Lebensfreude trotz Fatigue

Lebensfreude trotz Fatigue
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Bleierne Müdigkeit, gegen die Schlaf nicht hilft, das Gefühl einer geistigen und körperlichen Erschöpfung und eine stark verminderte Leistungsfähigkeit: Viele Krebspatientinnen und -patienten leiden unter der sogenannten Fatigue. Eine von ihnen berichtet.  

Stell Dir vor, Du hast ein Glas voll mit Energie für den Tag und musst gucken, wofür Du die Energie verwendest. Mein Glas ist oft um 12 oder 13 Uhr leer. Ich bin dann einfach erschöpft und müde.“ Wie viele Krebspatientinnen und -patienten hat auch Alexandra K. mit Fatigue – einer besonderen Form von Erschöpfung, die ein eigenes Krankheitsbild darstellt zu kämpfen. Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) geht davon aus, dass bis zu 90 Prozent der Menschen mit einer Krebserkrankung während oder kurz nach einer Therapie mit einer Fatigue zu tun haben. Meist klingt die übermäßige Erschöpfung nach kurzer Zeit wieder ab. Eine Fatigue kann aber auch chronisch werden. Sie kann über Monate oder Jahre andauern oder zu einem späteren Zeitpunkt wiederkehren. Ungefähr 20 bis 50 Prozent der an Krebs erkrankten Menschen erleben DKG-Schätzungen zufolge eine chronische Fatigue, wobei die Ausprägung der Symptome individuell sehr unterschiedlich sein kann.1 

Fatigue-Symptome 

Typisch für eine Fatigue ist, dass die Erschöpfung häufig nicht in einem direkten Zusammenhang mit einer vorangegangenen Anstrengung oder Belastung steht. Auch macht sie sich meist nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und geistig bemerkbar und ähnelt in ihrer Symptomatik einer Depression. Ein weiteres Merkmal ist, dass sich das Gefühl der Ermüdung durch Ruhephasen nicht wesentlich bessert. Dieses Gefühl kennt auch Alexandra: „Ich kann 12 Stunden schlafen und fühle mich trotzdem nicht erholt. Wenn ich aufstehe, fühlt es sich vielmehr so an, als hätte ich die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich funktioniere dann einfach.“ Schließlich müssen die beiden Kinder zur Schule, sie muss zur Arbeit.  

Bei Alexandra treten die Symptome 2018 im Rahmen der Bestrahlung erstmals auf. „Ich war eigentlich die ganze Zeit über müde und erschöpft“, erinnert sie sich. Als sie die Ärztinnen und Ärzte darauf anspricht, raten sie ihr, Geduld zu haben und ihrem Körper Zeit zu geben, sich von der Brustkrebserkrankung und den Therapien zu erholen. Doch Müdigkeit, Erschöpfung, Reizbarkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten werden zum ständigen Begleiter, erschweren die Bewältigung des Alltags und mindern die Lebensqualität der damals 44-Jährigen.  

Anzeichen einer Fatigue 2

Körperliche Symptome 

Seelische Symptome 

Geistige Symptome

Reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit Konzentrationsstörungen 
Schwäche, Kraftlosigkeit, Erschöpfung Ängste Ablenkbarkeit 
Gliederschwere Anspannung, Frust, Reizbarkeit Wortfindungsstörungen 
Plötzliche, starke und dauerhafte Müdigkeit Desinteresse an Dingen, die früher Spaß machten

Verringerte Merkfähigkeit 

Anhaltendes Unwohlsein nach körperlicher Belastung Wunsch, sich zurückzuziehen Geringe Aufmerksamkeitsspanne 
Schlafstörungen   

