Ernährung im Zeitalter der Digitalisierung

Woman using calorie counter application on her smartphone
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Smartphones und vernetzte Computer verändern unseren Alltag. Doch welche elektronischen Hilfen sind sinnvoll für unser Wohlbefinden?

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Apps, die Nutzer daran erinnern, dass sie dringend noch einmal etwas Wasser trinken sollten, Diät-Programme, die Rezepte aufs Handy liefern und Punkte zählen, eine „Alexa“, die auf Zuruf den Einkaufszettel diktiert: Die Digitalisierung hat längst Einzug gehalten in unseren Ernährungsalltag. Doch welche elektronischen Hilfen braucht man wirklich? Und wann sollte man sich lieber auf das Bauchgefühl verlassen? Mamma Mia! hat bei diesem Thema etwas genauer hingeschaut.

Spätestens mit dem Siegeszug der Smartphones hat die Digitalisierung unseren Alltag erreicht. Wir verwalten unsere Termine online, lesen unsere E-Mails unterwegs oder erledigen Bankgeschäfte vom Sofa aus. Dabei wird deutlich: Die zunehmende Digitalisierung kann unser Leben deutlich vereinfachen. Sie verändert aber auch gründlich unseren Tagesablauf – wenn wir es zulassen.

Für ausgefalle Koch-Ideen braucht es heute kein gedrucktes Kochbuch mehr – moderne Küchenmaschinen schicken Rezepte und die passenden Einkaufszettel gleich per App aufs Handy. Die Zutaten werden dann nach Anweisung in die Küchenmaschine gefüllt – und diese kocht mit digitaler Hilfe daraus ein Mahl. Praktischer geht es kaum. Und wer abnehmen möchte, wählt einfach eine Diät-App mit Fitnesstipps, Rezeptempfehlungen und automatischem Kalorienzähler, die im Supermarkt die Nährwert- und Zutatenliste von Gerichten scannt und sofort auswertet. Sogar beim Durchhalten von guten Vorsätzen kann das Smartphone inzwischen behilflich sein: Es gibt Apps, bei denen sich „Communities“ online gegenseitig unterstützen.

Ernährungsberatung für unterwegs

Auch Ernährungsberater haben digitale Apps inzwischen für sich entdeckt, um mit ihrer Zielgruppe in Kontakt zu treten. Denn im Zeitalter der Mobilität bleibt für feste Termine oft kaum Zeit. Smartphone-basierte Apps wie „Mein Ess-Coach“, ein Angebot der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), sollen da Abhilfe schaffen und bieten Ernährungsfachkräften die Möglichkeit, ihren Klienten eine flexible Beratung unabhängig von Ort und Zeit anzubieten. Die App ergänzt dann die persönliche Beratung. „Auf diesem Feld wird sich auch in Zukunft noch einiges ändern. Die Bildanalyse etwa wird sich weiterentwickeln. Dann hält man das Smartphone einfach auf den Teller und die Software sagt einem, wieviel Fett im Essen ist. Die eigentliche Weiterentwicklung bei der Digitalisierung im Hinblick auf die Ernährungsweise wird jedoch bei Beratungssoftware stattfinden. Die Schnittstelle zwischen einer professionellen Ernährungsberatung, also einem realen Menschen, und dem Verbraucher wird künftig häufig über eine App laufen. Der Patient fotografiert, was er isst und tut, eine Software macht eine Voranalyse und diese dient als Grundlage für ein persönliches Beratungsgespräch“, prophezeit der Ernährungswissenschaftler Professor Dr. Peter Grimm vom Institut für Ernährungsmedizin an der Universität Hohenheim.

Schon jetzt hat er festgestellt: „Ernährungsberatungs-Apps werden immer populärer. Es gibt dazu zwar noch keine Statistiken. Aber ich habe die Erfahrung gemacht: Viele Menschen kennen Ernährungs-Apps, wenige haben sie mal angeschaut, so gut wie niemand hat sie jedoch über längere Zeit genutzt“, erklärt Professor Dr. Peter Grimm, der auch Geschäftsführer der Sektion Baden-Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. ist, die im vergangenen Herbst eine ganze Vortragsreihe zum Thema „Essen und Trinken in der digitalen Welt“ veranstaltete.

