Wenn Eierstockkrebs wieder auftritt

Chemotherapie

Trotz der Fortschritte in der Primärtherapie erleiden etwa zwei Drittel aller Patientinnen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs innerhalb von fünf Jahren ein Rezidiv. Worauf es dann ankommt.

Von einem Rezidiv spricht man, wenn es nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung zu einem erneuten Tumorwachstum kommt. Im Gespräch erläutert Prof. Dr. Philipp Harter, Direktor der Klinik für Gynäkologie & Gynäkologische Onkologie an den Evang. Kliniken Essen-Mitte (KEM), welche Unterscheidung dann eine wichtige Rolle spielt und wie die Therapieoptionen aussehen.

Mamma Mia!: Kommt es beim Eierstockkrebs zu einem Rezidiv, unterscheiden Medizinerinnen und Mediziner zwischen einem Platin-sensiblen oder einem Platin-resistenten Ovarialkarzinom. Können Sie erläutern, was dies bedeutet und woran diese Unterscheidung festgemacht wird?

Prof. Dr. Philipp Harter: Diese Unterscheidung rührt daher, dass im Rahmen der Erstbehandlung eines Eierstockkrebses als Standardtherapie eine Platin-basierte Chemotherapie, meist eine Kombination aus Carboplatin und Paclitaxel, gegeben wird. Kommt es trotz dieser Therapie zu einem Rezidiv, tritt die Erkrankung also erneut auf, hat man früher streng nach Kalender eingeteilt: Bei einem Rückfall nach sechs Monaten sprach man von Platin-sensibel. Als Therapie wurde dann erneut eine Platin-basierte Chemotherapie eingesetzt. Trat das Rezidiv schon vor dem Ablauf von sechs Monaten auf, galt der Tumor als Platin-resistent, Behandlungsansatz war eine Platin-freie Therapie. 

Mittlerweile hat man sich aber von dieser starren Einteilung gelöst und spricht eher von einem Platin-geeigneten oder einem Platin-ungeeigneten Rezidiv. Diese Einteilung berücksichtigt neben dem Zeitpunkt des Wiederauftretens der Erkrankung auch verschiedene andere Faktoren wie den Tumortyp oder die Art und Anzahl der Vortherapien. Es ist ja nicht so, dass in dem Tumor plötzlich von einem Tag auf den anderen irgendein Schalter umgelegt wird. Vielmehr ist das Ansprechen auf die Platin-haltige Therapie eine kontinuierliche Variable. Es gibt Fälle, in denen nach fünf Monaten ein Rezidiv auftritt, welches noch einmal hervorragend auf eine Platin-basierte Therapie anspricht. Und dann kann es sein, dass beim nächsten Mal ein Rezidiv nach 13 Monaten auftritt und Platin überhaupt nicht mehr wirkt. Der
Einsatz der Platin-haltigen Therapie beim Rezidiv hängt heute also eher davon ab, ob wir als Medizinerinnen und Mediziner denken, dass Platin noch einmal wirkt. Es gibt hier keine Tumortestung oder spezielle Marker, die das Ansprechen voraussagen können. Deswegen versucht man im Zweifelsfall eigentlich eher, noch einmal mit einer Platin-haltigen Therapie zu arbeiten, weil es zum einen in der Regel eine gut verträgliche und zum anderen auch eine sehr effektive Therapie ist.

Wenn es aber einmal zum Rezidiv gekommen ist, dann wird der Tumor auch erneut wiederkommen und früher oder später werden die meisten Tumoren dann auch Platin-resistent. Das kann beim ersten Rezidiv sein, oder auch erst beim sechsten. Das ist individuell sehr unterschiedlich.

Mamma Mia!: Warum sprechen denn manche Tumoren nicht auf die Platin-haltige Chemotherapie an? Gibt es hierfür Erklärungen?

Prof. Dr. Philipp Harter: Es gibt hierzu sehr viele wissenschaftliche Arbeiten an Zellkulturen, man hat aber bisher keinen wirklich etablierten Marker gefunden, der die Wirksamkeit der Therapie vorhersagen kann. Es gibt aber einige indirekte Hinweise. So geht man zum Beispiel davon aus, dass die Platin-haltige Therapie beim Rezidiv bei Patientinnen mit einer Mutation in den Genen BRCA1 oder BRCA2 besser funktioniert. Ähnlich könnte es sich bei einem positiven HRD-Status (Anm. d. Red.: Homologe Rekombinationsdefizienz) verhalten. Aber einen richtig guten Marker, auf den man hier testen kann, gibt es einfach nicht.

