Mamma Mia! Das Brustkrebsmagazin sprach mit Prof. Dr. Nadia Harbeck, Leiterin des LMU Brustzentrums in München, über neue Therapieoptionen beim hormonabhängigen, metastasierten Brustkrebs.
Mamma Mia!: Frau Prof. Harbeck, wie wird der hormonabhängige Tumor behandelt, wenn eine Metastasierung festgestellt wird?
Prof. Dr. Nadia Harbeck: Wenn eine Metastasierung festgestellt wird, empfehlen wir zunächst eine Biopsie der Metastase, um festzustellen, auf welche Therapie der Tumor ansprechen könnte. Es ist wichtig zu wissen, dass eine Metastase nicht immer dieselbe Biologie aufweist wie der Ursprungstumor. Handelt es sich um eine Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Metastase, werden in der ersten Therapielinie in der Regel ein Aromatasehemmer oder Fulvestrant als antihormonelle Therapie kombiniert mit einem CDK4/6-Hemmer als zielgerichtete Therapie eingesetzt. Es existieren drei zugelassene CDK4/6-Hemmer (Abemaciclib, Ribociclib und Palbociclib), die sich durch Einnahmeschemata und Nebenwirkungsspektrum etwas unterscheiden. Nur wenn eine akut lebensbedrohliche Erkrankungssituation vorliegt, würden wir eine Chemotherapie empfehlen.
Mamma Mia!: Könnten Sie uns bitte kurz skizzieren, wie CDK4/6-Hemmer wirken?
Prof. Dr. Nadia Harbeck: Die sogenannten cyclin-abhängigen Kinasen (kurz CDK genannt) spielen eine wichtige regulatorische Rolle im Zellzyklus und sind in Brustkrebszellen vermehrt aktiv. Dabei gibt es zahlreiche unterschiedliche Kinasen, die in bestimmten Phasen des Zellzyklus von Bedeutung sind. Durch ihre Hemmung (Inhibition) wird ein wichtiger Signalweg innerhalb der Zelle gestört, wodurch das Zellwachstum gebremst wird. Wir gehen davon aus, dass eine vermehrte Aktivität von CDK4/6 ein Schlüsselfaktor für eine Resistenzbildung gegen eine antihormonelle Therapie ist. Werden sie gehemmt, wirkt die endokrine Therapie besser und länger.
In allen Studien, die diese Behandlungskombinationen untersucht haben, konnte eine Verlängerung der Zeit ohne ein Voranschreiten der Erkrankung (ein sogenanntes progressionsfreies Überleben) um circa zehn Monate gezeigt werden. In den bislang veröffentlichten Studien konnte für Ribociclib und Abemaciclib ebenfalls eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens gezeigt werden. Die Zeit bis zur Durchführung einer Chemotherapie verlängerte sich ebenfalls um rund ein Jahr und 50 Prozent der Betroffenen bekamen erst nach vier Jahren eine Chemotherapie; 50 Prozent lebten länger als fünf Jahre. Bei Frauen vor den Wechseljahren können die Kombinationen ebenfalls eingesetzt werden, wenn die Eierstockfunktion durch die Gabe eines GnRH-Analogons ausgeschaltet wird
Mamma Mia!: Welche Nebenwirkungen treten unter der Einnahme der CDK4/6-Inhibitoren auf?
Prof. Dr. Nadia Harbeck: Das Nebenwirkungsprofil der drei zugelassenen Medikamente unterscheidet sich leicht. Alles in allem sind sie gut verträglich. Die häufigste Nebenwirkung, die in Studien aufgetreten ist, sind Blutbildveränderungen, von denen die Patientin meist nicht viel merkt. Umso mehr müssen die Ärzte darauf achten, insbesondere die weißen Blutkörperchen können sich verringern. Zu Beginn der Therapie sollten die Blutwerte zunächst alle zwei Wochen überprüft werden, auch wenn das vielleicht belastend für die Patientin ist, und gegebenenfalls die Dosis reduziert werden. Nach den ersten zwei Zyklen reicht dann in der Regel eine Blutbildkontrolle vor dem neuen Einnahmezyklus. Weitere Nebenwirkungen, die auftreten können, sind Durchfall, Müdigkeit, Infektionen der oberen Atemwege, Übelkeit, Entzündungen der Mundschleimhaut, Haarausfall beziehungsweise ein dünnerer Haarwuchs, Appetitlosigkeit oder Erbrechen. Diese Nebenwirkungen treten aber nur sehr selten in einer schweren Form auf. Insgesamt wissen wir, dass die Lebensqualität länger stabil bleibt als unter einer alleinigen Anti-Hormontherapie.
