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ASCO 2022: Neuigkeiten aus der Krebsforschung

Redaktion Mamma Mia!

© iStock / piranka
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Die Jahrestagung der American Society for Oncology (ASCO 2022) wurde mit Spannung erwartet. Zum ersten Mal seit der Covid-Pandemie versammelten sich Onkologen aus der ganzen Welt wieder bei einer Präsenzveranstaltung, um sich persönlich auszutauschen. Zu Brust- und Eierstockkrebs wurden praxisverändernde Studien vorgestellt, die wir hier genauer beleuchten.

Nachrichten, die Hoffnung machen: Eva Schumacher-Wulf, Chefredakteurin von Mamma Mia! Das Brustkrebsmagazin, und Andrea Krull, 1. Vorsitzende des Vereins Gynäkologische Krebserkrankungen Deutschland, haben gemeinsam mit renommierten Experten eine Auswahl an interessanten Studien zusammengestellt und diskutieren die Ergebnisse mit

  • Prof. Dr. Christian Jackisch vom Sana Klinikum in Offenbach (Thema: Früher Brustkrebs)
  • Prof. Dr. Nadia Harbeck vom LMU Klinikum München (Thema: Metastasierter Brustkrebs)
  • Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt vom UKE Hamburg (Thema Eierstockkrebs)

 

Früher Brustkrebs – Studien im Überblick

KEYNOTE-522-Studie: Triple-negativer Brustkrebs – wie wirkt sich die neoadjuvante Gabe von Pembrolizumab und Chemotherapie auf die Zeit ohne Rückfall (eventfree survival = EFS) aus?
Prof. Dr. Christian Jackisch: In der KEYNOTE-522-Studie wurde die Wirksamkeit der Zugabe von Pembrolizumab (Immuntherapie) zur Chemotherapie bei Patientinnen mit triple-negativem Brustkrebs im Vergleich zu Chemotherapie und Placebo untersucht. Betrachtet wurden bei der hier vorgestellten Analyse Patientinnen, die nach der neoadjuvanten Therapie keine Komplettremission hatten, bei denen also bei der Operation noch Tumorreste sichtbar waren. Das wird auch residuale Erkrankung oder „Residual Cancer Burden“ (RCB) genannt. Der zusätzliche Nutzen von Pembrolizumab zur Chemotherapie ist unabhängig vom Tumorrest gegeben, jedoch in unterschiedlichem Maße. Bei sehr kleinem Tumorrest (RCB-1) ist der zusätzliche Effekt kleiner als bei einem größeren Tumorrest (RCB-2), weil die Prognose ohnehin besser ist. Ist der Tumorrest sehr groß (RCB-3) muss davon ausgegangen werden, dass die neoadjuvante Chemotherapie keine große Wirkung auf den Tumor hatte, dann ist auch die zusätzliche Gabe von Pembrolizumab etwas weniger effektiv, sollte aber in Ermangelung an Alternativen dennoch in Erwägung gezogen werden.

ASTRRA-Studie: Hormonrezeptor-positiver Brustkrebs bei jungen Frauen – Wie wirkt sich die zusätzliche Unterdrückung der Eierstockfunktion zur Therapie mit Tamoxifen aus?
Prof. Dr. Christian Jackisch: An dieser koreanischen Studie konnten sehr junge Frauen teilnehmen, die nach der Chemotherapie noch eine Eierstockfunktion hatten. Sie erhielten zusätzlich zu ihrer fünfjährigen Tamoxifen-Therapie eine zweijährige Unterdrückung der Eierstockfunktion oder nur die fünfjährige Behandlung mit Tamoxifen. Hier wurden nun Langzeitergebnisse der Studie nach einem medianen Follow-Up von 106,4 Monaten (acht Jahre) vorgestellt. Dabei zeigten sich zwar weniger Rückfälle bei den Frauen mit Unterdrückung der Eierstockfunktion, das Gesamtüberleben unterschied sich jedoch nicht. Das ist eine wichtige Information, die wir bei unserer Therapieentscheidung mit berücksichtigen sollten, falls die ovarielle Suppression zu viele Nebenwirkungen verursachen sollte.

