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ESMO 2023: Neuig-keiten aus der Krebsforschung im Überblick

Redaktion Mamma Mia!

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© iStock / gmast3r

Beim europäischen Krebskongress ESMO in Madrid wurden interessante Studien zu frühem und metastasiertem Brustkrebs sowie zu Eierstockkrebs vorgestellt. Neben einer kurzen Zusammenfassung finden Sie hier auch ausführliche Diskussionen über die Ergebnisse und ihre Bedeutung für die Behandlungspraxis.

Es diskutieren

  • Prof. Dr. Christian Jackisch, Sana Klinikum Offenbach und Eva Schumacher-Wulf, Chefredakteurin Mamma Mia! (Früher Brustkrebs)
  • Prof. Dr. Nadia Harbeck, Universitätsklinikum München und Eva Schumacher-Wulf, Chefredakteurin Mamma Mia! (Metastasierter Brustkrebs)
  • Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Andrea Krull, Andrea Krull vom Verein Gynäkologische Krebserkrankungen Deutschland (GyKD e. V.) (Eierstockkrebs)

Studien zum Frühen Brustkrebs

KEYNOTE-522-Studie: Wirksamkeit einer neoadjuvanten Behandlung mit Pembrolizumab und Chemotherapie gefolgt von einer adjuvanten Therapie mit Pembrolizumab bei triple-negativen Tumoren

Prof. Dr. Christian Jackisch: In der KEYNOTE-522-Studie wurde die Wirksamkeit einer neoadjuvanten Behandlung mit Pembrolizumab und Chemotherapie gefolgt von einer adjuvanten Therapie mit Pembrolizumab bei triple-negativen Tumoren untersucht, verglichen mit einer alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie. Pembrolizumab ist in dieser Konstellation bereits zugelassen, wenn der Tumor größer als zwei Zentimeter ist oder wenn Lymphknoten befallen sind. Während des Kongresses wurde nun ein Update der Daten mit einer Nachbeobachtungszeit von mehr als 63 Monaten gezeigt. Selbst nach dieser langen Zeit zeigt sich noch ein deutlicher Vorteil zugunsten der Therapie mit Pembrolizumab. Die Raten des „ereignisfreien Überlebens“ (EFS), also die Zeit ohne Rückfall, sind mit 81,3 Prozent für die Pembrolizumab-Gruppe im Vergleich zu 72,3 Prozent für die Placebogruppe beträchtlich. Das bedeutet, dass nach über fünf Jahren noch immer über 80 Prozent der Patientinnen keinen Rückfall hatten, was in Anbetracht dieser eher aggressiven Tumorart ein sehr gutes Ergebnis ist. Die Daten zum Gesamtüberleben stehen noch aus.

KEYNOTE-756-Studie: Wirkung einer Immuntherapie bei der Behandlung von frühem, Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs und einem hohen Rückfallrisiko

Prof. Dr. Christian Jackisch: In der KEYNOTE-756-Studie wurde die Wirkung einer Immuntherapie bei der Behandlung von Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs und einem hohen Ruckfallrisiko im Frühstadium untersucht. Der Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab wurde in der Studie ergänzend zur neoadjuvanten Chemotherapie eingesetzt, und zwar unabhängig vom PD-L1-Status. Die Studienteilnehmerinnen erhielten also Pembrolizumab neoadjuvant oder Placebo plus Chemotherapie gefolgt von Pembrolizumab adjuvant oder Placebo plus eine antihormonelle Therapie. Die Hinzunahme von Pembrolizumab führte zu einem statistisch signifikanten Anstieg der pathologischen Komplettremission (pCR) um 8,5 auf 24,3 Prozent. Der primäre Endpunkt, das EFS, also die Zeit ohne Rückfall, konnte noch nicht ermittelt werden. Die Studie bietet einen interessanten Therapieansatz für hormonabhängige Tumoren im Frühstadium, weitere Ergebnisse müssen jedoch noch abgewartet werden, um den tatsächlichen Nutzen der zusätzlichen Therapie beurteilen zu können.

