Adhärenz: Der Brustkrebstherapie treu bleiben

Therapietreue
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Mit der Diagnose Brustkrebs beginnt eine Zeit der Herausforderungen. Patientinnen und Patienten sind nicht nur mit vielen Aufgaben konfrontiert, sie müssen sich auch mit einer Therapie auseinandersetzen, die sie so noch nie erlebt haben. Und das, obwohl sie sich oft eigentlich gar nicht krank fühlen. 

In einer solchen Situation, in der sich eine Therapie über Monate oder Jahre erstrecken und mit vielen Nebenwirkungen verbunden sein kann, verlangt es den Betroffenen viel ab, dieser Therapie treu zu bleiben – das heißt, adhärent zu sein. Insbesondere orale Therapien, also Medikamente, die über den Mund, eingenommen werden, bieten zwar Flexibilität und einfache Anwendung, aber es kann schwierig sein, an die regelmäßige Einnahme zu denken. 

Im Interview erläutert Prof. Dr. Volkmar Müller, stellvertretender Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, warum es wichtig ist, eine Therapie wie verschrieben durchzuführen und wie das Treu- beziehungsweise Dranbleiben gelingen kann. 

Bedeutung der Therapietreue

Was versteht man unter Therapieadhärenz und wie beeinflusst diese den Behandlungserfolg? 

Prof. Dr. Volkmar Müller: Im Grunde versteht man darunter, dass Patientinnen und Patienten eine Therapie so ein- oder wahrnehmen, wie sie gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt festgelegt wurde. Man spricht hier auch von Therapietreue. In Bezug auf den Behandlungserfolg gilt, dass ein Medikament natürlich nur dann wirksam ist, wenn es eingenommen wird. Das eine ist, die Medikamente wie mit der Ärztin oder dem Arzt vereinbart einzunehmen, was gerade bei oralen Therapien nicht immer einfach ist. Das andere ist, die Therapiemaßnahmen an die jeweiligen Umstände anzupassen. Wichtig ist, dass man bei Medikamenten, und insbesondere auch bei Krebsbehandlungen, nicht alle Nebenwirkungen einfach hinnehmen muss. Es gibt oft Möglichkeiten, diese Nebenwirkungen zu kontrollieren und in den Griff zu bekommen. 

Therapieadhärenz unterstützen

Was kann Patientinnen und Patienten dabei helfen, die Medikamente wie verordnet einzunehmen? Und welche Rolle spielt dabei auch die Ärztin oder der Arzt? 

Prof. Dr. Volkmar Müller: Ich glaube, hier helfen verschiedene Dinge. Das erste ist, gut informiert in eine Therapie zu starten. Das betrifft sowohl die ausführliche Information über den Nutzen einer Therapie als auch über ihre möglichen Nebenwirkungen. Diesen Spagat müssen wir als Behandlungsteam, also Ärzte und Pflege gemeinsam, machen und die für die Patientinnen und Patienten wichtigen Punkte herausarbeiten. Denn wenn sie gut informiert sind und wirklich hinter der Therapie stehen, hilft das, die Therapie positiv zu sehen und sie durchzuhalten. Aber natürlich hat in diesem Zusammenhang jede Patientin und jeder Patient einen unterschiedlichen Anspruch oder Bedarf, den es im Dialog herauszufinden gilt. Auch sollten Patientinnen und Patienten einen detaillierten Medikationsplan an die Hand bekommen, der ihnen hilft, den Überblick zu behalten, vor allem, wenn sie mehrere Medikamente einnehmen müssen. Darüber hinaus können im Alltag auch ganz praktische Dinge helfen, zum Beispiel ein Kalender oder ein Therapietagebuch, mit dem man zum Beispiel auch die Nebenwirkungen erfassen kann. Hier gibt es neben der Weck- und Notizfunktion im Handy mittlerweile auch einige gute digitale Angebote wie spezielle Apps mit Erinnerungs- oder Eintragefunktion. Auch eine Pillenbox kann helfen, den Überblick über die einzunehmenden Medikamente zu behalten. Manche Patientinnen und Patienten koppeln die Einnahme ihrer Medikamente auch an bestimmte Rituale. Und natürlich können An- und Zugehörige in diesem Bereich eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur, weil sie an die Einnahme erinnern, sondern auch, weil sie die ganze Therapie begleiten können. Sie können bei der Aufklärung und für das Verständnis der Behandlung insgesamt eine große Hilfe sein und so einen entscheidenden Beitrag zum Therapieerfolg leisten. 

