Zehn Jahre Tamoxifen – Welche Patientin profitiert?

Hände einer älteren Frau mit einer Tablettenbox, aus der eine Tablette entnommen wird
© iStock / FilippoBacci
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Die Entscheidung über Art und Dauer einer antihormonellen Therapie des Hormon­rezeptor­positiven Mamma­karzinoms wird in der Regel post­operativ in den Tumor­konferenzen der Brust­zentren getroffen.

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Danach über­nimmt der nieder­gelassene Frauen­arzt die Nach­sorge der anti­hormonell therapierten Patientin mit allem, was dazugehört:

  • Häufig zahlreiche motivierende Gespräche über die Notwendig­keit/Effek­tivität der Therapie (immerhin brechen etwa 20 Prozent die Therapie ab)
    Einordnung und gegebenenfalls Therapie der häufig belastenden Neben­wirkungen (inklusive eventuellem Wechsel der Substanz oder Therapie­abbruch)
  • Planmäßige Umstellung der Substanzgruppen („Switch“) inklusive Wahl des richtigen Zeitpunkts gemeinsam mit der Patientin
  • Überwachung des Knochenstoffwechsels und gegebenenfalls Einleitung einer knochenschützenden Therapie
  • Regelmäßiger Ultraschall der Gebärmutterschleimhaut unter Tamoxifen
    Beratung bezüglich Fertilität, Verhütung und Sexualität (immer noch zu selten thematisiert!)
    Bewerten internistischer Risiken (zum Beispiel Thromboserisiko unter Tamoxifen)
  • Beratung und Führung bei therapiebedingter Gewichtszunahme
    Entscheidung über erweiterte adjuvante Therapie mit Aromatasehemmer oder Tamoxifen.

Die ATLAS-Studie und die aTTom-Studie untersuchten den Nutzen einer zehn­jährigen Tamoxifen­therapie gegenüber dem Therapie­standard von fünf Jahren nach einem Follow-up von aktuell 15 Jahren. In ATLAS wurden lediglich hormon­rezeptor­positive Patientinnen eingeschlossen. In aTTom war bei 4.198 Patien­tinnen der Rezeptor­status unbekannt, was möglicher­weise die Ergebnisse „zu schlecht“ erscheinen lässt, da auch erwartungs­gemäß hormon­rezeptor­negative Patientinnen einge­schlossen wurden. Ent­gegen den Ergebnissen älterer kleiner Studien (zum Beispiel NSABP B-14; 4) zeigte sich bei beiden Studien ein signifi­kanter Vorteil für die längere Therapie­dauer. War der Therapie­effekt vom fünften bis neunten Jahr noch verhältnis­mäßig gering, ergab sich nach dem zehnten Jahr (nach Absetzen von Tamoxifen) bei beiden Studien ein deutlicher Unter­schied. In beiden Studien kam es (im Gegen­satz zur NSABP B-14) nur zu einer leichten Steigerung des Gebär­mutter­krebs-Risikos im 10-Jahres-Arm.

Verlängerte Therapie bei prä- und perimenopausalen Frauen

Die Therapieoption einer zehnjährigen Tamoxifen­therapie stellt sich in der Praxis insbesondere für prä- und perimenopausale Patientinnen, die nach Abschluss von fünf Jahren Tamoxifen noch eine Eier­stock­funktion aufweisen. Bekannter­maßen ist eine erweiterte Therapie mit Aromatase­hemmern hier nicht möglich. Obwohl die Sub­gruppen­analyse der ATLAS-Studie für Lymph­knoten­befall und große Tumoren dies nicht deutlich zeigen konnte, bieten die klassischen Prognose­faktoren (zusätzlich GIII und hohe Proliferation) eine Möglich­keit zur Risiko­stratifizierung. Die Hinzu­ziehung einer Gen­expressions­analyse (EndoPredict) zur Voraus­sage eines Spätrezidivs ist prinzipiell möglich und kann in Einzel­fällen zur Ent­scheidungs­findung hinzu­gezogen werden.

