Fortgeschrittener Brustkrebs und genetische ­Mutation

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Die Behandlung familiärer Tumoren

Familiär gehäuft auftretende bösartige Tumoren der Brust (Mammakarzinome) werden bis jetzt in Anlehnung an die allgemeinen Handlungsempfehlungen (zum Beispiel S3-Leitlinien, Empfehlungen der AGO Mamma) für diese Krebserkrankung behandelt. Jedoch bieten gerade Tumoren, die auf der Basis einer bekannten genetischen Veränderung (Mutation) entstanden sind, Perspektiven für einen gezielten Behandlungsansatz. Denn je exakter die Abläufe bekannt sind, die zu einer Krebserkrankung führen, desto spezifischer und damit effizienter und zugleich nebenwirkungsärmer kann die Therapie gestaltet werden.

BRCA1 und BRCA2 – Hüter unserer Erbsubstanz

Die Gene BRCA1 und BRCA2 sind für die Reparatur von Fehlern in der Erbinformation (DNA) menschlicher Zellen verantwortlich. Zahlreiche solcher Fehler treten täglich zufällig auf. Ihre Auslöser können aber auch schädigende Umweltfaktoren, Röntgenstrahlung oder Chemotherapeutika sein. Um unsere hochkomplexen genetischen Erbanlagen vor Schäden zu schützen, haben sich schon früh im Verlauf der Entwicklung verschiedene Reparaturmechanismen gebildet. Dazu gehört neben der Erkennung von fehlerhaften Veränderungen an der Erbinformation die Reparatur (zum Beispiel durch BRCA-Gene) und die Einleitung des Zellunterganges (Zelltod=Apoptose), sollte eine Reparatur nicht möglich sein.

BRCA1 und BRCA2 sind Gene, auf deren Grundlage Proteine (Eiweiße) hergestellt werden, die für Reparaturwege in der Zelle eine zentrale Rolle spielen. Daher können Trägerinnen und Träger einer Mutation in den Genen BRCA1 oder BRCA2 aufgrund einer nun gestörten Reparatur und Kontrolle über unsere Erbinformation gehäuft und auch vergleichsweise jung an Krebs erkranken. Genau hier ist jedoch auch eine Achillesferse dieser Tumoren. Diese kann therapeutisch genutzt werden.

Gezielte Therapie bei Mutation im BRCA1/2-Gen

Neben dem Reparaturweg über die BRCA-Gene verfügt eine menschliche Zelle über alternative, aber zumeist weniger effektive Reparaturmechanismen. Wenn Tumoren aufgrund eines defekten BRCA1- oder BRCA2-Gens entstanden sind, dann werden DNA-Schädigungen über diese alternativen Mechanismen repariert. Für den reibungslosen Ablauf eines alternativen DNA-Reparaturmechanismus ist ein Enzym namens PARP (Poly(ADP-ribose)-Polymerase) verantwortlich. Wenn dieses medikamentös gehemmt (PARP-Hemmer, PARP-Inhibitor) wird, dann kommt es insbesondere bei BRCA1- oder BRCA2-mutierten Tumorzellen gehäuft zum Zelltod.

Erste Therapiestudien legen nahe, dass dieses Therapieprinzip organübergreifend für alle BRCA-assoziierten Karzinome von Mutationsträgern/-innen wirksam ist (zum Beispiel auch Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs). Eine Zulassung von PARP-Hemmern (Enzym: Poly-ADP-Ribose-Polymerase, auch PARP-Inhibitoren, PARPi) existiert bislang jedoch nur für die Therapie des Eierstockkrebses. Für BRCA-Mutationsträgerinnen, die eine metastasierte Brustkrebserkrankung haben, wird die Zulassung der ersten PARP-Inhibitoren in Deutschland Anfang 2019 aufgrund aktueller Studiendaten (so genannte OlympiaD- und EMBRACA-Studie) erwartet. Im Durchschnitt war die Tumorerkrankung durch den PARPi im Vergleich zu einer Standardtherapie länger kontrolliert. Das heißt konkret, dass sich die Zeit bis zur Notwendigkeit des Wechsels der Behandlung um einige Monate verlängerte. Ob Brustkrebserkrankte nach einer Therapie mit einem PARPi länger leben ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geklärt, aber zu erwarten. Derzeit gibt es zahlreiche Studien, im Rahmen derer die Behandlung schon jetzt erfolgen kann. Außerdem sind klinische Studien zur Wirkung von PARPi bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs, die Keimbahnmutationen in anderen Genen der DNA-Reparatur (beispielsweise ATM und PALB2) tragen, geöffnet. Durch die Entwicklung neuer PARPi mit breiterem Therapieansatz, beispielsweise durch Hemmung gleich mehrerer PARP-Enzyme und durch den Einsatz der Medikamente in früheren Erkrankungsstadien, kann ihr Nutzen voraussichtlich noch gesteigert werden.

Weniger Nebenwirkungen durch zielgerichtete Therapie

Ein Medikament gänzlich ohne Nebenwirkungen gibt es wohl nicht. Dennoch ist eine vergleichsweise gute Verträglichkeit ein Merkmal der Therapie mit PARPi. So sind bei manchen Patientinnen ein Abfall der roten und weißen Blutkörperchen und eine damit verbundene Schwäche, außerdem gelegentlich Bluthochdruck zu beobachten. Sehr selten wurde das Auftreten einer Leukämie beziehungsweise Vorstufe einer Leukämie beobachtet. Dieses Phänomen ist auch von bestimmten Chemotherapeutika (Zytostatika, zum Beispiel Anthrazyklinen und Cyclophosphamid) bekannt, die in der Therapie von Brustkrebs einen wichtigen Stellenwert einnehmen.

