“Das Leben danach… Geschafft?!”

Matea 4
© Privat
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Mit 27 sollte Matea Weindl eigentlich in der Blüte ihres Lebens stehen. Stattdessen wechseln sich Hochs und Tiefs ab, kreisen die Gedanken, ist alles schwieriger als gedacht, kollidieren zwei Welten, die nicht zueinander passen. Und in denen sie einen Platz finden muss. 

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Simpel. Einfach. Klar. Wenn es um die Meinung über Krebs geht. Was und wie Menschen denken, dass es funktioniert. Vor allem das danach. In ihren Köpfen ist krebsfrei = nicht mehr krank. Die Therapien sind vorbei? Wunderbar. Du siehst nicht mehr krank aus? Dir muss es doch blendend gehen. Man kann endlich durchstarten. Sein Leben in die Hand nehmen. Einfach da weitermachen, wo man aufgehört hat. Welcome Back.  

So hatte ich es mir auch vorgestellt. Denn es war vollbracht. Ich hatte es gemeistert. Den Kampf gegen den Krebs. Bye bye Chemotherapie, bye bye unzählige OPs, bye bye Bestrahlung. Bye bye Cancerella. Schluss mit Entscheidungen treffen, sich Therapien unterziehen und es über sich ergehen lassen. Nie wieder schlecht fühlen, nie wieder Übelkeit, Müdigkeit. Keine Achterbahnfahrten der Gefühle mehr, keine Erschöpfung, keine Zweifel, keine Angst. Kein Stagnieren, kein Warten. Es hat alles ein Ende. Es ist vorbei. Der langersehnte Moment war gekommen. Ein Moment, welchen ich so herbeigebetet habe. Gehofft und gebangt für ihn und nun war er endlich real. Ich konnte ihn greifen, fühlen. Jede Faser meines Körpers vibrierte.  

Ich war wieder da. Ich hatte mein Leben zurück. Ich war wieder ich.

Wie naiv, wie leichtsinnig. Die rosa rote Brille verlor ganz schnell ihre Farbe und die Realität klopfte an. Und wie. Denn auf der einen Seite bereitet Dich keiner darauf vor. Was es bedeutet diese Diagnose zu erhalten, was auf Dich zukommt an Therapien, was sie mit dir und deinem Körper machen. Durch welche Schmerzen und Torturen du gehen musst. Aber genauso wenig bereitet Dich jemand darauf vor, was danach kommt. Niemand nimmt Dich an die Hand und zeigt dir wie es geht. Es gibt keine Ratgeber, keine Handbücher. Niemand sagt dir, dass die eigentliche Arbeit erst beginnt. Dass der wahre Kampf noch kommt. 

Ich bin 27. Sollte eigentlich in der Blüte meines Lebens stehen. Meine schönen 20ger genießen, ausleben. Partys schmeißen, Tanzen gehen, die Nacht zum Tag machen. Die Welt bereisen. Festivals und Konzerte besuchen. Herzen brechen. Was auch immer. Ich sollte da draußen sein. Die Welt sehen, Momente und Erlebnisse schaffen, die für die Ewigkeit sind. Mich unsterblich fühlen, unbesiegbar. Leicht wie eine Feder. Leben als gäbe es kein Morgen. Mit dem Kopf in den Wolken.  

Stattdessen hatte ich mit 21 einen Schlaganfall und zwei Jahre später die Diagnose Brustkrebs. Stattdessen befinde ich mich in der Menopause. Stattdessen habe ich mit den Nebenwirkungen von Chemotherapie, Bestrahlung und Antihormontherapie zu kämpfen. Stattdessen findet sich in meinem Innern eine Granny. Und das ist nur die Spitze des Eisberges. 