Lebensqualität ist wichtiges Entscheidungskriterium

Bei hohem Rezidivrisiko sollte der Patientin eine Fortsetzung der Therapie angeboten werden. Dabei sollte aber auch die Lebens­qualität unter der anti­hormonellen Therapie als wichtiges Entscheidungs­kriterium für eine Therapie­erweiterung hinzugezogen werden. Die meisten der jüngeren Patientinnen sehnen das Ende der anti­hormonellen Therapie verständlicher­weise regel­recht herbei. Neben aus­geprägten klimakterischen Syndromen, Gelenk­beschwerden, Gewichts­problemen, Schlaf­störungen und Libido­beeinträchtigung liegt nicht selten noch Kinder­wunsch vor. Die Erfahrung zeigt jedoch auch, dass einige gut informierte Patientinnen Spät­rezidive fürchten und die Fortsetzung der Tamoxifen­therapie trotz der Neben­wirkungen gerne auf sich nehmen, ja sogar aktiv ein­fordern. Eine gemeinsame Entscheidungs­findung erfordert viel Finger­spitzen­gefühl und Empathie und sollte erfahrungs­gemäß über mehrere Gesprächs­termine erfolgen. Die zu erwartende Inzidenz an Gebär­mutter­tumoren unter einer erweiterten Tamoxifen­therapie ist in dieser Patienten­gruppe als gering einzu­schätzen, während individuelle Risiken (zum Beispiel Thrombose­risiko) zu beachten sind.

Therapieempfehlung nach den Wechseljahren

Im Falle einer alleinigen initialen fünfjährigen Tamoxifen­therapie hat sich bei hohem Rezidiv­risiko (besonders N+) in der Postmeno­pause die erweiterte adjuvante Therapie mit einem Aromatase­hemmer bewährt. Für bereits mit Aromatase­hemmer behandelte post­meno­pausale Patientinnen (Upfront oder Switch) bedeuten ATLAS und aTTom streng genommen keine Studien­evidenzen für eine erweiterte adjuvante Therapie über fünf Jahre hinaus, die Daten beziehen sich nur auf die Frauen, die zunächst fünf Jahre Tamoxifen genommen haben. Für die im absoluten Einzel­fall bei besonders hohem Rezidiv­risiko gängige Ver­längerung (Off-Label-Use) nach fünf Jahren Aromatase­hemmer bein­haltender Therapie kann nun Tamoxifen im vorsichtigen Analog­schluss eingesetzt werden.
Weitere Therapieoption: Bei ausgeprägten, im Einzelfall intolerablen, persistierenden Neben­wirkungen der Aromatase­hemmer­therapie zeigt die Erfahrung, dass solche Patientinnen trotz sympto­matischer Therapie dazu neigen, die anti­hormonelle Therapie vollständig abzusetzen. Hier ist die Option einer zehn­jährigen „primären“ Tamoxifen­therapie eine Alternative für Patien­tinnen mit hohem Rezidiv­risiko, die sonst mit einem Aromatase­hemmer behandelt würden. Dies ermöglicht eine deutliche Ver­besserung der Lebens­qualität bei nun belegter Effektivität.

Fazit für die Praxis

Beide Studien belegen zweifellos eine signifikante Reduktion von Spät­rezidiven (immerhin 50 Prozent aller Rezidive ereignen sich nach dem 5. Jahr!) und Sterblich­keits­risiko. Das Risiko für Gebär­mutter­krebs und Thrombosen ist geringer als der zu erwartende Nutzen. Vor allem für die Gruppe der prä- und perimeno­pausalen Patientinnen existiert nun eine neue Therapie­option mit ver­besserter Heilungs­prognose. Für den ver­antwortungs­voll nach­sorgenden Frauen­arzt ergibt sich dadurch eine anspruchs­volle Aufgabe: Das Rezidiv­risiko, individuelle Risiken und vor allem die Lebens­qualität müssen sorgsam gegen­einander abge­wogen werden. Die Berück­sichtigung des Patienten­wunsches nach ein­gehender Auf­klärung ist uner­lässlich. Wünschens­wert für die Zukunft sind bezüglich einer drohenden Spät­metastasierung valide Prognose- und Prädiktions­parameter. Möglicher­weise sind Gen­expression­analysen (EPScore/ EndoPredict; 5), aber auch neue Er­kenntnisse zur „Tumor Cell Dormancy“ („schlafende Tumorzellen“) erste Schritte in diese Richtung.

Dr. Steffen Wagner

Frauenärzte Saarbrücken West
Onkologischer und operativer Schwerpunkt
Lebacher Straße 78
66113 Saarbrücken
Tel.: +49 (0)681 71055
Fax: +49 (0)681 752251

www.frauenarzt-saar.de

Kommentare • 5
  1. Ich habe das umgekehrte Problem. Ich habe jetzt genau 10 Jahre Tamoxifen hinter mir. Mit Sport und Gewichtskontrolle habe ich die Nebenwirkungen gut im Griff. Jetzt soll ich aufhören mit der Einnahme.
    Dazu habe ich zwei Fragen – was passiert, wenn ich aufhöre in Bezug auf Wechseljahre? Ich Nehme Tamoxifen ja seit ich 45 bin, hatte also nie Wechseljahre. Kommen die dann jetzt?
    Und wie ist es mit dem Rezidivrisiko? Das ist jetzt meiner Kenntnis nach nicht wesentlich geringer, als nach 5 Jahren Tamoxifen?
    Für Ihre kompetente Einschätzung wäre ich super dankbar!

