Biomarker: Den Eigenschaften des Tumors auf der Spur

Tumoruntersuchung

So wie Tumor nicht gleich Tumor ist, so ist Krebstherapie auch nicht gleich Krebstherapie. Eine entscheidende Rolle kommt dabei sogenannten Biomarkern zu. Aber was versteht man eigentlich darunter und wo findet man sie?

Fieber, Blutdruck, Cholesterin oder Hormone im Blut und Urin: In der allgemeinen Medizin sind Biomarker schon lange ein Mittel, um zu überprüfen, ob im Körper alles in Ordnung ist oder eine Erkrankung vorliegt. Seit einigen Jahrzehnten spielen Biomarker aber auch in der Krebsmedizin eine wichtige Rolle und tragen entscheidend dazu bei, dass die Behandlungen immer individueller auf die Patientinnen und Patienten und die Charakteristika der Erkrankung zugeschnitten werden können.  

Denn Krebs ist eine individuelle Erkrankung und lässt sich auf Veränderungen – sogenannte Mutationen – im Erbgut zurückführen. In den körpereigenen, gesunden Zellen verändern sich bestimmte Abschnitte der Gene. Gelingt es diesen veränderten Zellen, sich unkontrolliert zu vermehren und in gesundes Gewebe einzuwachsen, liegt eine Krebserkrankung vor. Wie sich die Zellen verändern, kann aber von Patientin zu Patientin und von Patient zu Patient völlig unterschiedlich sein – auch innerhalb einer bestimmten Krebsart wie Eierstockkrebs. 

Veränderungen im Blut oder Gewebe nachweisbar 

Diese Erkenntnis hat enorme Auswirkungen auf die Behandlung. Wo früher vereinfacht gesagt mit Operation, Bestrahlung und Chemotherapie ein Behandlungsschema für alle Krebsarten zum Einsatz kam, gibt es heute eine Vielzahl zielgerichteter Therapien (englisch: targeted therapies), die sich – basierend auf der Ermittlung von Biomarkern – bestimmte Eigenschaften der Tumorzellen zu Nutze machen und deren Wachstum hemmen oder sie zerstören.  

Die Veränderungen können dabei durch Blut- oder Gewebeproben bestimmt werden. Dabei unterscheiden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwischen prognostischen und prädiktiven Markern. Prognostische Biomarker liefern Hinweise auf den zu erwartenden individuellen Verlauf der Erkrankung. Dementsprechend kann die Behandlungsstrategie gewählt werden. Dagegen ermöglichen prädiktive Biomarker Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Therapie wirksam sein kann. Sie helfen, die individuell geeignete Therapieoption auszuwählen. Eine klare Abgrenzung zwischen prognostischen und prädiktiven Markern ist aber nicht immer möglich. 

Biomarker

Testung auf verschiedene Biomarker bei Eierstockkrebs 

Auch bei Eierstockkrebs wird seit einigen Jahren auf bestimmte Veränderungen in den Genen getestet. Seit der Zulassung der sogenannten PARP-Inhibitoren im Jahr 2015 gehört die Testung auf eine Mutation in den Genen BRCA1 und BRCA2 zum Standard. Diese Gene – BRCA steht für BReast CAncer und die Gene spielen auch bei der Entstehung von Brustkrebs eine wichtige Rolle – bilden spezielle Eiweiße, die dabei helfen, Erbgutschäden zu reparieren und damit auch die Entstehung von Krebs zu verhindern. Sind die Gene aber verändert, funktioniert der Reparaturmechanismus nicht mehr und die Krebszellen können sich ungestört teilen und vermehren. Da eine solche Mutation in einem der beiden BRCA-Gene sowohl im Tumorgewebe als auch in der Keimbahn vorliegen kann, ist eine Blutuntersuchung sinnvoll. Eine Keimbahnmutation ist eine Mutation, die in allen Körperzellen vorkommt und über Ei- oder Samenzellen von Generation zu Generation vererbt wird. Dementsprechend werden Keimbahnmutationen in gesunden Zellen, in der Regel im Blut, nachgewiesen. Im Gegensatz dazu gibt es somatische Mutationen. Diese sind im Laufe des Lebens entstanden und werden nicht an die nächste Generation weitergegeben. Die Information, ob eine Mutation vorliegt oder nicht, ist wichtig für die weitere Therapieplanung und – bei einer Keimbahnmutation – natürlich auch für die Risikoabschätzung von Familienmitgliedern. 