Ich musste früh und schnell erwachsen werden. Ich musste immense Entscheidungen für mich treffen aber nicht nur für mich, sondern auch für mein späteres Ich. Ich musste mich mit Dingen auseinandersetzen, die für mein Alter nicht der Regel entsprachen. Ich musste mich zweimal mit dem Tod auseinandersetzen. Ich musste kämpfen und überleben. Ich musste mit Abschieden klarkommen, ich musste mit Verlusten klarkommen. Und das alles in kürzester Zeit, da Zeit der Feind war. Denn Zeit war uns nicht gegeben. Ich hatte keine. Ich hatte nicht die Zeit, zu realisieren und zu verstehen was da eigentlich gerade passiert, was passieren würde. Was in meinem Körper von statten ging. Ich hatte nicht die Zeit zu realisieren, dass ich krank bin, schon wieder. Ich hatte nicht die Zeit, Entscheidungen durchzudenken. Ich hatte nicht die Zeit, um klarzukommen. Um zu realisieren, um zu verstehen. Und als ich sie dann hatte, die Zeit, hat es mich umgehauen. Mich mitgerissen, ohne Halt. Ohne Pause. 

Welcome to reality

Denn die Realität sieht so aus. Es ist ein ständiger Kampf. Mal mehr, mal weniger. Ich habe gute und weniger gute Tage. Phasen, in denen ich ein Hoch erlebe, nur um kurz darauf auf dem Boden zu liegen. Momente, in denen ich vergesse, dass ich krank bin, nur um kurz darauf wieder dran erinnert zu werden. Sequenzen, in denen mein altes und mein neues Leben aufeinander clashen und es zu Explosionen der Extraklasse kommt.  

Während andere feiern gehen, Party machen und ihr Leben genießen, hocke ich zu Hause, weil ich ausgelaugt und müde bin. Während andere den Sommer genießen, die Hitze willkommen heißen, schreit meine innere Granny und versteckt sich. Während andere in ihrem Leben durchstarten, habe ich das Gefühl zu stagnieren. Während andere leicht und unbeschwert sind, zerfressen mich Gedanken und Sorgen. Während andere Dates haben, hocke ich in Wartezimmern. Während draußen die Sonne scheint, lieg ich im Bett und bin down. Während andere unterfordert scheinen, komme ich an meine Grenzen und ertrinke. Andere erleben Intimität und Zweisamkeit, während meine Libido verschollen ist.  

Und ich hasse es. Ich hasse es so sehr. Denn es ist nicht fair. Nichts daran ist fair. Und ja ich weiß, dass es nie fair ist. Dass es ungerecht ist, egal in welchem Alter. Niemand sollte so etwas erleben, so etwas durchmachen müssen. Aber gerade in jungen Jahren ist es verdammt schwer. Ich hatte ein Leben. Ich hatte Ziele, Träume und Wünsche. Ich war glücklich. Unbeschwert. Das Leben war schön, leicht. Ich habe mich gefreut auf alles, was noch anstand, was das Leben bereithielt. Ich hatte gerade erst angefangen, wieder zu leben. Hatte gerade dem Tod den Stinkefinger gezeigt. Mich wieder aufgerafft. Einen Vorgeschmack bekommen. Für was? Für Nichts.

Ja, es hat mich stärker gemacht. Ja, es hat mich gelehrt. Ja, ich konnte viel draus ziehen. Aber genauso hätte ich drauf verzichten können. Ich brauchte es nicht. Ich wollte es nie haben. Dieses Leben, diese Lektionen. Diesen Rattenschwanz, der endlos scheint. Ich wollte doch nur leben, will ich noch immer.  

Ich bin dankbar. Unendlich. Dass ich es geschafft habe. Dass ich gesund bin. Dass ich noch hier bin. Dass ich jeden weiteren Tag erleben darf. Dass ich nicht gestorben bin. Und ich bin unendlich stolz: Auf mich, was ich geleistet habe. Auf meinen Körper. Meine Stärke und dass ich durchgezogen habe. Genauso versuche ich immer mit einem Lächeln durch die Welt zu gehen. Positive und good Vibes. Little Miss Sunshine. Aus allem das Positive und Gute mitzunehmen. 

