Brustkrebs und Kinderwunsch

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Fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen vor Krebstherapien spielen aufgrund steigender Überlebensraten bei Krebs- und Autoimmunerkrankungen im gebärfähigen Alter eine zunehmende Rolle.

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Eine flächendeckende Beratung über präventive Möglichkeiten zum Erhalt der Fruchtbarkeit ist überaus wichtig, da eine ungewollte Kinderlosigkeit ein emotional belastendes Ereignis für die Patientin darstellt. Die Komplexität der Behandlungsoptionen erfordert eine rasche, reproduktionsmedizinische Betreuung.

Zu den fertilitätserhaltenden Maßnahmen zählen die Kryokonservierung befruchteter/unbefruchteter Eizellen oder Eierstockgewebe, die operative Transposition (Verlegung) der Eierstöcke und die Therapie mit GnRH-Agonisten, wobei diese Methoden einzeln oder kombiniert angewendet werden können. Die Erfolgsaussicht auf eine spätere Schwangerschaft und Geburt hängt dabei vom Patientenalter, der Prognose und der durchgeführten fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahme ab.

Hintergrund

Der Erhalt einer Krebsdiagnose stellt für die betreffenden Patientinnen ein emotional extrem belastendes Ereignis dar. Neben der Notwendigkeit einer operativen, chemo- oder strahlentherapeutischen Therapie, welche meist direkt im Anschluss an die Diagnosestellung eingeleitet wird, rückt bedingt durch die zunehmend besseren Überlebensraten onkologischer Patientinnen das Thema des Fertilitätserhalts in einen zentralen Fokus. Denn eine zytotoxische Systemtherapie oder Bestrahlung führt je nach Alter der Patientin und Art der Therapie in ein vorübergehendes beziehungsweise endgültiges Ausbleiben der Menstruation.

Die Familienplanung wird heutzutage – verglichen mit den Jahrgängen der 1960/70iger Jahre – immer weiter nach hinten geschoben. Gründe können fehlender Kinderwunsch, Unfruchtbarkeit oder ökonomisch unpassende Rahmenbedingungen sein. Daher werden in der Praxis zunehmend Patientinnen der bereits dritten Lebensdekade beraten und therapiert, was die Aussichten auf eine spätere Schwangerschaft im Vergleich zu deutlich jüngeren Frauen bereits ohne Vorliegen einer onkologischen Diagnose einschränkt. Waren Frauen zum Zeitpunkt ihrer ersten Entbindung im Jahre 1970 im Schnitt 24,33 Jahre alt, so beträgt das Alter bei Erstgeburt gemäß Angaben des statistischen Bundesamtes derzeit 29,52 Jahre, wobei mit einem weiteren Anstieg zu rechnen ist. Vor allem der Anteil der kinderlosen Akademikerinnen ab 35 Jahre hat innerhalb der vergangenen 15 Jahre drastisch zugenommen. Nach einer Befragung des statistischen Bundesamtes für Bevölkerungsstatistik betrug dieser Anteil 2014 knapp 26 Prozent gegenüber neun Prozent der Nicht-Akademikerinnen, was einen Anstieg um 40 Prozent innerhalb von nur zehn Jahren beschreibt.

Die mögliche Endlichkeit der fruchtbaren Phase trifft die Patientinnen ebenso hart wie die Mitteilung der onkologischen Grunddiagnose

Damit befindet sich ein Großteil der zu beratenden Patientinnen bereits am Ende ihrer fruchtbaren Lebensspanne. Die mögliche Endlichkeit der fruchtbaren Phase trifft dabei die beratenen Patientinnen ebenso hart wie die Mitteilung der onkologischen Grunddiagnose. Auch die Kenntnis über das physiologische Altern des Eierstocks, vor allem des altersbedingt zunehmenden Verlusts der Eizellanzahl und der Eizellqualität, ist vielen Frauen nicht bewusst. Nimmt die Möglichkeit einer Schwangerschaft mit zunehmendem Alter stetig ab, so steigt parallel die Wahrscheinlichkeit, gegen Ende des fruchtbaren Fensters eine Fehlgeburt zu erleiden, auf beispielsweise über 50 Prozent bei den 40-Jährigen.