Ein weiterer Biomarker, auf den bei Eierstockkrebs getestet werden sollte, ist die Homologe Rekombinationsdefizienz, kurz HRD. Die Testung basiert auf der Tatsache, dass es in unserem Erbgut, der DNA, immer wieder zu Beschädigungen kommt. Ein Mechanismus, der solche Beschädigungen behebt, ist die homologe Rekombinationsreparatur (HRR). Wenn dieser Mechanismus nicht mehr funktioniert, liegt eine HRD vor – mit der Folge, dass Fehler nicht mehr behoben werden können und die Häufigkeit von Genmutationen steigt. Mit jeder Genveränderung erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine gesunde Zelle zu einer Krebszelle wird. Wie eine Mutation in einem der BRCA-Gene, ist das Vorliegen einer HRD aber auch der Ansatz für eine zielgerichtete Therapie. Auch hier kommen PARP-Inhibitoren zum Einsatz, die in den Krebszellen so viele Schäden hervorrufen, dass diese sich nicht mehr teilen können und schließlich absterben. Der Nachweis einer HRD erfolgt über eine Analyse des Tumorgewebes, das bei der Operation entnommen wurde. Im Gegensatz zu einer Veränderung in den BRCA-Genen ist die HRD nicht vererbbar und wirkt sich somit auch nicht auf die Familie aus.  

Während die Testung auf BRCA und HRD seit geraumer Zeit zur Diagnostik und Therapieplanung von Eierstockkrebs gehört, spielt ein weiterer Biomarker erst seit kurzem eine Rolle in der Therapie von Eierstockkrebs, genauer gesagt in der Behandlung des platin-resistenten Ovarialkarzinoms. So haben Forscherinnen und Forscher festgestellt, dass der sogenannte Folatrezeptor-α (alpha) bei Krebszellen überexpremiert, das heißt, in hoher Zahl vorliegt. Dieser Rezeptor bindet die für viele Stoffwechselvorgänge wichtige Folsäure, die dann in das Zellinnere transportiert wird. Viele Frauen kennen Folsäure aus der Schwangerschaft – als Nahrungsergänzungsmittel. In der Schwangerschaft spielt das Spurenelement nämlich eine besondere Rolle. Es verringert das Risiko für Neuralrohrdefekte, die das Gehirn und/oder das Rückenmark des Babys betreffen, wie beispielsweise den offenen Rücken. Der Fötus nimmt die Folsäure aus dem Blut vorrangig über den Folatrezeptor-α in seine Zellen auf. Entsprechend liegt der Rezeptor in dieser Zeit in hoher Zahl vor, wird nach der Fetalzeit aber nur noch von wenigen Zellen gebildet. Krebszellen hingegen beginnen wieder mit der Ausbildung des Folatrezeptors-α, um ihren Folsäurebedarf zu decken. Die Untersuchung auf die Folatrezeptor-α-Expression wird am Tumorgewebe durchgeführt und gibt Aufschluss über mögliche Therapieoptionen.    

Kurz erklärt: Was sind Biomarker?

Biomarker ist ein Oberbegriff für verschiedene Merkmale und Eigenschaften, die man im Körper bestimmen kann. Dazu gehören unter anderem 

  • Vitalzeichen wie Blutdruck, Puls und Körpertemperatur,
  • Laborwerte wie Blutzucker oder Cholesterin,
  • Messwerte aus Untersuchungen wie EKG (Elektrokardiogramm) oder Ultraschall,
  • Botenstoffe (Hormone) und Eiweiße in Blut, Urin oder Hirnflüssigkeit,
  • Eiweißstrukturen und veränderte Genabschnitte (DNA-Sequenzen) in Krebszellen. 

 

Biomarker können zeigen, ob bestimmte Vorgänge im Körper normal ablaufen oder es Hinweise auf eine Krankheit gibt, wie sich eine vorhandene Krankheit vermutlich weiter entwickeln wird, ob eine bestimmte Behandlung wirken kann oder ob eine schon begonnene oder abgeschlossene Behandlung tatsächlich wirkt. In der Krebsmedizin gelten Biomarker als Wegweiser für die sogenannte personalisierte Medizin, die es ermöglichen soll, Behandlungen individuell auf eine Patientin, einen Patienten abzustimmen.

Mit freundlicher Unterstützung durch

Für alle, die bei Krebs mitreden wollen

Mamma Mia! möchte Betroffenen und Angehörigen ein Stück weit die Angst nehmen und Mut machen, sich der Erkrankung zu stellen. Mit unseren Magazinen wollen wir dabei helfen, einen Weg mit der Erkrankung zu finden: Mit wissenschaftlich fundierten Informationen, die eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Erkrankung, den verschiedenen Therapiemöglichkeiten und dem Leben mit Krebs ermöglichen.
Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Interessante Artikel der gleichen Kategorie