Herausforderungen, der Therapie treu zu bleiben

In welchen Situationen kann es besonders schwer sein, sich dazu zu motivieren, die Therapie weiter durchzuführen? 

Prof. Dr. Volkmar Müller: Manchmal wird der Sinn einer Therapie vielleicht nicht ganz gesehen, besonders wenn sich Betroffene nicht krank fühlen. Gerade bei Krebsbehandlungen geht es oft darum, durch Medikamente die Heilungschancen zu erhöhen oder zu verhindern, dass der Krebs zurückkommt. Auch wenn das ein wichtiges Ziel ist, kann es schwerfallen, sich zu motivieren, eine Therapie fortzuführen, besonders wenn Nebenwirkungen die Lebensqualität beeinträchtigen. 

Wie lässt sich in solchen Fällen die Adhärenz, also die mit der Ärztin oder dem Arzt besprochene Einnahme des Medikaments, dennoch aufrechterhalten? 

Prof. Dr. Volkmar Müller: Hier ist ganz wichtig zu wissen, dass Patientinnen und Patienten Nebenwirkungen in keinem Fall um jeden Preis aushalten müssen. Neben Maßnahmen wie einer Ernährungsumstellung, Anpassungen im Alltag oder einer entsprechenden Begleitmedikationen, können wir immer die Dosierung eines Medikaments anpassen, um die Nebenwirkungen zu verringern. Wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten oder ihre Angehörigen offen mit dem Behandlungsteam über die Nebenwirkungen sprechen. Gemeinsam können wir dann nach einer Lösung suchen, sodass es fast immer möglich ist, die Therapie fortzuführen. Auf keinen Fall sollte die Therapie auf eigene Faust unterbrochen oder beendet werden. 

Viele Patientinnen und Patienten fürchten, dass eine Anpassung beziehungsweise Verringerung der Dosis zu einer Verschlechterung der Wirksamkeit einer Therapie führt. Ist diese Sorge begründet? 

Prof. Dr. Volkmar Müller: Nein, diese Sorge ist zum Glück nicht begründet. Vielmehr zeigen Studien, dass eine Dosisanpassung in Form einer Reduzierung beim Auftreten von Nebenwirkungen nicht zu einer Verschlechterung der Wirksamkeit führt. Die Dosierung eines Medikaments wird in Studien festgelegt, um herauszufinden, welche Dosierung allgemein gut verträglich und wirksam ist, also quasi eine Höchstdosis. Dabei können individuelle Faktoren, die die Verträglichkeit beeinflussen können – etwa das Alter oder das Gewicht –, nicht berücksichtigt werden. Man startet also mit der Dosierung, die in den Studien die Wirksamkeit gezeigt hat. Ist diese dann mit zu vielen und zu schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden, lässt sich die Dosis schrittweise individuell anpassen und so den Nebenwirkungen begegnen – ohne, dass sich an der Wirksamkeit etwas ändert. Jeder Körper reagiert anders auf ein Medikament, daher ist es wichtig, mit dem Behandlungsteam die optimale und individuelle Dosis zu finden. 

Was möchten Sie den Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben? 

Prof. Dr. Volkmar Müller: Es gibt ganz große Fortschritte durch orale Therapien, die mehr Unabhängigkeit ermöglichen und die – wie die CDK4/6-Inhibitoren – zum Beispiel beim frühen Brustkrebs das Rückfallrisiko senken und so die Chance einer dauerhaften Heilung erhöhen können. Arbeiten Sie gemeinsam mit Ihrem Behandlungsteam daran, dass Sie Ihre Krebstherapie gut in Ihren Alltag integrieren können.

PP-ON-DE-2701 

Prof. Dr. Volkmar Müller
Stellvertretender Klinikdirektor, Leiter
konservative gynäkologische Onkologie,
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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