Eine allgegenwärtige Informationsvermittlung zu den Themen „social freezing“ oder „berühmte“ späte Mutterschaften über die Laienpresse sind im Zusammenhang mit einer rechtzeitigen Konzeptionsplanung aus gynäkologischer Sicht wenig hilfreich und werden unter Umstände durch junge Frauen, bezogen auf die eigene Fruchtbarkeit beziehungsweise das fruchtbare Zeitfenster, fehlinterpretiert. Sie suggerieren einen unbedenklich möglichen (gar emanzipierten) Aufschub der Mutterschaft ohne Berücksichtigung weiterer möglicher Sterilitätsfaktoren, wie zum Beispiel zusätzliche Einschränkungen der Fortpflanzungsfunktionen des Mannes.

Dabei scheint der Wunsch nach einem eigenen Kind dennoch existentiell – auch oder eben gerade nach einer überstandenen onkologischen Behandlung. Wie eine jüngst publizierte niederländische Studie aufzeigt, erscheint dabei die Kenntnis über den eigenen reproduktiven Status nach Überleben einer Krebserkrankung den Betroffenen lückenhaft. Obwohl sich 80 Prozent der Studienteilnehmer (n gesamt=149) eigene Kinder wünschten, war der eigene Fertilitätsstatus bei 77,1 Prozent unbekannt. Insbesondere in einer Partnerschaft lebende, weibliche Befragte gaben an, dass eine mögliche Unfruchtbarkeit als großes Leid empfunden werden würde.

Der Wunsch nach einem eigenen Kind scheint existentiell – auch oder eben gerade nach einer überstandenen onkologischen Behandlung.

Wenngleich die eingeschlossene Gesamtzahl an Patienten in dieser Studie gering erscheint, so ist sie eine der wenigen, welche sich bis dato mit dem Kenntnisstand um die Wahrscheinlichkeit einer eigenen Familienplanung nach Überleben einer onkologischen Therapie auseinandersetzt. Der vorliegende Artikel umfasst daher neben inhaltlichen Beratungsinformationen auch die Darstellung der unterschiedlichen, präventiven Möglichkeiten und Methoden des Fertilitätserhalts mit dem Ziel, die Wahrscheinlichkeit einer bundesweit flächendeckenden Beratung und Therapie nicht nur gynäkologischer Patientinnen zu unterstützen. Die genannten Optionen richten sich folglich ebenso an andere Krebspatientinnen.

Vorgeschriebene Beratung vor Therapiebeginn

In Deutschland stellt die Beratung zum Fertilitätserhalt vor einer die Eizellen schädigenden Therapie im gynäkologischen Bereich einen mittlerweile festen und verpflichtenden Bestandteil bei erwachsenen Frauen dar. Sie zählt zudem je nach Zertifizierungssystem als eine notwendige Voraussetzungen zur Zertifizierung bestimmter Organzentren wie zum Beispiel Brust- oder gynäkologischer Krebszentren.

Ziel der Beratung ist, je nach individuellem Risikoprofil und Lebenssituation der Patientin eine Therapie zum Erhalt der Fertilität durchzuführen. Die Beratung sollte idealerweise so zeitnah wie möglich nach Festlegung der onkologischen Systemtherapie durch einen Reproduktionsmediziner erfolgen, sofern die Patientin diese Beratung wahrnehmen möchte. Berücksichtigt wird hierbei neben der Diagnose der Patientin vor allem das Alter der Betroffenen, die gynäkologische Anamnese, die Parität, die Art und Dauer der onkologischen Therapie, die Prognose der Erkrankung und das verbleibende Zeitfenster bis zum Start der Krebstherapie. Ferner umfasst das aufklärende Gespräch für die Patientin das Aufzeigen der im individuellen Fall möglichen, therapeutischen Präventivmaßnahmen, welche auch untereinander kombiniert werden können.

Das Ausmaß der Keimzellschädigung wird je nach festgelegter onkologischer Therapie durch die hierzu verwendeten Chemotherapeutika oder die Dosis und das Feld einer Bestrahlung bestimmt. Die Schädigung des Eierstocks steht dabei in direktem Zusammenhang mit Art, Dosierung, vor allem aber der Dauer der Therapie, wobei es eine Einteilung für ein geringes, mittleres oder hohes Risiko für den Eintritt eines Ausbleibens der Menstruation gibt. Auch im Fall beispielsweise einer schlechten Prognose oder eines zu kleinen Zeitraums bis zur Umsetzung der Krebstherapie empfiehlt es sich, den Patientinnen eine Beratung anzubieten, um sie dadurch in das Geschehen des ovariellen Funktionsverlust und dessen Therapienotwendigkeiten mit einzubeziehen. Eine klare Aussage kann in der Bewältigung der Situation als durchaus hilfreich empfunden werden.