Matea 1

Aber es ist hart

Härter als ich gedacht habe. Schwieriger als ich dachte. Es verlangt mir so verdammt viel ab. Mehr als ich manchmal zugeben möchte. Denn manchmal wird es nicht besser, wenn man auf Mist Glitzer streut. Es wird nicht schöner. Es macht es nicht unsichtbar. Es macht es nicht einfacher. Manchmal ist der Misthaufen so riesig, so stinkend, so groß, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Wo ich ansetzten soll. Wo er anfängt und wo er endet. Manchmal sehe ich den Himmel nicht, das Licht am Ende des Tunnels. Manchmal befinde ich mich so tief drin, dass ich nicht rauskomme, dass ich nicht weiß, ob es sich lohnt.  

Das mag düster klingen, aber es ist die Wahrheit. Denn nur weil ich es mit sehr viel Positivität und einem Lächeln gemeistert habe, so war es nicht einfach. Im Gegenteil. Oft genug hatte ich Momente, wo ich aufgeben wollte. Wo ich nicht mehr konnte. Wo ich müde, ausgelaugt war. Am Ende meiner Kräfte. Mich in den Schlaf geweint habe. Es ist wie Ying und Yang. Tag und Nacht. Hell und Dunkel. 

  • Ich möchte weiterkommen und gleichzeitig muss ich Baby Steps machen. 
  • Ich möchte mich nicht einschränken und gleichzeitig muss ich ehrlich zu mir sein.  
  • Ich will alles und noch mehr und gleichzeitig einen Gang runterschalten. 
  • Ich will genießen, leben, machen und gleichzeitig muss ich auf meinen Körper hören.  
  • Ich will 27 sein und gleichzeitig bin ich 55.  
  • Ich möchte normal sein und gleichzeitig weiche ich ab.  
  • Ich möchte nicht in der Vergangenheit weilen und gleichzeitig geht es nicht ohne.  
  • Ich möchte den Kopf in den Wolken haben gleichzeitig plagt mich die kleine Stimme in meinem Kopf.  
  • Ich habe Pläne, Wünsche und gelichzeitig weiß ich nicht, ob ich sie erreiche.  
  • Ich bin stolz auf mich und gleichzeitig zweifele ich an mir.  
  • Ich bin stark und gleichzeitig so schwach, fragil. 
  • Ich lächle und gleichzeitig will ich weinen. 
  • Ich weiß es und gleichzeitig macht es das Wissen nicht besser. 
  • Ich weiß, was ich will und gleichzeitig bin ich verloren.  
  • Ich bin für Andere da und gleichzeitig kämpfe ich im Stillen, weil ich niemanden belasten will.  
  • Ich bin gesund und gleichzeitig habe ich dauerhaft Angst. 
  • Ich mag mein neues Ich und gleichzeitig vermisse ich die alte Matea.  
  • Ich bin mehr als Krebs und gleichzeitig wird er immer ein Teil von mir sein. 
  • Ich will weiterkommen und gleichzeitig muss ich mich so oft erklären 
  • Ich will nicht daran denken und werde gleichzeitig so oft dran erinnert. 
  • Ich will so viel machen und erreichen, doch gleichzeitig scheint es unmöglich. 
  • Ich will mich nicht einschränken, gleichzeitig muss ich es. 
  • Ich mag die Downphasen nicht, gleichzeitig sind sie wichtig. 
  • Ich fühle mich lebendig, frei und gleichzeitig Tonnen schwer und leer. 
  • Ich rede darüber und gleichzeitig fühle ich mich missverstanden, allein. 
  • Ich will nach vorne schauen und gleichzeitig huscht der Blick ab und an nach hinten. 
  • Ich bin dankbar und gleichzeitig empfinde ich es als unfair. 
  • Ich bin voller Energie und gleichzeitig ausgelaugt und leer. 
  • Ich tue viel und gleichzeitig fühlt es sich an, als sei es nicht genug. 
  • Ich weiß es besser und gleichzeitig falle ich in alte Gewohnheiten. 
  • Ich achte auf mich und gleichzeitig vergesse ich mich. 
  • Ich lebe und gleichzeitig auch nicht. 