ABCSG-18-Studie: Hormonrezeptor-positiver Brustkrebs – welchen Nutzen hat die Einnahme von Denosumab im Hinblick auf die Reduzierung von Knochenbrüchen und das Gesamtüberleben?
Prof. Dr. Christian Jackisch: Wir wissen, dass die Therapie mit Aromatasehemmern (AI) die Knochen-stabilität bei postmenopausalen Patientinnen beeinträchtigt. Hier wurde nun untersucht, ob eine adjuvante Denosumab-Behandlung einen Nutzen haben könnte. In der ABCSG-18-Studie erhielt ein Teil der Frauen eine dreijährige, adjuvante Denosumab-Therapie (60 mg alle sechs Monate) oder Placebo zusätzlich zur Therapie mit AI. Nach acht Jahren zeigt sich nun, dass die adjuvante Denosumab-Therapie nicht nur Knochenbrüche und Knochenmetastasen reduzieren, sondern auch das Gesamtüberleben verbessern kann. Ich denke, das sollten alle Frauen unter Aromatasehemmer-Therapie wissen. Leider hat die Substanz in dieser Konstellation keine Zulassung, eine Kostenübernahme muss daher bei der Kasse beantragt werden.

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De-Eskalation – wieviel Therapie ist wirklich nötig?

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Luminal-A-Brustkrebs und Chemotherapie im Alter

Metastasierter Brustkrebs – Studien im Überblick

DESTINY-Breast04-Studie: HER2-low inoperabler und/oder metastasierter Brustkrebs – Wie wirkt Trastuzumab-Deruxtecan im Vergleich zu einer Chemotherapie nach Wahl des Arztes?
Prof. Dr. Nadia Harbeck: Diese Studie zählte zu den absoluten Highlights des diesjährigen Kongresses, die Daten wurden in der Hauptsitzung vorgestellt und es gab „standing ovations“ nach der Präsentation der Ergebnisse. Worum geht es? Etwa 55 Prozent der metastasierten Mammakarzinome, die typischerweise als HER2-negativ eingestuft werden, weisen eine niedrige HER2-Expression (IHC 1+ oder 2+/ISH negativ) auf. Diese Tumoren werden als „HER2-low“ bezeichnet. Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das schon in einer Phase-1-Studie eine vielversprechende Wirksamkeit bei HER2-low, metastasiertem Brustkrebs gezeigt hat und bereits zur Behandlung von HER2-positivem, metastasiertem Brustkrebs zugelassen ist. In der DESTINY-Breast04-Studie erhielten die Patientinnen und Patienten mit HER2-low Tumoren entweder T-DXd oder eine Chemotherapie nach Wahl des Arztes. Betrachtet wurde neben der Zeit ohne Fortschreiten der Erkrankung auch das Gesamtüberleben. Im Ergebnis zeigte sich eine deutliche Überlegenheit der T-DXd-Therapie gegenüber der Chemotherapie. Das mediane Gesamtüberleben verlängerte sich von 8,3 auf 18,2 Monate. Dabei konnte ein vergleichbarer
Nutzen in allen Subgruppen gezeigt werden, unabhängig vom Hormonrezeptorstatus und auch nach vorheriger Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor. Für die klinische Praxis bedeutet das: HER2-low ist eine neue Klassifizierung, die bisher keine Relevanz hatte. T-DXd ist die erste Therapie, die beim metastasierten, HER2-low Brustkrebs eine deutliche und klinisch relevante Verbesserung gezeigt hat, sowohl was die progressionsfreie Zeit als auch das Gesamtüberleben betrifft. Ein proaktives
Nebenwirkungsmanagement ist wichtig, da das Medikament als Nebenwirkung eine schwerwiegende Lungenerkrankung verursachen kann. Das ist zwar selten, aber wir müssen darauf achten und die Therapie gegebenenfalls rechtzeitig unterbrechen oder beenden.

