„Gefühlt wie eine Königin“

Obertauern
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Es war das sechste Mamma Mia! Wochenende für metastasierte Patientinnen – und es war einmal mehr ein ganz besonderes. Dank der Bergkulisse in Obertauern und den tollen Frauen, die sich auch trotz widriger Bedingungen von nichts abhalten ließen.

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Donnerstagabend, 18 Uhr: Unser Aktiv-Wochenende beginnt offiziell mit einem Kennenlernen in den Räumlichkeiten des Tourismusverbands Obertauern mit einer herzlichen Begrüßung durch Mona Maier, Tourismusdirektorin Obertauern. Und dann geht es los: Jede der zehn Damen erzählt ihre Geschichte und schon wenige Worte reichen, um zu merken, dass die Chemie in der Gruppe stimmt, obwohl sie sich bis auf eine Ausnahme noch nie „in echt“ gesehen haben. Und sich Biografien und Lebenssituationen völlig voneinander unterscheiden. Da ist Nicole, die junge Mutter mit den zweieinhalbjährigen Zwillingen, deren Diagnose „Triple-negativer Brustkrebs mit Metastasen in den Lymphknoten nahe der Brust und Fernmetastasen in den Knochen“ gerade einmal acht Monate zurückliegt. Da ist Lucia, die bei ihrer Diagnose (fortgeschrittener Brustkrebs mit Knochenmetastasen inklusive Meningiosis carcinomatosa) im April 2018 47 Jahr alt war. Und die „meistens keine Lust auf Drama hat“, sondern schaut, aus jedem Tag das Beste für sich zu machen und immer viele Pläne hat, sich auch vor Ort in Sachen Krebs engagiert und versucht, metastasierten Patientinnen ein positiv besetztes Gesicht in der Öffentlichkeit zu geben. Oder Margot, die ihre Erstdiagnose vor genau fünf Jahren erhalten hat. „Ein kleiner Tumor mit hohen Hormonrezeptoren und laut Genexpressionstest einer sehr guten Prognose. Mein Rückfallrisiko schien niedrig zu sein.“ Umso überraschender war es, als dann im März 2021 durch leicht erhöhte Tumormarker und Schmerzen drei Knochenmetastasen diagnostiziert wurden. „Plötzlich als Palliativpatientin und somit als nicht mehr heilbar zu gelten, war ein Schock, der zunächst unfassbare Ängste und einen Zustand der totalen Lähmung bei mir auslöste.“ Seitdem hat sie ihre Schwerpunkte verlagert: Mehr Qualitätszeit mit der Familie verbringen, weniger Stunden arbeiten, wann immer es geht, Auszeiten für Yoga, Spaziergänge oder Wanderungen finden, um im Hier und Jetzt zu leben und sich auf das Positive und das Gesunde zu fokussieren.

Ihnen und auch den anderen Teilnehmerinnen ist sie anzumerken, die Vorfreude, auf das was vor uns liegt. Und auf den Austausch mit Gleichgesinnten. Denn der fehlt einfach. Metastasierte Patientinnen trifft man sehr selten, egal ob im Alltag, während der Therapie oder in der Reha, da sind sich alle einig. Umso wichtiger ist es, einmal offen und ohne Vorurteile miteinander reden zu können, sich nicht allein zu fühlen, sich fallen lassen zu können – und aufgefangen zu werden, von denen, die einen verstehen und die vielleicht auch schon an dem Punkt waren, an dem man selbst gerade ist. Wie das gelingt, zeigt dieses Wochenende.

Pflanzenkunde im Hochmoor

Freitag: Auf dem Programm steht eine Kräuterwanderung mit der Biologin und Yogalehrerin Nini Orda (→ www.berg.yoga), die uns mit ihrem Wissen in die Pflanzenwelt des Hundsfeldmoors, einem Hochmoor in Obertauern, einführt. Wir alle staunen nicht schlecht, als wir die diversen Stängel, Blätter und Blüten riechen und vor allem auch schmecken dürfen. Da sind die Blätter der Schwarzbeere – auch als Blau- oder Heidelbeere bekannt – zur Stärkung des Immunsystems oder die Stängel des Bärenklaus, der geschmacklich stark an Staudensellerie erinnert und viel Vitamin C, Kalzium und Magnesium sowie weitere Mineralien enthält. Auch Frauenmantel, die wohl bekannteste Heilpflanze für die Frau dürfen wir probieren –genauso wie Ninis Tee aus Zutaten wie Scharfgarbe, Erika, Kamille und Propolis und ihren Blutwurz-Schnaps, der wegen seiner entzündungshemmenden Eigenschaft nicht nur gut für die Gesundheit ist, sondern auch wirklich lecker schmeckt. Aber was wäre eine Wanderung in den Bergen ohne eine zünftige Einkehr. So geht es auf eine Alm, wo wir alle zusammen mit der Hüttenwirtin einen traditionellen Kaiserschmarrn zubereiten – mit ganz viel Liebe und fast noch mehr Butter.