 

Für mich steht eines außer Frage

Ich möchte leben. Ich habe diesen Kampf auf mich genommen, um genau jetzt hier zu stehen. Ich bin durch die Hölle gegangen für das Ergebnis. Für diesen Moment. Ich habe vieles über mich ergehen lassen. Ich habe ein starkes Mindset. Ohne das hätte ich es nicht so weit gebracht. Auch ohne mein Support-System. Ich weiß noch, wie meine Onkoärztin zu mir meinte: „Medizin macht vielleicht 40 Prozent aus. Der Rest sind Sie, Ihr Auffangnetz und das Mindset.“ Und sie sollte Recht behalten. Der Geist, die eigenen Gedanken sind ein starkes Werkzeug. Sie können Berge versetzten und den Unterschied machen. „You get what you give“. Doch nur weil ich mit einem Lächeln durch die Welt gehe, so eine positive Ausstrahlung habe, heißt das nicht, dass es einfach war. Dass es einfach und simpel ist. Oft genug stand ich am Abgrund, wollte und konnte nicht mehr. War ausgelaugt und am Ende. Meiner Kräfte, meiner Energie. Habe mich oft genug gefragt, ob es sich lohnt, wozu ich mich überhaupt noch aufraffe und ob es einen Unterschied macht. Einfach liegen bleiben, aufgeben. Krebs die Macht geben. Habe mich so verdammt oft allein und einsam gefühlt. Selbst wenn ich von Menschen umgeben war. Habe vieles mit mir ausgemacht. Wollte niemanden belasten, habe eher geschaut, dass es Allen um mich herum gut geht. Was suspekt ist, wenn man bedenkt, dass ich diejenige war, die Hilfe benötigt hätte. Habe gute Miene zum bösen Spiel gemacht.  

Und ja, ich hatte ein super Supportsystem. Menschen um mich herum. Und das ist nicht selbstverständlich. Es ist die Ausnahme. Und dafür bin ich mehr als dankbar. Aber am Ende musste ich da durch. Ich allein. Ich musste die Entscheidungen treffen, die Therapien durchziehen, musste mit dem Berg klarkommen. Mit der Achterbahnfahrt, mit dem Gepäck, den Nebenwirkungen, den Konsequenzen. Niemand konnte mir das abnehmen. Niemand konnte mit mir tauschen. Ich war gefangen in diesem Albtraum, in meinem eigenen Körper. Ich musste mich am Leben halten, über Wasser. Musste mich motivieren, Energie tanken und finden. Mich aus den dunklen Momenten kämpfen. Die Schmerzen ertragen. Mit Verlusten klarkommen, die Traumata, die sich anhäuften. Das ist etwas, was sich keiner vorstellen kann. Und ich wünsche es Niemandem. Niemand sollte so etwas erleben müssen, diese Krankheit haben. Denn auch die Empathie und das Mitgefühl, Verständnis meiner Liebsten hatte Grenzen. Verständlicherweise. Woher sollte sie es denn wissen? Verstehen? Nachempfinden? Konnten sie nicht. Ich war für die meisten der erste Kontaktpunkt mit dieser Krankheit. Und ich konnte es verstehen. Und gleichzeitig machte es mich manchmal traurig und wütend. Denn ich fühlte mich nicht gesehen, gehört oder verstanden. Bekam nicht die Reaktion, welche ich mir erhofft hatte, musste mich oft erklären und mich manchmal sogar noch um die Emotionswelt anderer kümmern. Bekam die guten Ratschläge um die Ohren gehauen. „Das wird schon“, „Positiv bleiben/ Positiv denken“, „Du musst nur fest dran glauben“, „Nicht zu sehr in der Vergangenheit weilen“. Ich habe nichts anderes getan, als positiv zu bleiben. Und dran geglaubt und gehofft. Und ich kann die Vergangenheit nicht einfach gehen lassen. Es ist so, als würde man jemandem, der mehrere Persönlichkeiten hat sagen, nur mit Einer zu leben. 