Versteckte Werbung aufspüren

Mit poppigen Layouts und witzigen Sprüchen finden sich inzwischen hunderte „Ernährungs-Apps“ auch auf dem deutschen Markt zur Auswahl. „Diese Apps können schnell Informationen zur Verfügung stellen. Dazu fällt mir etwa das Stichwort ‚wer hat schon Lust das Zutatenverzeichnis zu studieren?‘ ein. Und gerade Menschen mit besonderen Ernährungsformen wie Veganer oder Menschen mit Allergien könnten sicherlich von zusätzlichen Informationen profitieren“, so Professor Grimm, der aber auch die Fallstricke kennt: „Viele Apps sind von Herstellern gemacht und entsprechend gesteuert. Aber auch augenscheinlich unabhängige Apps können nach dem Google-Muster aufgebaut sein: Vorgeschlagen wird das Lebensmittel, für das der Hersteller am meisten bezahlt hat“, betont Professor Grimm. „Das muss nicht heißen, dass alle diese Apps schlecht sind. Aber man muss die Feinheiten kennen und einschätzen können. Und bei allen Apps sollten die Nutzer bitte immer bedenken: Die funktionieren in der Regel nur online, so dass das eigene Ernährungsverhalten in den großen Rachen der Datensammler kommt.“

Auch die Verbraucherzentralen in Deutschland warnen vor versteckten Kosten und verschleierter Produktwerbung: „Anerkannte Institutionen bieten am ehesten zuverlässige und wissenschaftlich abgesicherte Informationen. So manche kostenlose App wird von Unternehmen angeboten und enthält Werbung oder entsprechende Inhalte“, heißt es von Seiten der Verbraucherschützer. Im Hinblick auf den Datenschutz sei es zudem es wichtig, kritisch zu prüfen, welchem Datenzugriff man bei welchem Anbieter zustimmt. „Hierbei hilft der Blick auf das Impressum, das ebenso wie die Datenschutzerklärung vorhanden sein muss.“

Lebensmittel wertschätzen lernen

Australische Forscher des Charles Perkins Centre an der University of Sydney und Forscher der University of Reading in England fanden bei ihren Untersuchungen der beliebtesten Ernährungs-Apps in gängigen App-Stores zudem unabhängig voneinander heraus, dass die meisten der Apps viel zu wenige Daten erheben, um zuverlässige Daten und Analysen liefern zu können. Damit, so die Forscherteams, seien fast alle dieser zumeist kostenfreien Apps für eine persönliche Ernährungsberatung nicht geeignet.

Aber es gibt auch positive Beispiele. Ernährungs-Apps, die von seriösen Quellen erstellt wurden und auf Schwangere, Senioren oder Jugendliche zugeschnitten sind, können Studien zufolge sogar jene Zielgruppen erreichen, die sonst kaum mit Ernäh

Die baden-württembergische Landesinitiative „Blickpunkt Ernährung/Machs Ma(h)l“ hat mit dem „MILE-Projekt“ beispielsweise ein spezielles Geogame entwickelt, um junge Menschen zu mehr Bewegung, dem Interesse an der Zubereitung von Lebensmitteln sowie zu ausgewogenem und genussvollem Essen zu motivieren. MILE steht für „Move. Interact. Learn. Eat“ und regt die Teilnehmer zur Erforschung der Ernährungs-Umwelt an. Spielerisch lernen die Jugendlichen dabei, wo in ihrer Region Nahrungsmittel produziert, verarbeitet, transportiert, gegessen oder weggeworfen werden. Ganz nebenbei gibt es wertvolle Ernährungstipps, die ohne erhobenen Zeigefinger weiterverbreitet werden. Die Landesinitiative möchte mit dem Geogame das Bewusstsein schärfen für gesunde Ernährung und einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln.

Ist das noch gut?

Bei allen digitalen Hilfsmitteln sollte man jedoch auch als erwachsener Konsument das Wesentliche nicht aus dem Blick verlieren. Viele Kunden vertrauen beispielsweise inzwischen blind auf das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum bei Lebensmitteln und haben das Gespür dafür verloren, welche Lebensmittel noch genießbar sind. Hier sollen sogenannte „Intelligente Verpackungen“ in Zukunft genauere Angaben als ein vorgestanztes Datum liefern. Das Fraunhofer Institut in München etwa forscht gerade mit Sensoren, die auf einer Verpackung anzeigen können, ob die Lebensmittel darin noch frisch genug sind. Ein markanter Punkt auf der Packung ändert entsprechend seine Farbe. Die Verpackung arbeitet mit Gas-Sensoren, die die Gase, die beim Zerfall von Lebensmitteln entstehen, messen und dokumentieren. Sie könnten prinzipiell in jede Verpackung integriert werden. Ziel ist es, dass künftig deutlich weniger Lebensmittel weggeworfen werden. Bei allen Feinheiten der Digitalisierung auf dem Ernährungssektor sollte jedoch eines nicht verloren gehen: Unser Bauchgefühl.

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