Mamma Mia!: Was bedeutet es für die Patientin, wenn der Tumor platin-resistent ist?

Prof. Dr. Philipp Harter: Natürlich können wir auch in der Platin-resistenten Situation mittlerweile verträgliche und effektive Therapien einsetzen. Man muss aber auch zugeben, dass die Anzahl der Therapieoptionen derzeit doch überschaubar ist. In jedem Fall macht es aber Sinn, ein molekulares Tumorboard durchzuführen, den Tumor sequenzieren zu lassen und zu gucken, ob es Mutationen gibt, die man gezielt behandeln kann. Es ist aber sicherlich auch die Situation – je nachdem, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist –, in der man auch besprechen muss, wie sinnvoll es ist, eine erneute Chemotherapie zu machen, gerade wenn man nicht weiß, wie hoch oder wie gut die Ansprechraten sind, man die Nebenwirkung aber auf jeden Fall haben wird. Und es ist auch die Situation, in der man sich als Patientin überlegen sollte, ob man nicht auch eine palliativmedizinische Begleitung mit ins Boot holen möchte, damit man frühzeitig über die Möglichkeiten Bescheid weiß und seine Ressourcen stärken kann. Dies ist sicherlich ein ganz wichtiger Aspekt.

Mamma Mia!: Und was bedeutet es im Umkehrschluss für eine Patientin, wenn der Tumor Platin-geeignet ist?

Prof. Dr. Philipp Harter: In dieser Situation gibt es im Grunde zwei Therapieansätze. Das ist zum einen die erneute Operation, die bei circa 20 Prozent der Frauen mit einem Rezidiv möglich ist, und zum anderen die Systemtherapie. Die OP kommt bei Frauen infrage, deren Allgemeinzustand gut ist, bei denen keine Aszites, also Flüssigkeit in der Bauchhöhle, vorliegt und bei denen der Tumor bei der ersten OP vollständig entfernt wurde. Auch die Zeit zwischen der Erstdiagnose und dem Auftreten des Rezidivs spielt eine Rolle bei der Einschätzung. Unabhängig von der Operation wird beim Platin-geeigneten Rezidiv erneut eine Systemtherapie gegeben – in Form einer Platin-basierten Chemotherapie, bei der Zytostatika miteinander kombiniert werden. Dies sind in der Regel Carboplatin/pegyliertes liposomales Doxorubicin (PLD), Carboplatin/Paclitaxel oder Carboplatin/Gemcitabine. Im Rahmen der Erhaltungstherapie ist nach der Chemotherapie zudem die Gabe eines Angiogenesehemmers oder eines PARP-Inhibitors möglich. Erhaltungstherapien bei einem Rezidiv sind zeitlich nicht begrenzt und können so lange durchgeführt werden, wie sie wirken oder wegen Unverträglichkeit beendet werden müssen.

Mamma Mia!: Ein weiterer Aspekt ist das Thema Studien. Wann sollten sich Patientinnen über die Teilnahme an einer solchen informieren? Und wo finden sie diese Informationen?

Prof. Dr. Philipp Harter: Am besten direkt. Wir sehen es immer wieder: Oft kommen die Patientinnen, wenn man eigentlich gar nichts mehr machen kann. Denn viele dieser Studien haben ein Ausschlusskriterium wie maximal zwei oder drei Vortherapien. Wenn die Patientin dann aber schon zwei oder drei schlechte oder ineffektive Therapien hinter sich gebracht hat, dann kann sie an der Studie nicht mehr teilnehmen. Optimal wäre es, wenn die Patientin direkt bei der Rezidiv-Diagnose nach der Teilnahme an einer Studie fragt, also noch bevor die mögliche Chemotherapie überhaupt beginnt. Informationen zu laufenden Studien finden sich zum Beispiel bei der AGO Studiengruppe, der Nord-Ostdeutschen Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie (NOGGO e. V.) oder dem Studienportal Gyn. 

Prof. Dr. Philip Harter
Direktor der Klinik für Gynäkologie &
Gynäkologische Onkologie
KEM | Evang. Kliniken Essen-Mitte
Evang. Huyssens-Stiftung Essen-Huttrop
Henricistraße 92
45136 Essen

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