Fatigue ohne eindeutige Ursache

Von Fatigue hatte sie bis dahin noch nichts gehört, kannte weder die Symptome noch die möglichen Ursachen. Auslöser einer Fatigue kann sowohl der Tumor selbst als auch die Therapie sein“, erklärt PD Dr. Jens-Ulrich Rüffer, 1. Vorsitzender der Deutschen Fatigue Gesellschaft e. V. mit Sitz in Köln. So können das ungebremste Zellwachstum des Tumors und andere Veränderungen den Kraftreserven des Körpers tatsächlich so zusetzen, dass man sich dauerhaft müde und abgeschlagen fühlt. Eine verminderte Leistungsfähigkeit kann also auch ein mögliches Anzeichen für eine Tumorerkrankung sein. Genauso kann aber auch die Therapie eine Fatigue verursachen. Die Chemo- und die Strahlentherapie belasten den ganzen Körper. Neben vielen anderen Nebenwirkungen kann es zu Veränderungen im Blutbild kommen. Dabei zählt vor allem die Anämie, die Blutarmut, und der mit ihr einhergehende Sauerstoffmangel zu den Ursachen. Aber auch ohne eine hohe Symptom- oder Therapielast kann es zu einer Fatigue kommen“, erklärt Fatigue-Experte Rüffer. Bei Patientinnen und Patienten, die noch Monate oder sogar Jahre nach der Therapie unter Fatigue leiden, scheint die Ursache hingegen eher in der Krankheitsverarbeitung zu liegen. Dazu gehören Dinge wie häufige Überforderungssituationen oder ein zu hohes Pflichtbewusstsein“, so Rüffer. 

Behandlungsmöglichkeiten bei Fatigue 

So vielfältig wie die Ursachen für die tumorbedingte Fatigue sind, so überschaubar sind die Ansätze für ihre Behandlung. Auch wenn Alexandra schon so einiges ausprobiert hat: „Ich wollte nichts unversucht lassen. Verschiedene Arten von Sport, unterschiedliche Ernährungsansätze, Akupunktur und Bioresonanz, sogar Heilpilze habe ich genommen und eine Frau mit einer Wünschelrute bei mir Zuhause gehabt“, erinnert sie sich schmunzelnd. Als hilfreich empfindet Alexandra hingegen die Psychotherapie, regelmäßige Bewegung und die Einnahme von Mikronährstoffen. „Seit ich mit dieser Mischung unterwegs bin, habe ich das Gefühl, dass es langsam aber sicher besser wird.“  

Dass Psychotherapie und vor allem Bewegung Ansätze bei der Bewältigung einer Fatigue sein können, bestätigt auch PD Dr. Jens-Ulrich Rüffer. „Es gibt viele Hinweise, dass durch individuell dosierte, körperliche Betätigung die Lebensqualität verbessert und die Belastung durch das Fatigue-Syndrom reduziert werden können.“ Wichtig sei hier aber, die körperliche Betätigung individuell zu dosieren, denn zu viel körperliches Training kann auch negative Auswirkungen haben.  

Was für Sport und Bewegung gilt, gilt gleichermaßen auch für den Alltag: Betroffene sollten sich ihre Ressourcen einteilen und erkennen, wie sie mit ihren Kraftreserven am besten haushalten können. Dabei ist es zum Beispiel hilfreich, auf den eigenen Körper zu hören und aufzuschreiben, welche Tätigkeiten verrichtet wurden. Ist man am nächsten Tag vollständig erschöpft, war der vorangegangene Tag zu anstrengend. Ist dies nicht der Fall, sollte man versuchen, die eigene Aktivität vorsichtig zu steigern. Auf diese Weise findet man schrittweise das Maß an Aktivität, bei dem man sich weder vollständig verausgabt noch unterfordert, sondern die Reserven langsam, aber stetig steigert. Auch Alexandra hat gelernt, dass sie sich Grenzen setzen muss und diese nicht ständig überschreiten kann. „Als Mensch, der schlecht ‚Nein‘ sagen kann und immer Angst hat, etwas zu verpassen, ist das nicht einfach, zu akzeptieren. Aber auch wenn ich nicht mehr drei Dinge gleichzeitig erledigen kann – ich bin glücklich mit meinem Leben.“  

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