Krebs bleibt Teil meines Lebens

Diese Krankheit wird und bleibt ein Teil meines Lebens. Das ist sie jetzt, drei Jahre später, noch immer. Ich kann sie nicht in der Vergangenheit lassen. Es geht nicht. Doch ist das Leben mit einer solchen Krankheit nicht einfach. Es gibt gute und weniger gute Tage. Es ist ein ewiger Lernprozess. Man macht drei Schritte nach vorne, nur um kurz darauf zehn zurückgeworfen zu werfen. Man muss so vieles unter einen Hut kriegen. Mit so vielen Bällen jonglieren. Auf so vieles achten, auf so vieles aufpassen.  

  • Termine wahrnehmen 
  • Medikamente nehmen  
  • gesund ernähren 
  • Sport treiben 
  • im Job aufgehen und durchstarten 
  • Leben 
  • Freizeit ausleben 
  • Nebenwirkungen händeln 
  • Downphasen durchstehen 
  • Energie tanken 
  • Pausen nicht vergessen 
  • Auf sich und seinen Körper hören 
  • Stress vermeiden 
  • Kleine Schritte machen 
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Die Liste ist endlos. Für mich ist es tagtäglich eine Gradwanderung. Ein Drahtseilakt.  

  • Ich will mehr als Krebs sein und werde doch oft daran erinnert.  
  • Ich will mehr sein als die Krebskranke und bin es doch nicht.  
  • Ich will es mir selbst beweisen und scheitere oft. 
  • Ich will mehr und muss mich mit weniger zufrieden geben. 
  • Ich bin dankbar und doch empfinde ich es als unfair. 
  • Ich spiele es oft runter, obwohl es schlimm ist.  
  • Ich will schreien, schimpfen und habe das Gefühl, es nicht zu dürfen.  
  • Ich weiß es und doch fällt es mir schwer zu akzeptieren. 
  • Ich fühle mich fit und brauche mehr Pausen.  
  • Ich will durchstarten und komme schneller aus der Puste.  
  • Ich bin 27 und habe den Körper einer 55-Jährigen.  
  • Ich will mithalten und bleibe zurück. 
  • Ich fühle mich leicht und gleichzeitig habe ich Angst. 
  • Ich habe es über mich ergehen lassen, doch habe ich nicht danach gefragt.  
  • Ich mache das Beste draus, doch habe ich es nicht verdient. 
  • Ich will nicht undankbar rüberkommen und doch ist es bescheiden.  
  • Ich nehme mir die Zeit und doch geht es mir nicht schnell genug. 
  • Ich höre auf mich und möchte es manchmal ignorieren.   
  • Ich habe mein Leben zurück und doch ist es nicht mehr dasselbe 
  • Ich habe mich verändert und doch vermisse ich mein altes Ich. 
  • Ich habe gewonnen und so vieles verloren. 

 

Meine Therapeutin hat in einer unserer ersten Sitzungen gesagt, dass die Zeit der Akuttherapie nicht zählt. Denn man hat nur funktioniert. War auf Autopilot. Die harte Zeit kommt danach. Wenn sie abgeschlossen ist und man wieder zurück im Leben ist. Die Realität anklopft. Und zwei Welten aufeinander krachen, man mit der Realität konfrontiert wird.  

