Neue Therapien beim HER2-positiven, metastasierten Brustkrebs

HER2-positiver metastasierter Brustkrebs
© iStock / Md Zakir Mahmud
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Noch vor wenigen Jahren galten HER2-positive Tumoren als Schreckensgespenst unter den Brustkrebsarten. Aggressive Tumoren, wenig Behandlungsoptionen, schlechte Prognose. Das hat sich mit der Einwicklung von Trastuzumab vor rund 20 Jahren drastisch verändert. Diese zielgerichtete Therapie, die besonders bei Tumoren mit HER2-Rezeptoren wirkt, verbessert sowohl die Prognose als auch die Lebenszeit der betroffenen Frauen.

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Weitere zielgerichtete Therapien wurden entwickelt und noch ist die Forschung nicht am Ende. Informationen über die verschiedenen Therapieoptionen fasst Prof. Dr. Andreas Schneeweiss, Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg, im Gespräch mit Mamma Mia! zusammen.  

Mamma Mia!: Herr Prof. Schneeweiss, wie wird der HER2-positive Tumor behandelt, wenn eine Metastasierung festgestellt wird? 

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss: In der Regel ist die erste Therapieoption beim metastasierten Brustkrebs die „duale Blockade“ mit Trastuzumab und Pertuzumab in Kombination mit einer Taxanhaltigen Chemotherapie, wenn entweder keine Anti-HER2-Therapie in der kurativen Primärsituation gegeben wurde oder die Zeit nach Ende dieser Therapie, das sogenannte Therapie-freie Intervall, mindesten sechs bis 12 Monate beträgt. Unter der „dualen Blockade“ zeigen viele Patientinnen über einen langen Zeitraum einen stabilen Verlauf. 

Mamma Mia!: Mit welchen Nebenwirkungen müssen Betroffene bei der „doppelten Blockade“ rechnen? 

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss: In der Verträglichkeit der Therapie zeigt sich bei den Patienten, die zusätzlich zu Trastuzumab auch Pertuzumab erhalten, nur eine leicht erhöhte Rate an Durchfällen und Fieber, allerdings nur bei gleichzeitiger Gabe der Chemotherapie. Sobald die Chemotherapie nach im Schnitt fünf Monaten beendet wird, nehmen auch die Nebenwirkungen ab. Trastuzumab kann insbesondere bei Patientinnen, die mit Anthracyclinen behandelt wurden, die Herzfunktion beeinträchtigen. Das müssen wir im Blick behalten. Wichtig zu erwähnen ist jedoch, dass die Häufigkeit von Herzproblemen durch Pertuzumab nicht erhöht wird. Zudem können beide Antikörper als fixe Kombination alle drei Wochen subkutan verabreicht werden, was die Patientenzufriedenheit weiter erhöht. 

Mamma Mia!: Wir wissen, dass Krebstherapien im fortgeschrittenen Stadium nur eine gewisse Zeit wirken, bevor die Krebszellen Resistenzen entwickeln. Welche Möglichkeiten bestehen zur Behandlung der HER-positiven Tumoren, wenn die doppelte Blockade nicht mehr wirkt?

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss: In der zweiten Therapielinie wird meist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat empfohlen. Für den HER2-positiven, metastasierten Brustkrebs sind zurzeit zwei Wirkstoffe zugelassen TrastuzumabEmtansine (T-DM1) und Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd). 2021 wurden die Ergebnisse der DESTINYBreast03Studie mit dem direkten Vergleich von T-DM1 zu T-DXd präsentiert. Hierbei zeigte sich das progressionsfreie Überleben bei den mit TDXd behandelten Patientinnen um mehr als 70 Prozent verbessert. Zudem wurde das Risiko zu Versterben nahezu halbiert. Somit wurde T-DM1 durch Trastuzumab-Deruxtecan als Standard nach Versagen der dualen Blockade ersetzt und rutscht in der Therapieabfolge weiter nach hinten. 

Mamma Mia!: Welche Nebenwirkungen können bei diesem Medikament auftreten? 

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss: Die häufigste Nebenwirkung, die in der Zulassungsstudie bei knapp 13 Prozent der Patientinnen auftrat, war die so genannte Thrombozytopenie, das heißt eine reduzierte Zahl an Blutplättchen. Andere Nebenwirkungen, die in stärkerer Ausprägung bei zwei bis drei Prozent der Studienteilnehmerinnen auftraten, waren erhöhte Leberwerte, Blutarmut und Erschöpfungszustände. In seltenen Fällen kann eine bestimmte Lungenerkrankung auftreten, die sogenannte Interstitielle Lungenerkrankung. Es ist wichtig, dass Patientinnen und Patienten sehr gut über mögliche Symptome dieser Nebenwirkung (Husten, Atemnot, Fieber) aufgeklärt werden und diese bei Auftreten frühzeitig ihrem behandelnden Arzt mitteilen, damit durch Dosisreduktion oder Therapieunterbrechung ein schwerer Verlauf verhindert werden kann. 

Mamma Mia!: Was empfehlen Sie, wenn auch diese Therapie nicht mehr wirkt?