TROPiCS-02-Studie: Hormonrezeptor-positiver, HER2-negativer, metastasierter Brustkrebs – Wirkt das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Sacituzumab-Govitecan (SG) bei dieser Tumorart?
Prof. Dr. Nadia Harbeck: Hormonrezeptor-positiver, HER2-negativer Brustkrebs ist der häufigste Brustkrebs-Subtyp. Zurzeit umfasst die Behandlung in der Regel antihormonelle Kombinationstherapien gefolgt von Chemotherapien. Sacituzumab-Govitecan ist ein Anti-Trop2-Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das bereits zur Behandlung von metastasiertem, triple-negativem Brustkrebs zugelassen ist. In der Studie erhielten Patientinnen, die zuvor bereits mindestens zwei Therapien, darunter eine Chemotherapie, erhalten hatten, entweder SG oder eine Therapie nach Wahl des Arztes. Im Ergebnis zeigte SG einen signifikanten Vorteil für das progressionsfreie Überleben: Nach einem Jahr waren im SG-Arm dreimal so viele Patientinnen progressionsfrei wie im Chemo-Arm. SG ist also auch beim hormonabhängigen, HER2-negativen Brustkrebs wirksam. Weitere Daten, beispiels-weise zum Gesamtüberleben oder in früheren Therapielinien sind wichtig, um den Nutzen dieses Medikaments in dieser Patientengruppe besser einschätzen zu können.

MAINTAIN-Studie: Inoperabler oder Hormonrezeptor-positiver, HER2-negativer, metastasierter Brustkrebs – Ist Fulvestrant oder Exemestan mit oder ohne Ribociclib nach dem Fortschreiten der Erkrankung unter Antihormontherapie und einem CDK4/6-Inhibitor wirksam?
Prof. Dr. Nadia Harbeck: Die aktuelle Standardbehandlung bei Patientinnen mit inoperablem oder metastasiertem, Hormonrezeptor-positivem (HR+), HER2-negativem (HER2-) metastasiertem Brustkrebs (mBC) ist eine Behandlung mit einem CDK4/6-Inhibitor (CDK4/6i) in Kombination mit einer Anti-hormontherapie. Bei einem Fortschreiten der Krankheit wird das Therapieprinzip mit neuen Medikamenten gewechselt. Aus Beobachtungsstudien gab es Hinweise, dass ein CDK4/6-Inhibitor mit einem anderen antihormonellen Kombinationspartner Wirkung zeigen könnte. Das wurde nun in dieser Studie untersucht. Teilnehmende Patientinnen erhielten nach Fortschreiten unter einem CDK4/6-Inhibitor entweder Fulvestrant oder Exemestan mit oder ohne Ribociclib. Im Ergebnis führte Ribociclib in Kombination mit einer geänderten Antihormontherapie zu einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens. Das Beibehaltung der CDK 4/6i-Therapie mit Wechsel der Antihormontherapie ist also eine mögliche Therapieoption nach Fortschreiten der Krankheit unter einer anderen CDK4/6i-Therapie. Das ist eine wichtige Information für uns, im klinischen Alltag werden wir die verschiedenen Therapiealternativen nach Erkrankungsverlauf, Vortherapien und Patientenwunsch sorgfältig prüfen und abwägen.

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Antikörper-Wirkstoff-Konjugate im Fokus

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Neues in der Behandlung bei fortgeschrittenem Brustkrebs

Eierstockkrebs – Studien im Überblick

AGO-OVAR 19/FRAGILE-Studie: In dieser Studie wurden beim ersten Verdacht auf Eierstockkrebs verschiedene Risikofaktoren der Patientin erhoben. Das Ziel ist es, die Therapie von Anfang an individuell zu planen, unter Berücksichtigung der Risikofaktoren. In die Studie aufgenommen wurden Frauen mit einem hohen Risiko für ein Fortschreiten der Krankheit, bei denen zunächst eine Operation und dann eine Chemotherapie durchgeführt wurde. Nach zehn Monaten wurde überprüft, wie es der Patientin geht. Knapp ein Viertel hatte bereits einen Rückfall oder war verstorben. Die Auswertung der Risikofaktoren zeigte einen deutlichen Zusammenhang zwischen einigen Faktoren und einem früheren Fortschreiten der Krankheit. Dazu zählten beispielsweise das Alter, der Allgemeinzustand sowie Verstopfung vor der Operation. Für den klinischen Alltag sind diese Erkenntnisse sehr wichtig, weil die Therapie unter Berücksichtigung dieser Risikofaktoren besser individualisiert werden kann.