CheckMate-7FL-Studie: Wirkung der Immuntherapie bei frühem, Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs und hohem Rückfallrisiko

Prof. Dr. Christian Jackisch: Auch in der dritten Studie geht es um den Einsatz einer Immuntherapie bei frühem Brustkrebs und hohem Risiko, und zwar bei Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs. In der CheckMate-7FL-Studie mit 500 Patienten wurde die Wirksamkeit des Immuncheckpoint-Inhibitors Nivolumab (NIVO) in Kombination mit einer neoadjuvanten Chemotherapie untersucht. Adjuvant, also nach der Operation, erhielten die Studienteilnehmerinnen entweder NIVO oder Placebo sowie eine antihormonelle Therapie. Der primäre Endpunkt war die pathologische Komplettremission (pCR). Diese verbesserte sich mit der Zugabe von NIVO signifikant um 10,5 Prozent gegenüber der alleinigen Chemotherapie (24,5 versus 13,8 Prozent). Der Nutzen war höher bei Tumoren mit einer PD-L1-Expression von 1 Prozent und mehr. In dieser Gruppe lag die pCR-Rate bei 44,3 Prozent. Auch hier gilt es, weitere Studiendaten abzuwarten.

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Studien zum Metastasierten Brustkrebs

DESTINY-Breast04-Studie: Update der Studie zum Einsatz des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Trastuzumab-Deruxtecan (Handelsname Enhertu®) zur Behandlung von metastasiertem, HER2-low Brustkrebs

Prof. Dr. Nadia Harbeck: Ergebnisse der DESTINY-Breast04-Studie, die 2022 erstmals präsentiert wurden, führten zu Beginn dieses Jahres zur Zulassung des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) zur Behandlung von metastasiertem, HER2-low Brustkrebs. Beim ESMO wurde nun ein Update der Daten präsentiert. Die Ergebnisse des 32-monatigen medianen Follow-Ups der Studie bestätigen die anhaltende, klinisch bedeutsame Verbesserung des Überlebens für T-DXd im Vergleich zur Chemotherapie nach Wahl des Arztes. Das bestätigt die klinische Praxis, in der T-DXd als Standardtherapie ab der zweiten Chemotherapielinie beim metastasierten, Hormonrezeptor-positiven, HER-low Brustkrebs eingesetzt wird. Das Medikament ist auch zur Behandlung der metastasierten, triple-negativen, HER2-low Tumoren zugelassen. Es hat Chemotherapie-typische Nebenwirkungen, die bei entsprechender Begleitmedikation gut beherrschbar sind. Die selten auftretende Pneumonitis (etwa zehn Prozent) bleibt gut behandelbar, wenn sie frühzeitig erkannt wird.

TROPION-Breast01-Studie: Untersuchung der Wirksamkeit des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Datopotamab-Deruxtecan bei inoperablem oder metastasiertem Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs

Prof. Dr. Nadia Harbeck: Vorgestellt wurden außerdem Daten der Phase-III-Studie TROPION-Breast01. In derStudie wurde das an TROP2 bindende Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Datopotamab-Deruxtecan (Dato-DXd) bei Patientinnen und Patienten mit inoperablem oder metastasiertem Hormonrezeptor-positivem, HER2-positivem Brustkrebs untersucht. Die Patientinnen und Patienten hatten zuvor eine antihormonelle Therapie (ET) und ein bis zwei systemische Chemotherapien (CT) erhalten. Im Vergleich zur Chemotherapie, die der Prüfarzt wählte, zeigte Dato-DXd eine statistisch signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS). Die Studie ist noch nicht abgeschlossen, daher konnte das Gesamtüberleben (OS) noch nicht bestimmt werden, es wurde aber ein positiver Trend für Dato-DXd beobachtet. Darüber hinaus zeigte Dato-DXd ein überschaubares Sicherheitsprofil mit niedrigeren Raten von behandlungsbedingten Nebenwirkungen und weniger Dosisreduktionen im Vergleich zur Chemotherapie. Es traten jedoch Nebenwirkungen auf, die von ADCs bisher eher nicht bekannt waren, wie beispielsweise Stomatitis, also eine Entzündung der Mundschleimhaut, oder trockene Augen. Es ist wichtig, dass Patientinnen und Patienten darüber aufgeklärt werden. Diese Ergebnisse unterstützen Dato-DXd als vielversprechende Behandlungsoption für Patienten mit metastasiertem, HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs.