Netzwerk FertiPROTEKT als Wegweiser

Für die weiblichen Betroffenen werden alle Beratungen und durchgeführten Therapien im Register von FertiPROTEKT dokumentiert. Das FertiPTOTEKT Netzwerk e.V. wurde vor über zehn Jahren für eine flächendeckende Etablierung des Fertilitätserhalts junger Frauen gegründet und umfasst derzeit eine Mitgliederzahl von knapp 115 reproduktionsmedizinischen Zentren und Kliniken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Netzwerk stellt im internationalen Vergleich das größte seiner Art dar und bietet den Mitgliedern wissenschaftlich evaluierte, diagnosebezogene Therapieempfehlungen. Patientinnen können sich auch eigenständig über die Website direkt an FertiPROTEKT wenden, um Einzelheiten zu den möglichen Verfahren zu erhalten oder um ein passendes Zentrum in Wohnortnähe zu finden, sofern der behandelnde Onkologe nicht bereits Kontakt zu einem korrespondierenden Zentrum aufgenommen hat (www.fertiprotekt.com).

Die Beratung zum Fertilitätserhalt vermittelt einen positiven Ausblick inmitten einer Situation der Hoffnungslosigkeit ohne eigene, echte Handlungsfähigkeit.

Die Beratung zum Fertilitätserhalt fällt in eine emotional angespannte Phase und berät zudem zu einem ohnehin sensiblen und sehr privaten Thema. Dennoch belegt die Beratung der Betroffenen auch die Wahrscheinlichkeit einer (vollständigen) Remission verbunden mit der späteren Möglichkeit, ein Kind zu zeugen, auszutragen und zu gebären. Sie vermittelt hierdurch einen positiven Ausblick inmitten einer Situation der Hoffnungslosigkeit ohne eigene, echte Handlungsfähigkeit.

Methoden des Fertilitätserhalts

Es existieren mehrere, im Folgenden beschriebene Möglichkeiten, die Fertilität bei Patientinnen zu erhalten. Um das individuell passende Verfahren beziehungsweise die Kombination mehrerer Möglichkeiten anzubieten und um somit die Erfolgsaussicht zu erhöhen, bedarf es einer Einschätzung des individuellen Risikos des ovariellen Funktionsverlusts unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Alters, der Grunddiagnose und des verbleibenden Zeitfensters bis zum Beginn der Therapie. Die erforderlichen Behandlungsabläufe variieren dabei zischen der akuten Einleitung einer Direkttherapie (zum Beispiel durch GnRH-Analoga) oder einer Behandlungszeit von bis zu zwei Wochen bei einer Stimulationstherapie zur Eizellkonservierung.

1. Therapie mit GnRH-Agonisten

Die medikamentöse Begleittherapie mit Gonadotropin-Releasing-Hormon- Agonisten (GnRHa) während einer Chemotherapie hat die Unterdrückung der Eierstockfunktion zum Ziel. Hierdurch werden die Keimdrüsen potenziell präventiv vor der Chemotoxizität inaktiviert. Als Begleiteffekt kann die Menstruation ausbleiben. Bei Erwachsenen reduzieren GnRH in den ersten ein bis zwei Jahren nach der Chemotherapie das Risiko einer verfrühten Ovarialinsuffizienz. Daten zum Langzeiteffekt sind jedoch für eine Bewertung noch unzureichend, weshalb insbesondere der alleinige Einsatz als fertilitätserhaltende Maßnahme kontrovers diskutiert werden sollte. Ferner müssen die Patientinnen über das Nebenwirkungsprofil wie den Einfluss auf die Gefäße oder die Beeinträchtigungen des Knochenstoffwechsels aufgeklärt werden, weshalb eine hormonelle Begleittherapie zur GnRH-Therapie bei nicht hormonsensiblen Tumoren ergänzend zum Einsatz kommt.

2. Stimulation und Kryokonservierung befruchteter oder unbefruchteter Eizellen

Eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke mit dem Ziel, unbefruchtete oder befruchtete Eizellen einzufrieren (kryokonservieren), kann zu jedem Zeitpunkt des Zyklus gestartet werden und bedarf eines Behandlungszeitraums von mindestens 14 Tagen. Bei hormonsensiblen Tumoren hat sich die zur Stimulation zeitgleiche Gabe eines Aromatasehemmers zur Reduktion des Östrogenlevels bewährt. Die Entnahme der Eizellen erfolgt durch eine Punktion durch die Scheide, wobei optimalerweise 10 bis 15 Zellen entnommen werden sollten, sofern dies die ovarielle Reserve der Patientin zulässt.