Athena-Mono-Studie: An dieser Studie konnten Patientinnen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs teilnehmen, die eine BRCA-Mutation oder einen anderen Defekt in der Genreparatur haben und auf eine Chemotherapie angesprochen hatten. Dabei war nicht relevant, ob sie in der ersten Operation tumorfrei operiert werden konnten oder nicht. Sie erhielten den PARP-Inhibitor Rucaparib versus Placebo als Erhaltungstherapie, die Therapiedauer betrug 24 Monate. Im Ergebnis zeigte sich eine deutliche Verbesserung der progressionsfreien Zeit bei den mit Rucaparib behandelten Patientinnen. Der Effekt blieb auf Dauer erhalten. Nach 24 Monaten waren im Rucaparib-Arm noch 45 Prozent der Patientinnen ohne Rückfall, während es im Placebo-Arm nur 25 Prozent waren. ATHENA ist also eine weitere Studie, die den Benefit der Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren zeigt, und zwar bei Patientinnen mit einer BRCA-Mutation oder einem anderen Defekt in der Genreparatur, die auf eine Chemotherapie angesprochen hatten. Aber auch Patientinnen ohne eine Mutation beziehungsweise ohne Defekt in der Genreparatur profitierten, wenn auch in geringerem Maße. Künftige Studien werden klären müssen, welche Therapie für diese Patientinnen am wirksamsten ist.

DESKTOP-III-Studie: Ist eine erneute Operation beim Rezidiv sinnvoll oder ist eine Chemotherapie ausreichend? Eine erste Auswertung der Studie im Jahr 2020 zeigte, dass Patientinnen unter bestimmten Voraussetzungen von einer erneuten Operation profitieren und ohne Tumorrest operiert werden können. In einer weiteren Auswertung wurden nun die Patientinnen betrachtet, die keine erneute Operation, sondern nur eine Chemotherapie erhalten hatten. Untersucht wurde, ob sie auch später, also bei einem weiteren Rückfall, von einer Operation profitieren würden. Insgesamt konnten auch in dieser weiter fortgeschrittenen Situation 60 Prozent der Patientinnen tumorfrei operiert werden. Das Gesamtüberleben in dieser Gruppe war genauso lang wie in der Gruppe, die bereits beim ersten Rezidiv operiert wurde. Es gab allerdings mehr Komplikationen bei der Operation. Das bedeutet, dass im besten Fall beim ersten Rezidiv eine Operation in Erwägung gezogen werden sollte. Ist das – aus welchen Gründen auch immer – eher nicht sinnvoll, kann die Patientin auch noch von einer späteren Operation profitieren.

MITO-23-Studie: Randomisierte Phase-III-Studie mit Trabectedin Monotherapie versus Therapie nach Wahl des Arztes bei Patientinnen mit einer BRCA-Mutation beziehungsweise einer biologisch ähnlichen Tumorart (BRCSness) und einem Rezidiv: Die neue Chemotherapie Trabectedin zeigte keinen Vorteil, was bestätigt, dass die im Moment standardmäßig eingesetzten Chemotherapien sehr wirksam sind. Patientinnen, die mit Trabectedin behandelt wurden, hatten aber auch keinen Nachteil, sodass das durchaus eine ergänzende Therapieoption sein könnte.

SORAYA-Studie: In dieser Studie wurde der Nutzen des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats (ADC) Mirvetuximab Soravtansin (MIRV) bei Patientinnen mit platinresistentem Eierstockkrebs und hoher Folatrezeptor-alpha (FRα)-Expression untersucht. Die Studienteilnehmerinnen hatten bereits mehrere Therapielinien absolviert und bekamen dann das ADC. Im Ergebnis zeigten sich sehr gute Ansprechraten und eine Verlängerung der progressionsfreien Zeit bei dem neuen Medikament. Voraussetzung für die Wirkung ist das Vorhandensein des Folatrezeptors-alpha (FRα), das muss also am Tumorgewebe getestet werden. Die Substanz wird in weiteren Studien untersucht.

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Primärtherapie und Patientinnenauswahl

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Therapie nach Rückfall

Die Kongressberichterstattung des jährlichen Meetings der American Society of Clinical Oncology (ASCO), die im Rahmen der Mamma Mia!-Academy und patients today stattfindet, wird durch die freundliche Unterstützung von Glaxo Smith Kline, Roche Pharma und Daiichi Sankyo GmbH ermöglicht.