BEGONIA-Studie: Plattformstudie zum Einsatz von Datopotamab-Deruxtecan und Durvalumab bei fortgeschrittenem, metastasiertem, triple-negativem Brustkrebs

Prof. Dr. Nadia Harbeck: Interessant waren weiterhin Updates zur BEGONIAStudie. Hierbei handelt es sich um eine laufende, zweiteilige, offene Plattformstudie mit einer Erstlinientherapie bei fortgeschrittenem, metastasiertem, triple-negativem Brustkrebs. Untersucht wird in dieser Studie die Kombination aus Dato-DXd und Durvalumab. Es ging zunächst um die Ermittlung der Ansprechraten (ORR) der entsprechenden Tumoren, die mit 79 Prozent beeindruckend sind. Es gab sechs vollständige und 43 partielle Remissionen, unabhängig von der PD-L1-Expression, bei zuvor unbehandeltem fortgeschrittenem oder metastasiertem triple-negativem Brustkrebs (TNBC). Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 13,8 Monate und die mediane Dauer des Ansprechens (DoR) 15,5 Monate mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 11,7 Monaten. Diese Studie stellt die Voraussetzung dar, die vielversprechende Kombination von Dato-DXd mit Immuntherapie (Durvalumab) beim TNBC weiterzuentwickeln.

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Studien zu Eierstockkrebs

ANITA-Studie: Wirksamkeit von Atezolizumab plus Platin-basierter Chemotherapie plus PARP-Inhibitor (Niraparib) beim wiederkehrenden Eierstockkrebs mit einem Platin-freien Intervall von mehr als sechs Monaten

Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt: Die Standardtherapie bei einem wiederkehrenden Ovarialkarzinom umfasst eine Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor, wenn die Patientin auf eine Platin-basierte Chemotherapie anspricht. In der ANITA-Studie wurde jetzt untersucht, ob die zusätzliche Gabe eines sogenannten Immuncheckpoint-Inhibitors – hier das Atezolizumab – zum PARP-Inhibitor Niraparib einen Nutzen hat. Wir wissen von anderen Tumorarten, etwa vom Hautkrebs, aber auch vom Gebärmutter- beziehungsweise Gebärmutterhalskrebs, dass diese Checkpoint-Inhibitoren, die in den Immunmechanismus eingreifen und dazu führen sollen, dass das eigene Immunsystem den Tumor besser angreifen und ihn zum Absterben bringen kann, wirksam sein können. Man hat die Hoffnung, dass das auch beim Eierstockkrebs gut funktionieren und eine Verbesserung bringen könnte. In manchen Situationen gab es hier auch schon vielversprechende Anhaltspunkte. Allerdings sind die Daten immer noch spärlich. Jetzt hatte man gehofft, dass ein Checkpoint -Inhibitor in der Situation, in der der Krebs zurückkommt, in Kombination mit einer Chemotherapie einen zusätzlichen Nutzen bringen könnte. In die ANITA-Studie eingeschlossen wurden Patientinnen mit einem Rezidiv, die maximal zwei vorhergegangene Chemotherapien hatten. Außerdem musste die letzte Platin-haltige Chemotherapie mehr als sechs Monate zurückliegen. Die Teilnehmerinnen wurden in zwei Studienarme aufgeteilt: Der eine Arm erhielt die normale Chemotherapie plus ein Placebo. Im anderen Studienarm wurde zur Chemotherapie das Atezolizumab dazugegeben. Zusätzlich erhielten die Patientinnen in beiden Studienarmen noch den PARP-Inhibitor Niraparib, von dem wir wissen, dass er das Ansprechen auch im Rückfall verbessern kann. Die Idee war, dass die Kombination der drei Wirkstoffe, also Chemotherapie, PARP-Inhibitor und Immuntherapie das Überleben verbessern kann. Entsprechend war der Endpunkt der Studie das progressionsfreie Überleben, also die Zeit ohne ein Fortschreiten der Erkrankung. Von den über 400 Patientinnen, die in die Studie eingeschlossen waren, wiesen 14 Prozent eine BRCA-Mutation auf, 36 Prozent den Immunmarker PD-L1. Schaut man sich Ergebnis der Studie an, so muss man sagen, dass der Immuncheckpoint-Inhibitor keinen wirklichen Nutzen für die Gesamtheit der Patientinnen bringt. Wenn man sich aber die Untergruppen anschaut, dann zeigt sich, dass die Patientinnen, die eine BRCA-Mutation haben, zwar von dem PARP-Inhibitor, nicht aber von der Immuntherapie profitieren. Bei Patientinnen, die keine BRCA-Mutation haben, wirkt der PARP-Inhibitor hingegen nicht so gut, sie haben aber stattdessen mehr von der Immuntherapie profitiert. Das ist auch der Kritikpunkt an der Studie, dass hier nicht differenzierter betrachtet worden ist, welche Patientinnen von der Immuntherapie profitieren. Aber zum Zeitpunkt als die Studie entwickelt wurde, lagen einige Erkenntnisse noch nicht vor. Ich denke aber, dass wir in Zukunft weitere Analysen sehen werden und da bestimmt auch Subgruppen identifizieren können, bei denen eine Immuntherapie einen Nutzen hat. Für die Gesamtheit der Patientinnen bringt der Checkpoint-Inhibitor aber keinen Nutzen und sind deshalb keine Option beim Rezidiv.

NRG-GY004-Studie: Vergleich des Gesamtüberlebens von Olaparib gegenüber Cediranib plus Olaparib gegenüber einer Platinbasierten Chemotherapie bei einem Platin-sensitiven Eierstockkrebs-Rezidiv

Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt: In dieser Studie ist eine Chemotherapie-freie Behandlungsmöglichkeit bei Patientinnen mit einem Rezidiv, das mehr als sechs Monate nach der letzten Platin-haltigen Chemotherapie auftrat, untersucht worden. Dazu wurden die Teilnehmerinnen in drei Arme aufgeteilt. Der erste Arm erhielt die Standard-Chemotherapie, der zweite Arm nur den PARP-Inhibitor Olaparib und der dritte Arm Olaparib und zusätzlich den Wirkstoff Cediranib, der so ähnlich wie das Bevazizumab die Gefäßneubildung hemmt und so bewirken soll, dass Tumoren nicht mehr versorgt werden und absterben. Nachdem schon die Daten zum progressionsfreien Überleben nicht positiv waren, waren die jetzt vorgestellten Daten zum Gesamtüberleben auch enttäuschend, sodass eine solche Behandlung sicher nicht der Standard wird. Sie kann aber für einzelne Patientinnen, die Chemotherapie-müde sind, eine Alternativ sein. Allerdings muss man auch sagen, dass das Cediranib noch nicht zugelassen ist und es deshalb auch nicht so leicht zu bekommen ist, wir aber in dem einen oder anderen Fall doch etwas in der Hinterhand haben.

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Die Berichterstattung vom Europäischen Krebskongress (ESMO 2023), die im Rahmen von Mamma Mia! und patients today stattfindet, wird durch die freundliche Unterstützung von Daiichi-Sankyo und Gilead ermöglicht.