Brustkrebs betrifft viele Frauen, auch in Deutschland. Im Jahr 2022 erkrankten rund 74.500 Frauen neu an einem Mammakarzinom. Die Heilungs- und Überlebenschancen sind gut: 88 Prozent der Frauen überleben die ersten fünf Jahre nach der Diagnose, berichtet das Robert Koch-Institut. Nach zehn Jahren seien noch 83 Prozent der Frauen am Leben. Immer mehr Frauen überleben also ihre Brustkrebserkrankung.
Allerdings kann eine Brustkrebsdiagnose einige soziale und berufliche Folgen mit sich bringen, wie eine neue Studie der Medizinischen Soziologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ergab. Viele Frauen, die ihre Krebserkrankung überstanden haben, nehmen anschließend weniger am gesellschaftlichen Leben teil und ziehen sich aus ihrem Beruf zurück.
Einschnitte bei sozialen Aktivitäten
In Deutschland leben derzeit ungefähr eine Million Frauen, die ihre Brustkrebserkrankung überstanden haben. Die Studie wollte herausfinden, wie sich das Sozialleben dieser Frauen langfristig verändert. Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe an der MHH befragte dafür rund 400 Brustkrebspatientinnen zwischen 39 und 68 Jahren. Ihre Krebstherapie lag vier bis sechs Jahre zurück. Um einen Vergleich anstellen zu können, wurden ihre Antworten mit jenen von gleichaltrigen Frauen aus einer Bevölkerungsstichprobe verglichen, die nicht erkrankt waren.
Die zentralen Ergebnisse:
- Viele Frauen haben nach ihrer Brustkrebserkrankung Schwierigkeiten, in ihr soziales Leben zurückzukehren.
- Sie gehen seltener ins Restaurant oder Kino, machen weniger Ausflüge und besuchen weniger Veranstaltungen als andere Frauen in ihrem Alter.
- Als Gründe gaben die Frauen zum Beispiel Beschwerden an, die auch nach dem Ende der Krebstherapie weiter vorhanden waren. Dazu zählten Schmerzen, Müdigkeit, Gewichtsverlust und Schlafstörungen, aber auch seelische Probleme wie Ängste, Antriebslosigkeit und Depressionen.
- Auch die Entfernung einer oder beider Brüste (Mastektomie) wirkte sich bei einigen Frauen auf die gesellschaftlichen Aktivitäten aus. Viele empfinden Scham und trauen sich nicht in die Öffentlichkeit.
- Wichtig für die gesellschaftliche Teilhabe waren zudem die finanziellen Möglichkeiten. „Vor allem Frauen mit niedrigem Einkommen, die weiterhin stark an brustkrebsbedingten Beschwerden leiden, sind seltener in soziokulturelle Aktivitäten eingebunden“, erklärt der Studienleiter Prof. Siegfried Geyer von der MHH.
Rente statt Beruf
Eine Brustkrebserkrankung beeinflusst aber nicht nur das soziale, sondern auch das berufliche Leben. So waren der Studie zufolge fast 30 Prozent der befragten Frauen fünf Jahre nach dem Ende der Krebstherapie nicht mehr berufstätig. Im Vergleich zu den gesunden Frauen gingen ungefähr doppelt so viele Brustkrebsüberlebende vorzeitig in Rente.
Die Forschungsgruppe identifizierte einige Faktoren, welche eine Rückkehr an den Arbeitsplatz begünstigten. Dazu gehörten eine bessere körperliche und psychische Gesundheit, ein gehobener beruflicher Status, viel Eigenverantwortlichkeit und ein größerer Handlungs- und Entscheidungsspieltraum im Beruf oder ein höherer schulischer Bildungsgrad. Die Wahrscheinlichkeit für eine Rückkehr in den Beruf war für ehemals an Brustkrebs erkrankte Frauen mit Realschulabschluss oder Abitur doppelt so hoch wie für andere Frauen.
Normalerweise sollen Rehamaßnahmen dabei mithelfen, dass Frauen nach einer Brustkrebserkrankung wieder berufstätig sein können. Es gibt Wiedereingliederungsprogramme wie das Hamburger Modell, bei dem die Arbeitszeit zuerst niedriger ist und dann schrittweise gesteigert wird. Auch Anpassungen am Arbeitsplatz sollen die Rückkehr in den Beruf erleichtern.
Krebsnachsorge verbessern
Auch wenn die Gründe für den sozialen oder beruflichen Rückzug nach einer Brustkrebserkrankung vielfältig sein können, zeigten die Studienergebnisse: „Wir müssen mehr tun, um die Barrieren zu beseitigen, die Patientinnen davon abhalten, in ihr Leben vor der Krebserkrankung zurückzukehren“, sagt Studienleiter Geyer. „Bei der Planung von Nachsorgeprogrammen sollte zudem ein besonderes Augenmerk auf Frauen mit geringem Einkommen gelegt werden.“
Einige der Studienteilnehmerinnen wünschten sich in der Befragung mehr Unterstützung im Umgang mit Schmerzen und Beeinträchtigungen, mehr Angebote zu Bewegung und Ernährung sowie sozialrechtliche Beratungen, um ihre Rechte gegenüber Versicherungen, Behörden und Arbeitgebern durchzusetzen.
Immer mehr Menschen in Deutschland überleben ihre Krebserkrankung. Dadurch steigt auch der Bedarf nach einer angemessenen Krebsnachsorge. „Dieses Angebot bedarfsgerecht auszubauen und Konzepte hierfür zu entwickeln, ist uns ein wichtiges Anliegen“, sagt Gerd Nettekoven, Vorstand der Deutschen Krebshilfe. Vorrangig sei hier die Gesundheits-, Sozial- und Forschungspolitik gefordert.
Siegfried Geyer nennt diesen folgenden konkreten Verbesserungsansatz: Wichtig sei eine psychotherapeutische oder psychoonkologische Betreuung, die kontinuierlich stattfinde, beginnend mit der Entlassung aus der Akutversorgung über eine längere Zeit. „Dies sollte mit einer besseren Integration in den Alltag verbunden sein, erklärt Geyer im rbb24 Inforadio.
- Deutsche Krebshilfe, Pressemitteilungen: Soziale Folgen nach Brustkrebs, abgerufen am 16.10.2025
- Robert Koch-Institut (RKI), Krebsarten, Brustkrebs, abgerufen am 16.10.2025
- ARD Audiothek, Abgehängt: Soziale Folgen von Brustkrebs, abgerufen am 16.10.2025
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