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss: Als nächste Therapielinie stehen mehrere Optionen zur Verfügung, wobei die Kombinationstherapie mit dem sogenannten Tyrosinkinaseinhibitor Tucatinib den höchsten Empfehlungsgrad hat. Er wird in Kombination mit dem Antikörper Trastuzumab und der Chemotherapie in Tablettenform Capecitabin verschrieben. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe weiterer Kombinationstherapien. Dabei setzen wir in der Regel ein gegen HER2gerichtetes Medikament in Kombination mit einer Chemotherapie ein. Also beispielsweise Trastuzumab mit verschiedenen Chemopartnern oder Lapatinib mit wechselnden Chemotherapien. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, auch zwei Anti-HER2-Therapien ohne Chemotherapie zu kombinieren, wie zum Beispiel Trastuzumab und Lapatinib. Die Anti-HER2-Behandlung wird also immer fortgesetzt, die Kombinationsmedikamente wechseln. Wir nennen das „treatment beyond progression. Immer wenn es zu einem Fortschreiten der Krankheit gekommen ist, setzen wir eine neue Kombination einsetzen.

Mamma Mia!: Welche medikamentöse Therapie würden Sie bei dieser Tumorart bei Hirnmetastasen empfehlen? 

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss: Sollte es sich um sogenannte aktive Hirnmetastasen handeln, also Hirnmetastasen, die neu aufgetreten und nicht behandelt sind, oder Hirnmetastasen, die vorbehandelt sind, aber wieder voranschreiten UND die Patientin keine Symptome der Hirnmetastasen hat, kann zunächst versucht werden, durch eine medikamentöse Therapie mit der Dreierkombination aus Tucatinib, Trastuzumab und Capecitabin die Hirnmetastasierung zu kontrollieren. Auch für Trastuzumab-Deruxtecan gibt es erste Daten, dass es auf asymptomatische, aktive Hirnmetastasen wirkt. Bei Symptomen sollte aber auf jeden Fall zunächst lokal die Hirnmetastasierung behandelt werden, falls möglich durch eine lokale Strahlentherapie 

Mamma Mia!: Wie werden Frauen behandelt, deren Tumoren HER2-positiv und hormonabhängig sind? 

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss: Die HER2-gerichtete Therapie hat zunächst Priorität. Die antihormonelle Therapie wird anschließend als Erhaltungstherapie empfohlen. In Studien wird außerdem die Kombination aus der zielgerichteten Therapie gegen HER2 sowie den neuen CDK4/6-Inhibitoren getestet. Die CDK4/6-Inhibitoren werden beim Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen metastasierten Brustkrebs in Kombination mit einer antihormonellen Therapie eingesetzt. Diese Kombination aus einer anti-HER2-Therapie und einer kombinierten Anti-Hormontherapie könnte eine Therapieoption sein, wir müssen jedoch die Studiendaten abwarten. Falls eine Chemotherapie nicht möglich oder erwünscht ist, sind klassische Kombinationen von endokriner Therapie, zum Beispiel ein Aromatasehemmer, mit Trastuzumab oder auch Lapatinib weiterhin eine individuelle Option. Die PERTAIN-Studie erbrachte zudem eine entsprechende Datenlage für die Kombination von einem Aromatasehemmer mit den beiden Antikörpern Pertuzumab und Trastuzumab. Erste Daten der CHEVENDO-Studie zeigen auch, dass bei solchen HER2-positiven und hormonabhängigen Erkrankungen endokrine Therapien in Kombination mit dualer Blockade wirksam sind. 

Mamma Mia!: Was bringt die Zukunft? Gibt es weitere Therapieoptionen in der Entwicklung? 

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss: Die Antikörper-Drug Konjugate werden eine immer größere Rolle spielen und als zielgerichtet wirksame Chemotherapien die freien Chemotherapien verdrängen. Immer mehr Therapieoptionen erfordern zudem eine immer genauere molekulare Analyse des Tumors und des Patienten möglichst auch zu mehreren Zeitpunkten, um präziser die einzelne Therapie auf die individuelle Patientin und die aktuelle Erkrankungssituation zuzuschneiden. Nur so können Über-, Unter- und Fehlbehandlungen reduziert und die Möglichkeiten optimal ausgeschöpft werden. Innovative Programme wie zum Beispiel das vom NCT in Heidelberger ins Leben gerufene CATCH-Programm bieten hier heute schon die Möglichkeit, diese innovativen Möglichkeiten den Patienten zukommen zu lassen. 

Für alle, die bei Krebs mitreden wollen

Mamma Mia! möchte Betroffenen und Angehörigen ein Stück weit die Angst nehmen und Mut machen, sich der Erkrankung zu stellen. Mit unseren Magazinen wollen wir dabei helfen, einen Weg mit der Erkrankung zu finden: Mit wissenschaftlich fundierten Informationen, die eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Erkrankung, den verschiedenen Therapiemöglichkeiten und dem Leben mit Krebs ermöglichen.

Prof. Dr. Andreas Schneeweiss 

Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie,
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen 

Universitäts-Klinikum und Deutsches Krebsforschungszentrum 

Im Neuenheimer Feld 460 

69120 Heidelberg

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