Manchmal möchte ich einfach Matea sein

Und ja, ich konnte viel für mich mitnehmen. Habe gelernt. Auf mich zu hören, auf meinen Körper. Habe gelernt, worauf es wirklich ankommt, meine Prioritäten haben sich verändert. Es hat mich stärker gemacht. Es hat mich zu der Person gemacht, die heute hier ist. Aber ich war ein Kind. Ich brauchte nicht stärker sein. Alles, was ich gebraucht habe, was ich wollte, war eine junge Frau zu sein. Die ihr Leben lebt und genießt. Und ich sage nicht, dass ich das nicht mehr kann oder es unmöglich ist. Aber es ist nicht mehr so leicht, unbeschwert und einfach. Wie davor. Nichts ist und wird wie davor. Und das ist zwischendurch eine sehr harte Pille, die ich schlucken muss. Eine unfaire noch dazu. Denn manchmal möchte ich einfach Matea sein. 27, in der Blüte ihres Lebens, ohne eine Sorge, ohne Gedanken an Termine, Therapien. Hitzewallungen, schlaflose Nächte, einen gezeichneten Körper, Downphasen. Ohne die quälende Angst, die kleine Stimme im Kopf, die Panik bei jeder Unstimmigkeit. Manchmal möchte ich einfach vergessen. Nur ich sein. In der Zeit zurückreisen. An einen Moment davor. Wo ich noch nicht wusste, was auf mich zukommen würde. Wo ich glücklich war.  

Und ja, schlimmer geht immer, besser aber auch. Und ja, alles oder vieles passiert aus einem Grund, aber hier sehe ich ihn nicht. Und ja, Gott gibt vielleicht die stärksten Aufgaben, zu denen, die es handeln können, aber langsam reicht es auch. Es ist Fluch und Segen zugleich. Momente, in denen es leichter und okay ist und dann wiederrum nicht. Und das ist okay. Wir alle geben unser Bestes. Und manchmal fühlt es sich an, als reiche das nicht. Wir nehmen jeden Tag, wie er kommt und versuchen es. Versuchen, zu überleben. Versuchen, damit klarzukommen, das Beste draus zu machen. Selbst wenn das Beste manchmal sehr dunkel ist. So aussieht, dass man nicht 100prozentig geben kann, einfach nicht will. Kein Bock hat. Es nur aus dem Bett geschafft hat. Momente braucht, um sich darin zu suhlen, alles zu verfluchen. Niemand hat Dich oder mich darauf vorbereitet. Niemand hat uns gezeigt, wie wir damit umgehen sollen. Was es heißt, krank zu sein. Wie es ist, so etwas durchzumachen. Was es mit sich bringt. Niemand hat uns an die Hand genommen.  

Jeder muss es für sich herausfinden, seinen Weg. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch. Den einen Plan, den einen Pfad. Diese Krankheit ist so einzigartig und divers, wie jede einzelne Cancerqueen da draußen. Und niemand darf und kann Euch dareinreden. Denn nur Ihr allein wisst, was Ihr braucht, was sich gut und richtig für Euch anfühlt. Was Euch gut tut und was Euch glücklich macht. Wir müssen nicht immer funktionieren. Müssen nicht immer stark sein. Müssen nicht immer positiv gestimmt sein und denken. Müssen es niemandem beweisen. Müssen nicht immer still sein. Müssen nicht immer an Andere denken. Müssen es nicht runterspielen.  

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Ich bin mehr als Krebs

Es ist okay Downphasen zu haben, diese auch zu zulassen. Alle Emotionen, auch die negativen, haben ein Recht, zu existieren und erlebt zu werden. Ja, sie sind ungebeten und keiner will sie. Aber sie sind wichtig. Sie sind wichtig, um weiterzukommen. Um Fortschritte zu machen. Denn wenn wir sie ignorieren und tun, als würde es sie nicht geben, als wäre es nie passiert, werden sie ausbrechen. Und dann ohne Halt.   