    1. Hallo!
      Hier kommt die Antwort unseres Experten – wir hoffen, diese hilft Ihnen weiter.
      Für Tamoxifen liegen Daten aus Studien vor, die zeigen, dass das Rückfallrisiko bei einer Einnahme über 10 Jahre signifikant geringer ist im Vergleich zu einer Einnahmedauer von 5 Jahren. Diese Erkenntnisse sind natürlich stark abhängig vom individuellen Risiko der Patientin, einschließlich des Tumorstadiums und weiterer biologischer Charakteristika. Experten-Empfehlungen stützen sich insbesondere auf Daten aus den ATLAS- (Adjuvant Tamoxifen: Longer Against Shorter) und aTTom-Studien (adjuvant Tamoxifen Treatment – offer more?).
      In der ATLAS-Studie wurden weltweit etwa 7.000 Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs untersucht, während die aTTom-Studie fast 7.000 Brustkrebs-Patientinnen aus Großbritannien mit meist unbekanntem Hormonrezeptor-Status einschloss. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass eine verlängerte Tamoxifen-Behandlung über 10 Jahre sowohl die Rückfallrate als auch die Sterblichkeit senkt. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein längeres Einnahmezeitraum auch mit einer Zunahme von Lungenembolien und Endometriumkarzinomen einhergeht. Trotzdem steigt der Nutzen der 10-Jahres-Therapie deutlich, mit einer signifikanten Verringerung des Rezidivrisikos (p<0,0001), der brustkrebsbedingten Sterblichkeit (p=0,002) und des Gesamtüberlebens (p=0,005).
      In Ihrem Fall, da Sie Tamoxifen bereits über 10 Jahre ohne Beschwerden eingenommen haben und unter der Therapie in die Wechseljahre gekommen sind, ist anzunehmen, dass auch nach dem Absetzen von Tamoxifen keine Wechseljahressymptome auftreten werden. Leider liegen keine Daten über eine Einnahmedauer von mehr als 10 Jahren vor. Die Entscheidung, die Therapie zu beenden, bleibt individuell zu treffen. Wir hoffen, dass diese Informationen Ihnen bei Ihrer Entscheidungsfindung hilfreich sind.

      Herzliche Grüße
      Christiane von Mamma Mia!

  2. Hallo… habe nach 8 Jahren Tamoxifeneinnahme, wegen starken Nebenwirkungen, für 6 Monate abgesetzt.
    danach ging es mir viel besser!
    Nun sagte
    meine Gynäkologin ,ich solle wieder mit der Einnahme von Tamoxifen beginnen,um die 10 Jahre voll zu machen.
    ich habe Angst,das ich wieder starke Nebenwirkungen habe.
    Wie beginne ich?
    Erstmal vielleicht alle 2 Tage 1 Tablette?
    brauche Rat
    Danke

    1. Hallo,
      eine verlängerte Tamoxifengabe bis zu 10 Jahre ergibt besonders Sinn für junge prämenopausale Patientinnen, welche eine erhöhte Risiko Situation aufweisen.
      Die Einnahme von Tamoxifen über achte Jahre ist eine tolle Leistung !!! Die erweiterte adjuvante endokrine Therapie (EAT) wird allen jungen Frauen bei erhöhtem Rückfallrisiko empfohlen, die Lebensqualität sollte hierbei aber auch berücksichtigt werden. Eine Fortsetzung der Therapie in Ihrer Situation sollte partizipativ mit ihrer Gynäkologin/Gynäko-Onkologin erfolgen. Eine Evaluation der Gesamtsituation sollte zu einer individuellen Lösungsfindung führen, dies kann auch die Beendigung der Therapie sein. Sollte die gemeinsame Entscheidung die Wiederaufnahme der Therapie sein, dann sollte das Tamoxifen in der üblichen Dosierung täglich eingenommen werden.
      Bitte prüfen sie gemeinsam mit ihrer Gynäkologin/Gynäko-Onkologin die Notwendigkeit der erweiterten endokrinen Therapie mit Tamoxifen nach 8 Jahren für Ihren individuellen Fall.

    2. Falls du noch Probleme mit tamoxifen haben solltest probiere mal equinovo musst selber bezahlen ca 130 Euro langt aber für 2,5 Monate mir hat das sehr geholfen

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