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Oberatuern

Den Wissensdurst stillen

Aber nicht nur Hunger wird gestillt – auch der Wissensdurst. Schließlich hat sich in den letzten Jahren in der Forschung und in der Praxis viel getan. Was genau, erklärt PD Dr. Rachel Würstlein vom LMU Klinikum in München. Und sie macht den Teilnehmerinnen damit Mut und Hoffnung: „Für alle Arten von Brustkrebs gibt es auch in der metastasierten Situation eine ganze Reihe neuer Therapieoptionen. Und es werden mehr.“ Neben den medizinischen Fakten gibt sie aber auch Einblicke in den Ablauf einer onkologischen Behandlung. So können Patienten sich zum Beispiel sicher sein, dass ihre Therapie immer in einem Team, bestehend aus mehreren Spezialisten verschiedener Fachrichtungen, geplant und besprochen wird.

Angst als Begleiter verstehen

Samstag: Der Tag beginnt mit einem psychoonkologischen Workshop zum Thema „Zwischen Mut und Angst – Arbeit mit inneren Anteilen“. Dr. Heidelinde Falk vom Rotkreuzklinikum in München geht auf einen systemischen Ansatz des Psychologen Tom Holmes ein, der die buddhistische Sichtweise mit der des psychologischen inneren Systems verbindet und gibt verschiedene Denkanstöße, die helfen sollen, auch in schwierigen Zeiten zu erkennen, dass nicht alles schlimm ist, dass Angst nicht per se schlecht ist, sondern einen Platz in unserem Leben hat, dieses aber nicht bestimmen soll. Angst und der Umgang mit ihr ist auch eines der Themen, das neben vielen anderen – von Ärger mit der Krankenkasse und den Behörden über die Erwerbsminderungsrente bis hin zu mangelnden Reha-Angeboten – in den Gesprächen immer wieder eine Rolle spielt. Und so unterschiedlich die Teilnehmerinnen sind, so unterschiedlich sind auch die Strategien mit der Angst umzugehen. Während Melli sich einen Baseball-Schläger oder einen Ast schnappt und auf einen Baumstamm eindrischt, geht Steffi mit Hund und Mann raus und redet dabei mit ihm über ihre Angst: „Das befreit mich und wir schmieden gemeinsam einen Plan, wie es weitergeht.“ Margot hilft Wissen gegen die Angst. „Ich verfolge, was in der Forschung passiert, wo es Studien gibt, wo ich mich hinwenden kann. Ich kann besser damit umgehen, wenn ich daran teilhabe und auch ein bisschen experimentiere und ausprobiere, was meinem Körper guttut.“ Für viele ist auch das „Rausgehen in die Natur“ ein Mittel, mit der Angst besser umzugehen.

 

Ein bisschen erschöpft, aber sehr glücklich

Sonntag: Unser nächster Schritt heißt: Raus in die Bergwelt. Und in den Regen. Dem grausligen Wetter zum Trotz packen wir uns in Regenklamotten und wandern zum Johanneswasserfall. Und auch hier zeigt sich ein ganz besonderer Zusammenhalt – nicht nur bei den zahlreichen Zweier-, Dreier- und Gruppen-Selfies. Wer wegen Schwindel oder Polyneuropathie nicht ganz trittsicher ist, der helfen die anderen der Gruppe über die teils rutschigen oder nicht immer ganz ausgebauten Wege. Und wer nicht als Erste am Ziel ankommt, auf die wird einfach gewartet. Umso größer ist die Freude, als alle nass und vielleicht auch ein bisschen erschöpft, aber wohlbehalten und vor allem glücklich, im Kleinbus die Rückfahrt antreten. Auch hier wird wieder viel und ausgelassen gelacht, es fühlt sich ein bisschen an, wie auf einer Klassenfahrt, bei der man was ganz Verrücktes gemacht hat, ohne dass der Lehrer es mitbekommen hat.

„Zu zeigen, was trotz einer metastasierten Erkrankung alles möglich ist, das war eines der Ziele dieses Wochenendes“, sagt Eva Schumacher-Wulf. „Und das haben alle, die bei diesem Wochenende dabei waren und sich mit ihrem Mut und ihrer Lebensfreude eingebracht, aber auch ihre Sorgen und Ängste geteilt haben.“ So entstand in dieser kurzen Zeit ein Gemeinsinn, den kaum eine der Teilnehmerinnen bisher kannte. „Das war wie eine Mini-Reha, aber ganz speziell auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten. Ich habe mich an diesem Ort gefühlt wie eine Königin“. Ein Fazit, das dieses Mamma Mia! Aktiv-Wochenende mit all seinen Aspekten beschreibt und allen Teilnehmerinnen aus der Seele spricht.

Ein großes Danke

Unser Dank gilt Mona Maier vom Tourismusverband Obertauern (→ www.obertauern.com) und ihrem Team, das im Hintergrund die Fäden gezogen hat, allen Gastronomen und Hoteliers, die uns willkommen geheißen haben, den Expertinnen, die das Wochenende mit ihrem Wissen sowie auch mit persönlichen Gesprächen begleitet haben, sowie unseren Partnern Pierre Fabre Pharma und Seagen, ohne die eine solche Veranstaltung nicht möglich wäre. Und natürlich den Teilnehmerinnen, die dieses Wochenende für alle unvergesslich gemacht haben.

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