Das hat eine Studie unter Leitung von Frau Professor Dr. Yvonne Nestoriuc vom Institut und der Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) ergeben. Bei Frauen, die mehr oder stärkere Nebenwirkungen bei einer antihormonellen Brustkrebstherapie erwarteten, traten nach der Behandlungsdauer von zwei Jahren tatsächlich mehr Nebenwirkungen auf. Es wurden bei ihnen fast doppelt so viele verzeichnet als bei Frauen mit neutralen, wenig negativen Erwartungen oder mit einer Erwartung, dass die Nebenwirkungen nicht so stark sein würden. Um Rezidive nach einer Behandlung zu vermeiden, wird eine Antihormontherapie (Tamoxifen oder Aromatasehemmer) bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs eingesetzt.
Mamma Mia!: Wie kommt es, dass bei Frauen mit negativen Erwartungen bei einer antihormonellen Therapie stärkere Nebenwirkungen auftreten als bei Frauen mit einer positiven Erwartung?
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc: Die eigene Erwartungshaltung scheint ein relevanter Faktor für das Auftreten von Symptomen wie körperlichen und seelischen Beschwerden zu sein. Dies wissen wir aus der Forschung zum Placebo- und Nocebo-Effekt. Viele eindrückliche Studien haben gezeigt, dass eigene Lernerfahrungen und Erwartungen die beiden Hauptmechanismen sind, über die Placebo- und Nocebo-Effekte vermittelt werden. Die persönliche Erwartung, dass eine Beschwerde auftreten wird, kann dazu führen, dass tatsächlich auftretende, milde Symptome in ihrer Intensität belastender und beeinträchtigender werden. Sie kann ebenso dazu führen, dass neue Symptome entstehen.
Mamma Mia!: Unter welchen Nebenwirkungen leiden die Brustkrebspatientinnen während der Antihormontherapie überwiegend?
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc: Die häufigsten Nebenwirkungen, unter denen die Patientinnen leiden, sind Gelenkschmerzen/Arthralgien, Schweißausbrüche, nächtliches Schwitzen/Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, verringertes sexuelles Interesse.
Mamma Mia!: Veranlasst diese Verschlechterung ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität die Frauen unter Umständen dazu, die antihormonelle Therapie abzubrechen?
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc: Die Non-Adhärenzraten (mangelnde Therapietreue) bei der fünf- bis zehnjährigen antihormonellen Therapie liegen mit bis zu 60 Prozent tatsächlich in einem sehr hohen Bereich. Wir arbeiten daran zu verstehen, warum so viele Frauen diese hochwirksame prophylaktische Therapie abbrechen. Neben einer Verschlechterung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität scheint die Art und Weise, wie Patientinnen über die Therapie aufgeklärt werden, eine wichtige Rolle zu spielen. Es wäre wünschenswert, der Wirkweise und dem Nutzen der Behandlung in der Aufklärung ebenso viel Wert beizumessen wie der Aufklärung über potenzielle Nebenwirkungen und Einschränkungen der Lebensqualität. Wir haben dies in einer experimentellen Studie untersucht und konnten zeigen, dass die Erwartungen durch eine verbesserte Aufklärung sowohl hinsichtlich der antihormonellen Therapie als auch hinsichtlich der Chemotherapie optimiert werden können.
Mamma Mia!: Kann man durch psychologische Interventionen das Abbruchrisiko vermindern und zu einer verbesserten Einhaltung der Behandlungsvorgaben beitragen?
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc: Ja, ich denke, dass durch psychologische Trainings zur Verbesserung von Erwartungen hier eine sehr gute Möglichkeit besteht, medizinische Therapien in ihrer Wirksamkeit optimal auszuschöpfen und dabei Nebenwirkungen vorzubeugen.
Mamma Mia!: Wie funktioniert das?
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc: In einer gerade im Abschluss befindlichen klinischen Studie haben wir die Wirksamkeit des psychologischen Programms „Antihormonelle Therapie erfolgreich meistern“ untersucht. Ziel ist es dabei, Nebenwirkungen und Einbrüche in der Lebensqualität vorzubeugen sowie langfristig die Non-Adhärenzraten zu verringern. Es wurde bereits in mehreren Brustzentren mit großem Erfolg eingesetzt. In der Studie erhalten die teilnehmenden Patientinnen eine optimierte Aufklärung über die antihormonelle Therapie. Die positiven Effekte der Behandlung werden beispielsweise durch eine individuelle Abwägung von positiven im Vergleich zu möglichen negativen Effekten wie Nebenwirkungen veranschaulicht. Die möglichen Nebenwirkungen, die der einzelnen Patientin am meisten Sorgen bereiten, werden genauer unter die Lupe genommen, und es werden gemeinsam Bewältigungsstrategien entwickelt. Dadurch fühlen sich die Frauen sicherer und können gut vorbereitet in die antihormonelle Behandlung starten.
Mamma Mia!: Welche Bewältigungsstrategien können Psychologen oder medizinische Fachkräfte den Patientinnen im Umgang mit den Nebenwirkungen vermitteln?
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc: Eine wichtige Strategie ist die Stärkung des Selbstwirksamkeitserlebens. Das bedeutet konkret, dass schon bevor bestimmte Beschwerden auftreten, Umgangsmöglichkeiten damit aufgezeigt werden.
Mamma Mia!: Sind Sie der Meinung, dass es wichtig ist, in der Pflegeausbildung und auch bei Medizinern die Macht ihrer Worte vermehrt zu erkennen und sensibel zum Nutzen der Patienten einzusetzen, um den Nocebo-Effekt weitgehend auszuschließen?
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc: Die Wortwahl im Umgang mit Patienten halte ich für sehr wichtig. Zur Optimierung der Erwartungen an die Antihormontherapie sollte beispielsweise in der ärztlichen Aufklärung neben den möglichen Risiken und Nebenwirkungen auch mindestens genauso viel über die Schutzwirkung und den Schutzmechanismus der Behandlung gesprochen werden. Dieser führt dazu, dass bei fünfjähriger Einnahme das individuelle Risiko für ein Rezidiv um 40 bis 50 Prozent verringert werden kann. Die Optimierung von Behandlungserwartungen könnte einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung von Patientinnen mit Brustkrebs leisten.