Die Entdeckung der HER2-Rezeptoren kann als wichtiger Meilenstein in der Brustkrebsbehandlung bezeichnet werden, da sie eine direkte Angriffsflache für zielgerichtete Therapien bieten. 1987 veröffentlichte die amerikanische Arbeitsgruppe von Denis Slamon eine Untersuchung, die einen Rezeptor beschrieb, der bei circa 20 Prozent der Brusttumoren im Übermaß vorhanden war: HER2. Man bezeichnet Tumoren, die HER2 im Übermaß besitzen, weiter als HER2-positiv.
Frauen mit einem Tumor, der vermehrt HER2 hatte, waren häufiger an ihrer Krebserkrankung verstorben – ein Hinweis auf eine Rolle dieses Rezeptors für ein besonders aggressives Krebswachstum. In der Folge gelang es, einen Antikörper zu entwickeln, der an den Rezeptor bindet und dessen Funktion für ein aggressives Krebswachstum blockiert. Trastuzumab war die erste Anti-HER2-Therapie, die nachweisbar das Leben von Frauen mit Metastasen verlängert hat.
In der Folge konnte außerdem gezeigt werden, dass beim Einsatz dieses Medikaments bei einer frühen Brustkrebserkrankung sogar die Heilungsrate durch die Gabe zusätzlich zur Chemotherapie deutlich verbessert werden kann, man also mit der Therapie Leben retten kann.
Wissenschaftler gaben sich mit diesem Erfolg jedoch nicht zufrieden und stellten die Frage, wie viele HER2-Rezeptoren vorhanden sein müssen, um einen Therapieeffekt zu erzielen. Das sind tatsachlich weniger als gedacht, wie eine neue Studie zeigt. Prof. Dr. Volkmar Müller, stellvertretender Klinikdirektor und Leiter konservative gynäkologische Onkologie der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, erläutert im Gespräch mit Mamma Mia! Wissenswertes zu sogenannten HER2-low Tumoren.
Mamma Mia!: Die meisten Brustkrebspatientinnen wissen, ob ihr Tumor HER2-positiv oder -negativ ist. Nun reden alle von HER2-low. Was hat es damit auf sich?
Prof. Dr. Volkmar Müller: HER2-low ist eine neue Klassifizierung, die bisher in der klinischen Routine nicht relevant war. Etwa 55 Prozent der metastasierten Mammakarzinome, die typischerweise als HER2-negativ eingestuft werden, weisen eine niedrige HER2-Expression auf, das heißt, es sind einige HER2-Moleküle auf der Zelle nachweisbar. Diese Tumoren werden nun als „HER2-low“ bezeichnet.
Mamma Mia!: Ist die Information, ob der Tumor HER2-low ist, in jeder Krankheitsphase relevant, also auch in der frühen Erkrankungssituation?
Prof. Dr. Volkmar Müller: Aktuell gibt es nur Ergebnisse zum Einsatz neuer Substanzen in der metastasierten Situation. Es ist unklar, ob sich Tumoren, bei denen etwas HER2 nachweisbar ist, biologisch von solchen ohne Nachweis von HER2 unterscheiden, zum Beispiel im Hinblick auf die Aggressivität. Somit ist diese Information in der frühen Krankheitssituation aktuell ohne Relevanz.
Mamma Mia!: In der metastasierten Krankheitssituation ist der genaue HER2-Status ja in jedem Fall wichtig, da es ein Medikament gibt, das bei dieser Tumorart helfen kann. Können Patientinnen und Patienten in einem der letzten Berichte der Pathologie nachschauen, ob der Tumor HER2-low ist? Und wie gehen Sie vor, wenn die Information nicht vorliegt?
Prof. Dr. Volkmar Müller: In den meisten Fällen wird HER2 so bestimmt, dass man das Eiweiß (Protein) nachweisen kann. Manchmal ist die Information hierzu nicht in den Briefen enthalten, sodass wir den Pathologie-Bericht anfordern müssen. Meist wird beim Auftreten von Metastasen auch eine neue Gewebeprobe entnommen, und heute würden wir die Pathologen explizit nach der genauen Bestimmung von HER2 fragen.
Mamma Mia!: Es gibt ein neues Medikament, das bei HER2-low Tumoren eingesetzt werden kann. Können Sie uns mehr darüber sagen?
Prof. Dr. Volkmar Müller: Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) ist die erste Therapie, die beim metastasierten, HER2-low Brustkrebs eine deutliche und klinisch relevante Verbesserung gezeigt hat, sowohl was die progressionsfreie Zeit als auch das Gesamtüberleben betrifft. Es handelt sich um ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC), das bereits zur Behandlung von HER2-positivem, metastasiertem Brustkrebs zugelassen ist. ADCs bestehen aus drei Teilen, nämlich dem Antikörper, dem Verbindungsmolekül („Linker“) und dem Medikament. Die Chemotherapie ist über den Linker an den Antikörper gekoppelt. Der Antikörper findet die Tumorzellen anhand ihrer spezifischen Oberflächeneigenschaften, beispielsweise HER2-Rezeptoren. Über diese Rezeptoren wird das ADC gebunden und daraufhin in die Tumorzellen aufgenommen, wo die Chemotherapie freigesetzt wird und die Tumorzelle schädigt. Darüber hinaus kann die Chemotherapie-Substanz wohl auch wieder aus der Zelle herausgelangen und umgebende Krebszellen schädigen.