Es ist okay, sich als Priorität zu nehmen und zu sehen. Seine Bedürfnisse, seine Gesundheit und seine Happiness an erste Stelle zu setzten. Es ist unser Leben. Und das ist kein Gruppenprojekt. Wir haben nur dieses eine Leben. Und es sollte gelebt werden. Am Ende des Tages muss man selbst glücklich und zufrieden sein. Wir müssen es niemandem Recht machen, niemanden beeindrucken, niemandem beweisen. Es geht ganz allein um uns. Du bestimmst. Du gibst den Ton an. Du entscheidest das Tempo. 

Es ist okay überfordert zu sein, wenn es zu viel ist, nicht zu wissen, wie der Plan ist. Wir sind nur Menschen, keine Maschine. Nehmt Euch die Zeit, macht eine Pause. Euer Körper und Ihr habt so viel geleistet. Gebt ihm und Euch den Raum, die Geduld und Zeit.  

Wir dürfen es scheiße finden. Unfair, schreien, brüllen, weinen. Und es darf auch lange so sein. Wir dürfen uns vermissen, trauern. Wir reden hier noch immer von einer Krankheit. Und die kommt mit viel Gepäck. Mit vielen Nebenwirkungen. Mit vielen Aufgaben und Hürden. Und wenn sich einer darüber auskotzen darf, dann wir. Wir müssen nicht immer das Positive in allem sehen.  

Zweifel sind normal. Angst haben ist menschlich. Doch dürfen sie nicht die Oberhand haben. Vielleicht seid Ihr noch nicht da, wo Ihr dachtet. Aber schaut, wie weit Ihr es geschafft habt. Was Ihr geleistet habt. Wo Ihr vor einem Jahr wart, vor ein paar Monaten. Mit jedem Schritt, mit jedem Tag schreibt Ihr Erfolge. Und sie sind vielleicht nicht riesig, aber bedeutender. Babyschritte sind auch Schritte. Und Erfolg kommt in vielen Formen. Vielleicht habt Ihr länger beim Sport durchgehalten, eine größere Runde mit dem Hund geschafft, mehr Stunden bei der Arbeit. Habt es geschafft, zu duschen, die Wäsche zu machen, Euch frisch zu machen. Habt es aus dem Bett geschafft. Vergleicht Euch nicht. Denn kein Weg ähnelt dem anderen. 

Krebs ist und bleibt ein Teil meines und Eures Lebens. Aber mehr auch nicht. Ich bin mehr als Krebs. Mehr als bösartge Zellen in meinem Körper. Er schreibt nicht meine Geschichte, sondern ich. Bestimmt nicht mein Leben, sondern ich. Ich habe lang genug die Kontrolle abgegeben. Now it is my turn. Ich habe immer eine Wahl, die Chance es zu verändern, besser zu machen. Denn ich bin so viel mehr als das, was mir zugestoßen ist.  

Solch eine Krankheit kann und zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Es begräbt einen. Oft genug ist es zu viel, aussichtslos. Holt Euch professionelle Unterstützung. Baut Euch ein Auffangnetz. Es ist keine Schande, nach Hilfe zu fragen, sich diese zu holen! Es ist kein Zeichen von Schwäche! Holt Euch einen Therapeuten. Denn der Grat zwischen „Ich schaff das“ und „Ich komm nicht mehr raus“ ist sehr schmal. Freunde und Familie, Partner*in sind wichtig. Aber auch sie können nur bis zu einem gewissen Grad helfen. Können nur bis zu einem gewissen Grad verstehen. Selbsthilfegruppen, Social Media, Therapie. Support kann unterschiedlich aussehen.

Du bist nicht allein!

Mehr von Matea Weindl auf ihrem Instagram-Kanal  www.instagram.com/miss_pinktastic 

Kommentare • 2
  1. Liebe Matea, danke für diesen tollen Text. Er spricht so vieles auf den Punkt an, auch die Widersprüchlichkeit der Gedanken, die einem durch den Kopf gehen. Ja, das ist bei dieser Krankheit wohl so. Alles Gute für Dich!

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