Unbefruchtete Eizellen werden durch das Verfahren der „Vitrifikation“ direkt und rasch nach der Entnahme bei -196° kryokonserviert. Befruchtete Zellen lassen sich neben der Vitrifikation auch durch das in der Reproduktionsmedizin gebräuchliche „slow freezing“ für den Zeitraum bis zur gewünschten Umsetzung des Kinderwunschs kryokonserviert lagern. Der Erfolg dieser Methode ist mittlerweile durch zahlreiche Geburten gut dokumentiert, wobei die Schwangerschaftsraten je nach Patientenalter zum Zeitpunkt der Kryokonservierung, der Art der Kryokonservierung, ob die Zellen befruchtet oder unbefruchtet eingelagert wurden und bei gegebenenfalls zusätzlichen Sterilitätsfaktoren variieren.

3. Kryokonservierung und Retransplantation von Eierstockgewebe

Ist der Zeitpunkt zwischen Beratung zum Fertilitätserhalt und Umsetzung der onkologischen Therapie zu kurz, kann die Kryokonservierung von Eierstockgewebe (Ovargewebe) angeboten werden. Sie kann binnen weniger Tage geplant werden und ermöglicht einen raschen Beginn der Chemotherapie oder Bestrahlung. In der Regel werden 50 Prozent eines Eierstocks laparoskopisch entnommen und, sofern vor Ort nicht vorhanden, bei einer konstanten Kühlung von 4 bis 8°C zu einer spezialisierten Kryobank transportiert und mittels „slow-freezing“-Verfahren eingefroren. Das Zeitlimit hierzu sollte 24 Stunden nicht überschreiten.

Eine Wiedereinpflanzung (Retransplantation) ist nur bei Erkrankungen möglich, die kein erhöhtes Risiko für bösartige Zellen im Eierstock aufweisen. Als wenig risikoreich gelten zum Beispiel Hodgkin-Lymphome, Brustkrebs und Wilms-Tumore, als mäßig risikoreich Non-Hodgkin-Lymphome, Ewing-Sarkome und als risikoreich Leukämien, Neuroblastome und Burkitt-Lymphome. Bei einem hohen Risiko ist die Kryokonservierung von Eierstockgewebe derzeit als experimentell zu erachten und die Patientin muss darüber informiert werden, dass das Gewebe möglicherweise nicht retransplaniert werden kann.

Erfolgt eine Retransplantation, wird das Gewebe überwiegend „orthotop“ transplantiert, das heißt in die seitliche Beckenwand nahe den Eierstöcken. Aktivitätszeichen des Eierstockgewebes zeigen sich nach circa drei bis sechs Monaten und eine spontane Schwangerschaft kann angestrebt werden, wobei grundsätzlich gilt, dass die Chancen für eine Schwangerschaft umso größer sind, desto höher die Follikeldichte im kryokonservierten und transplantierten Eierstockgewebe ist. Gemäß den zwei größten Fallserien liegt die Geburtenrate pro Frau nach einer Transplantation derzeit bei etwa 30 Prozent. Da die Schwangerschaften gegebenenfalls erst nach einer wiederholten Transplantation generiert werden, ist in Zukunft von einer höheren Erfolgsrate pro Frau auszugehen.

4. Transposition der Eierstöcke

Bei Patientinnen, die sich einer Ganzkörperbestrahlung unterziehen müssen, können die Eierstöcke laparoskopisch aus dem Bestrahlungsfeld heraus verlegt werden, indem sie von der Gebärmutter getrennt und zum Beispiel unterhalb des Zwerchfells fixiert werden. Dies bietet die Möglichkeit, die Hormonproduktion zu erhalten.

Alle diese genannten Möglichkeiten sind grundsätzlich miteinander kombinierbar. Leider wird derzeit eine fertilitätserhaltende Therapie nur in Einzelfällen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Eine Nachfrage sollte dennoch den Patientinnen empfohlen werden. Die Zeit hierzu erscheint möglicherweise in manchen Situationen zu knapp, auch kann die Erkenntnis einer drohenden Sterilität zusätzlich zur Erstdiagnose der Grunderkrankung belastend für Patientin und Behandler sein. Dennoch bietet die Beratung der Patientin eine Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit für dieses sehr sensible Thema.

Prof. Dr. med. Nicole Sänger

Direktorin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Universitätsklinikum Bonn

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