Mamma Mia!: Können Sie uns etwas über die Studie sagen, die gezeigt hat, dass Patientinnen mit dem HER2-low von Trastuzumab-Deruxtecan profitieren?
Prof. Dr. Volkmar Müller: In der DESTINY-Breast04-Studie erhielten die Patientinnen und Patienten mit HER2-low Tumoren entweder T-DXd oder eine Chemotherapie nach Wahl des Arztes. Aufgenommen in die Studie wurden Patientinnen, die schon mindestens eine Chemotherapie erhalten hatten und bei denen die Möglichkeiten der antihormonellen Therapie ausgeschöpft waren. Betrachtet wurde neben der Zeit ohne Fortschreiten der Erkrankung auch des Gesamtüberleben. Im Ergebnis zeigte sich eine deutliche Überlegenheit der T-DXd-Therapie gegenüber der Chemotherapie. Das mediane Gesamtüberleben verlängerte sich von 8,3 auf 18,2 Monate. Dabei konnte ein vergleichbarer Nutzen in allen Subgruppen gezeigt werden, unabhängig vom Hormonrezeptorstatus und auch nach vorheriger Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor.
Mamma Mia!: An welcher Tumorprobe sollte in der metastasierten Situation der HER2-Status bestimmt werden? Kann das der Ursprungstumor sein oder wäre eine Metastasenbiopsie sinnvoller?
Prof. Dr. Volkmar Müller: In der Studie DESTINY-Breast04 war beides erlaubt. Die in den USA und auch in Europa schon bestehenden Zulassungen von T-DXd in dieser Situation machen hier keine Vorschriften.
Mamma Mia!: Können Sie uns etwas zu den Nebenwirkungen dieses Medikaments sagen?
Prof. Dr. Volkmar Müller: Grundsätzlich beobachtet wurden Nebenwirkungen wie bei anderen Chemotherapie-Medikamenten, beispielsweise Blutbildveränderungen (Hämatotoxizitat). Dazu kommen Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit und Erbrechen. Wichtig ist, dass Medikamente gegeben werden, die Übelkeit und Erbrechen vorbeugen, dann ist dies auch kein relevantes Problem für die allermeisten Patientinnen. Es muss auch mit Haarausfall gerechnet werden. Eine Besonderheit bei diesem Medikament ist die mögliche Entstehung einer Interstitiellen Lungenerkrankung (ILD). Diese Nebenwirkung kann sehr ernst sein, weshalb es wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten gut aufgeklärt werden und von einem Ärzteteam behandelt werden, das Erfahrung mit diesen Substanzen hat. Die Häufigkeit schwerer Verläufe hat gegenüber ersten Studien abgenommen, weil das Problem heute bekannt ist und früher entdeckt wird.
Mamma Mia!: Wirkt das Medikament auch bei Hirnmetastasen? Wie würde Ihr bevorzugter Therapiealgorithmus in dieser speziellen Situation aussehen?
Prof. Dr. Volkmar Müller: Es gibt erste Daten zum Einsatz von T-DXd bei HER2-positiven Tumoren und Hirnmetastasen. Hier ist die Substanz wirksam. Wir würden die Therapie bei Patientinnen mit Hirnmetastasen und HER2-low aktuell nicht anders gestalten als ohne Hirnmetastasen. Diese werden ja in der Regel operiert und/oder bestrahlt.
Mamma Mia!: In welcher Therapielinie wird das Medikament nun eingesetzt? In letzter Zeit kamen ja einige neue Therapien auf den Markt.
Prof. Dr. Volkmar Müller: Wir würden die Behandlungssituation wie auch in der Studie aktuell als Anwendungsgebiet sehen: nach einer Chemotherapie in der metastasierten Situation, wenn keine antihormonelle Therapie sinnvoll ist und HER2 niedrig vorhanden ist. Dafür besteht seit Februar 2023 auch die europäische Zulassung.
Mamma Mia!: HER2-low wird ja häufig bei hormonabhängigen Tumoren gefunden. Nun wurden gerade für diese Patientengruppe gute Daten zur Wirksamkeit eines anderen ADCs, nämlich Sacituzumab-Govitecan, veröffentlicht. Wäre es nach einer Zulassung beider Substanzen denkbar, ein ADC nach dem anderen zu verabreichen?
Prof. Dr. Volkmar Müller: Es gibt meines Erachtens keine Gründe anzunehmen, dass dies nicht funktioniert. Aktuell ist die Entwicklung neuer Substanzen erfreulicherweise so schnell, dass man gar nicht mehr alles in Studien untersuchen kann.
ich habe u.a. “Her2neu:low“ in meiner Diagnose stehen. Ich werde morgen erfahren mit welchem Medikament ich weiter behandelt werden soll. Mammakarzinom wurde operativ entfernt.
Diagnosen Mamma CA rechts oben innen (extern gesichert )
cT1c cNO ( NST,G1, ER-IRS:12,PR-IRS:0, Her2neu:low, Ki67:10%, beg. Perineralscheideninfiltration rechts
ich habe würde gerne alles verstehen ,aber kaum ein Arzt wird mir alles erkläre… ich warte morgen das Abschlussgespräch ab , indem auch die Weiterbehandlung besprochen werden soll
Mag R. jirapokakul