte. Auch für die HER2-Bestimmung gibt es eine falsch-positive Rate von nur sechs Prozent, das heißt diese Frauen werden als HER2-positiv behandelt, obwohl sie HER2-negativ sind.

Mamma Mia!: Es gibt weitere Prognosefaktoren, die nicht immer bestimmt werden. Welche sind das und wann macht deren Bestimmung Sinn?

Prof. Dr. Isabell Witzel: Beim Östrogenrezeptor-positiven, HER2-negativen Mammakarzinom ist die Therapieentscheidung, ob eine alleinige Hormontherapie genügt oder eine Chemotherapie empfohlen werden sollte, anhand klassischer Parameter nicht immer einfach zu treffen. Der Einsatz der adjuvanten Chemotherapie hat in der Vergangenheit zu einer Verbesserung des klinischen Outcomes von Patientinnen mit Mammakarzinom geführt. Aus diesem Grund wird den meisten Frauen zu einer anthrazyklin- und taxanhaltigen Chemotherapie geraten. Dies bedeutet jedoch für viele Frauen eine Übertherapie. Nun sind Multigentests entwickelt worden, um in dieser Situation den Nutzen einer Chemotherapie für die Patientin besser abschätzen zu können. Zu den in Deutschland erhältlichen Multigentests gehören der Endopredict, Mammaprint, Oncotype Dx und der Prosigna Test. In der klinischen Routine wird die Anwendung der Genexpressionsanalysen zunächst auf Grenzfälle beschränkt bleiben, in denen eine Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie mittels etablierter Parameter nicht gefällt werden kann.
Der Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen sollte außerhalb klinischer Studien nicht erfolgen, da es bislang keinen Hinweis dafür gibt, ob und wie eine Therapie nach dem Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen verändert werden sollte. Obwohl der Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen in Studien insgesamt mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet war, bedeutet der Nachweis nicht per se, dass eine Patientin mit zirkulierenden Tumorzellen auch wirklich einen Rückfall der Erkrankung erleiden wird.

Mamma Mia!: Welche prädiktiven Faktoren gibt es? Inwiefern sind sie therapieentscheidend? Welche sollten nicht zur Therapieentscheidung herangezogen werden?

Prof. Dr. Isabell Witzel: Zu den prädiktiven Faktoren, das heißt Faktoren, die das Ansprechen auf eine Therapie vorhersagen können, gehören der HER2-Status, der das Ansprechen auf anti-HER2 gerichtete Therapien anzeigt und der Östrogenrezeptor-Status, der das Ansprechen auf eine anti-hormonelle Therapie anzeigt. Für viele der Tests, die damit werben, dass sie das Ansprechen auf eine systemische Therapie vorhersagen können, gibt es keine verlässlichen Daten. Hierzu gehört beispielsweise die CYP2D6-Testung, die Frauen identifiziert, die Tamoxifen schlechter verstoffwechseln. Dass diese Frauen aber tatsächlich nicht von einer Tamoxifentherapie profitieren, wie die Hersteller vermitteln wollen, konnte in Studien nicht nachgewiesen werden.

 

Molekulare Subtypen

Die Gruppe der luminalen Karzinome ist die größte Gruppe von Mammakarzinomen. Sie sind durch Hormonrezeptor-Positivität charakterisiert, wobei sich mehrere Untergruppen mit unterschiedlich starker Östrogenrezeptor-Ausprägung darstellen lassen.

Die Untergruppe der Luminal-A-Karzinome, die sich durch eine starke Ausprägung des Östrogenrezeptors und Progesteronrezeptors an der Zelloberfläche und somit durch eine besonders gute Prognose auszeichnet, ist am besten charakterisiert. Meist sind diese Tumoren gut differenziert (G1) verbunden mit geringer Wachstumsgeschwindigkeit und entsprechend geringer Aggressivität. Die Prognose dieser Tumoren ist im Vergleich zu den anderen Subtypen mit Abstand am besten.

Die Luminal-B-Karzinome sind im Gegensatz dazu zwar ebenfalls Hormonrezeptor positiv, jedoch zumeist nur gering. Verglichen mit Luminal-A-Typen sind Luminal-B-Tumoren aggressiver, weisen ein geringeres Ansprechen auf antihormonelle Therapie auf und haben eine schlechtere Prognose.

Die „basal-like“ Karzinome zeigen oft weder Östrogenrezeptor- und Progesteronrezeptor- noch HER2-Aktivität. Sie werden heutzutage als „triple-negative“ Mammakarzinome bezeichnet. Diese Tumoren sind meist schnellwachsend und mit einer ungünstigen klinischen Prognose einhergehend.

Bei den HER2-positiven Karzinomen ist ein Wachstumsfaktor auf der Zelloberfläche vermehrt vorhanden. Diese Tumoren zeichnen sich ebenfalls durch einen aggressiven Verlauf aus. Seit einigen Jahren bestehen aber für diese Art von Brusttumoren zielgerichtete Therapiemöglichkeiten, die zu sehr guten Heilungsverbesserungen beitragen können.

PD Dr. Isabell Witzel
Klinik und Poliklinik für Gynäkologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Tel.: +49 (0)40 7410 52510
Fax: +49 (0)40 7410 54355
E-Mail: iwitzel[at]uke.de

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Interessante Artikel der gleichen Kategorie