Mamma Mia!: Welche Therapieoptionen gibt es, wenn die CDK4/6-Inhibitoren nicht mehr wirken?
Prof. Dr. Nadia Harbeck: Beim Voranschreiten der Erkrankung können weiterhin eine andere Anti-Hormontherapie mit zielgerichteten Therapien in Form von Tabletten durchgeführt werden, beispielsweise mit dem PI3K-Hemmer Alpelisib (bei PIK3CA-Mutation) oder einem mTOR-Inhibitor (Everolimus). Je nach Erkrankungssituation stehen bei einem Voranschreiten der metastasierten Brustkrebserkrankung nach Ausschöpfen der antihormonellen Kombinationstherapien unterschiedliche Chemotherapien wie Anthrazykline, Taxane, Capecitabin, Eribulin oder Vinorelbin zur Verfügung. Hier entscheiden wir individuell, welche Therapie unter Berücksichtigung des Krankheitsstatus und der zu erwartenden Nebenwirkungen sinnvoll wäre.
Neue Therapie beim Hormonrezeptor-positiven, metastasierten Brustkrebs
Eine neue therapeutische Option bei Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinomen sind sogenannte Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC). Bei diesen ADCs werden Antikörper an sehr toxische Chemotherapien gekoppelt: Über das Binden des Antikörpers an ein Schlüsselprotein auf der Zelloberfläche wird die Chemotherapie in die Zelle aufgenommen und entfaltet nur dort ihre hohe Wirkstoffdosis. Zwei ADCs haben beim hormonabhängigen Brustkrebs Wirkung gezeigt, und zwar Sacituzumab-Govitecan (SG) und Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd).
Sacituzumab-Govitecan ist ein Anti-Trop2-Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das zunächst zur Behandlung von metastasiertem, triple-negativem Brustkrebs zugelassen wurde. In der TROPiCS-02-Studie erhielten Patientinnen mit einem hormonabhängigen Tumor, die zuvor bereits mindestens zwei Therapien, darunter eine Chemotherapie, erhalten hatten, entweder SG oder eine Therapie nach Wahl des Arztes. Im Ergebnis zeigte SG einen signifikanten Vorteil für das progressionsfreie aber auch für das Gesamt-Überleben: Nach einem Jahr waren im SG-Arm dreimal so viele Patientinnen progressionsfrei wie im Chemo-Arm.
Trastuzumab-Deruxtecan wirkt insbesondere dann, wenn HER2-Rezeptoren auf der Zelloberfläche sind. Für die Wirkung des Medikaments reichen schon wenige HER2-Rezeptoren aus, wir nennen das HER2-low. In dieser Konstellation konnte das Gesamtüberleben bei Voranschreiten der Erkrankung nach CDK4/6-Hemmer-Therapie und nach einer Chemotherapie um mehr als sechs Monate verlängert werden.
Weiterhin können PARP-Inhibitoren eine Therapieoption sein. Diese sind zugelassen bei Vorhandensein einer Keimbahn-BRCA1/2-Mutation, die auch bei Frauen und Männern mit einem hormonabhängigen Tumor vorhanden sein kann, wenn auch seltener als bei anderen Subtypen. Es handelt sich um die Auslöser des familiären beziehungsweise vererbbaren Brustkrebses. Zwei PARP-Hemmer sind in dieser Behandlungssituation zugelassen: Olaparib und Talazoparib.
Mamma Mia!: Ein Blick in die Zukunft: Sind weitere Therapieoptionen in der Entwicklung?
Prof. Dr. Nadia Harbeck: Gerade beim metastasierten Brustkrebs haben wir in den letzten beiden Jahren viel Fortschritt erlebt – neue Medikamente, die das Überleben verbessern können. Daher sollten Teilnahmemöglichkeiten an Studien immer geprüft werden, bevor mit einer Standardtherapie behandelt wird – auch wenn dies bedeutet, für die Behandlung an ein anderes Zentrum zu gehen. Für die nahe Zukunft erwarten wir weitere Zulassungen beziehungsweise Zulassungserweiterungen im Bereich Anti-Hormontherapie und zielgerichtete Substanzen sowie bei den Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten.