Mamma Mia!: Worum genau geht es bei Meditation und Hypnose?
Kim Fleckenstein: Bei Meditation und Hypnose geht es zunächst einmal um die eigene Entspannung. Das Ziel ist innere Ruhe, ein „in sich gehen“. Das kann einem im nächsten Schritt dabei helfen, Antworten auf Fragen zu finden, die einem die Außenwelt nicht (mehr) geben kann.
Mamma Mia!: Wie können Meditation und Hypnose speziell bei einer Krebserkrankung helfen?
Kim Fleckenstein: Meditation und Hypnose können dabei helfen, Ängste einzudämmen und die innere Kraftquelle anzuzapfen. Bei der Meditation geschieht das durch positive Mantras, die wiederholt werden. Durch Hypnose lassen sich Glaubenssätze, die einen einschränken oder behindern, verändern oder sogar ganz auflösen. Wenn Formulierungen wie „Die Chemo macht mir Angst“ oder „Das überlebe ich nicht“ ständig im Kopf herumkreisen, sorgt das für zusätzlichen Stress. Daher sollten sie in positive Glaubenssätze wie „Ich schaffe die Chemo“ oder „Ich mache einen Schritt nach dem anderen“ umgewandelt werden. Das führt zu mehr Energie und Gelassenheit.
Meditation: Die Meditation soll Praktizierende dabei unterstützen, ihren Körper und ihre Gedanken aufmerksamer wahrzunehmen. Es ist ein Verfahren zur Selbstreflexion.
Hypnose: Mit Hypnose erreicht man das Unterbewusstsein, das funktioniert nämlich nur in einem Zustand der Tiefenentspannung. Dadurch können
mentale Blockaden beseitigt und die Selbstheilungskräfte aktiviert werden.
Mamma Mia!: Ihre Programme für Krebspatienten heißen „Stay Positive“ oder „Think Positive“ – also positiv bleiben und denken. Das fällt aber vielen Patientinnen schwer. Manche empfinden es sogar als Angriff, wenn das von ihnen verlangt wird. Warum aber ist positives Denken wichtig?
Kim Fleckenstein: Es ist verständlich, dass ein Satz wie „Du musst einfach nur positiv denken, dann wird das schon“ als Angriff empfunden wird. So etwas sollte man nie zu einem Menschen, der eine lebensbedrohliche Diagnose erhalten hat, sagen. Dennoch ist es für Betroffene wichtig, möglichst optimistisch zu bleiben. Denn negative Gedanken kosten wertvolle Energie. Halten Sie sich immer vor Augen: Angst ernährt sich von einer negativen Einstellung, von Grübelei und Sorgen. Je mehr Futter sie bekommt, desto größer wird sie. Eine positive Denkweise hingegen kann den ganzen Körper positiv beeinflussen und so einen kranken Menschen nicht nur mental, sondern auch organisch stärken.
Mamma Mia!: Wie läuft eine Meditation beziehungweise eine Hypnose ab? Wie oft sollte man die Verfahren anwenden? Gibt es da Richtwerte?
Kim Fleckenstein: Wichtig ist zunächst einmal, nicht auf falsche Versprechungen reinzufallen. Manche Anbieter werben mit Slogans wie „Nach ein paar Hypnosesitzungen sind Sie geheilt“ oder „Meditation kann Ihren Krebs vernichten“. So etwas ist Humbug. Aber natürlich können Hypnosesitzungen bei einem entsprechend ausgebildeten Therapeuten einiges bewegen. Wie viele Besuche nötig sind, wird individuell festgelegt. Selbsthypnose kann jeder alleine ausprobieren, mithilfe von Hörprogrammen. Da rate ich immer, sie mindestens vier Wochen lang einmal täglich zu hören, um die Glaubenssätze dauerhaft zu manifestieren. Auch bei der Meditation gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder man meditiert in einer Gruppe, mithilfe eines Programms oder nur für sich. Für Anfänger ist es empfehlenswert, zunächst zwei- bis dreimal in der Woche je fünf Minuten achtsam den eigenen Atem wahrzunehmen. Atmen Sie ruhig ein und aus und konzentrieren Sie sich voll darauf. Ja, das ist schon Meditation! Machen Sie es mindestens vier Wochen lang so, um ein Gespür für die Meditation zu bekommen. Es eignen sich auch Programme wie Mindful Based Stress Reduction (MBSR): Dabei werden 20 Minuten Meditation pro Tag über mindestens acht Wochen hinweg empfohlen.
Mamma Mia!: Kann jeder diese Verfahren erlernen? Auf was sollte man dabei besonders achten?
Kim Fleckenstein: Im Prinzip ja. Aber Menschen mit psychischen Erkrankungen sollten keine Hypnose und Meditation anwenden – und wenn, dann nur nach Absprache mit einem behandelnden Arzt. Empfehlenswert sind diese Techniken aber in jedem Fall für Angehörige, die oftmals auch sehr unter der Diagnose und dem weiteren Krankheitsweg der Betroffenen leiden.
Mamma Mia!: Einige Krebspatienten greifen zu jedem Strohhalm, der ihnen Heilung verspricht. Manchmal fallen in diesem Zusammenhang dann auch Begriffe wie mentale Stärke, positive Gedanken oder Selbstheilungskräfte aktivieren. Wie stehen Sie dazu?
Kim Fleckenstein: Ich glaube daran, dass jeder Mensch eine mentale Stärke besitzt. Wir alle tragen positive Gedanken und Selbstheilungskräfte in uns. Das ist wie eine Art „innerer Arzt“. Er hilft uns dabei, möglichst viel Verantwortung für uns selber und den Gesundungsweg zu übernehmen. Dazu gehört auch, zu akzeptieren, was ist und was sich vielleicht nicht ändern lässt. Nur so kann man die Wucht hinter sich lassen, mit der die Diagnose ins eigene Leben gerauscht ist. „Externe“ Ansprechpartner wie Therapeuten, Coaches, Meditationstrainer oder Hypnosetherapeuten sind wichtig, um mit einem neutralen Blick auf die Krankheit und die Prognose zu schauen und somit einen Teil der emotionalen Brisanz rauszunehmen. Sie können andere Perspektiven oder Blickwinkel aufzeigen – und das ist oft genau das, was man braucht, wenn man das Gefühl hat, es geht nicht mehr weiter.