Stellenwert einer Chemotherapie bei BRCA-Anlageträgerinnen

Bei Brustkrebserkrankungen können unter anderem auf der Basis ihrer histologischen Merkmale (feingewebliche Untersuchung mit dem Mikroskop) Aussagen zu ihrer Prognose und zum Ansprechen bestimmter Therapien gemacht werden. Mammakarzinome von BRCA1/2-Anlageträgerinnen tragen häufiger Merkmale aggressiverer Tumoren, als sie bei Frauen in der Allgemeinbevölkerung ohne Mutation vorgefunden werden. Selbst Tumoren mit positivem Hormonrezeptorstatus weisen bei BRCA-Mutationsträgerinnen häufiger eine erhöhte Zellteilungsbereitschaft auf. Eine Chemotherapie ist daher meist erforderlich.

 

Chemotherapie mit Carboplatin bei Brustkrebs

Carboplatin ist ein Zytostatikum, welches DNA-Schäden provoziert, die von BRCA1/2-assoziierten Tumoren, in denen die DNA-Reparatur durch Ausfall der Reparaturgene nachhaltig gestört ist, besonders schlecht auszugleichen sind. BRCA-assoziierte Tumoren sprechen daher besser auf eine solche Chemotherapie an. Während Carboplatin lange Zeit in der Therapie von Brustkrebserkrankungen keine Rolle spielte, wird es nun zunehmend vor allem bei triple-negativem Brustkrebs eingesetzt. Bei diesen Tumoren ist weder eine antihormonelle Therapie noch eine Antikörpertherapie (zum Beispiel Trastuzumab) effizient. Interessanterweise sprechen BRCA-assoziierte Tumoren ohnehin sehr gut auf eine Chemotherapie an. Sie zeigen eine allgemein erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Chemotherapeutika. Bislang konnte daher noch nicht gezeigt werden, dass bei BRCA-assoziierten Mammakarzinomen durch den Einsatz von Carboplatin ein effizienteres Ansprechen im Sinne einer zielgerichteten Therapie erreicht werden kann als mit der Standardbehandlung.

Bisher sind die meisten Risikogene, die in Familien mit erblichem Brust- und Eierstockkrebs identifiziert wurden, in die DNA-Reparatur eingebunden. Daher könnte es ein interessanter Ansatz sein, in Zukunft nicht mehr nach der spezifischen Mutation zu forschen, sondern die allgemeine Schwächung der DNA-Reparatur in Tumoren zu untersuchen. So könnten auch Patientinnen ohne Nachweis einer spezifischen Genveränderung aber mit dem Nachweis dieses Funktionsverlustes von einer entsprechenden zielgerichteten Therapie profitieren. Bislang haben solche Tests jedoch noch keine Bedeutung. 

 

Antihormonelle Therapie

Nach Erkrankung an einem genetisch bedingten Brustkrebs wird im Falle eines positiven Hormonrezeptorstatus die antihormonelle Therapie mit Tamoxifen oder einem Aromatasehemmer entsprechend den allgemeinen Leitlinien empfohlen. Bei besonders jungen Patientinnen (< 35. Lebensjahr) und höherem Tumorstadium konnte die zusätzliche Ausschaltung der Eierstockfunktion durch die medikamentöse Behandlung mit einem GnRH-Analogon (Gonadotropin-Releasing-Hormon) einen zusätzlichen Nutzen zeigen.

Ausblick auf Immuncheckpoint-Modulatoren

Gegenstand intensiver Forschung ist derzeit eine Gruppe von neuen Medikamenten, die den Tumor nicht selbst bekämpfen, sondern das Immunsystem in die Lage versetzen, die Tumorzellen als „fremd“ wahrzunehmen und zu beseitigen. Es handelt sich dabei um Antikörper gegen PD-L1 und gegen anti-PD-L1 (unter anderem Atezolizumab, Pembrolizumab), so genannte Immuncheckpoint-Inhibitoren, die bei einigen Tumorerkrankungen, wie dem schwarzen Hautkrebs und bei Lungenkrebs, bereits zugelassen sind. Interessanterweise handelt es sich dabei um Tumoren, die dadurch gekennzeichnet sind, dass in ihrem Zellinneren auf genetischer Ebene ein großes Durcheinander vorliegt (genomisches Chaos). Triple-negative Tumoren zählen durchaus zu dieser Art von Tumoren. Einen ersten guten Beleg für einen Nutzen dieser neuen Medikamente bei triple-negativem Brustkrebs gibt es bereits. Ob diese neue Medikamentenklasse einen besonderen Stellenwert bei BRCA1/2-abhängig entstandenem Brustkrebs erhält, ist bislang noch offen.

Klinische Studien

Im Deutschen Konsortium werden klinische ­Studien durchgeführt, die den Einfluss einer Keimbahn­mutation auf die Krebsentstehung und -behandlung untersuchen.

Priv.-Doz. Dr. med. Karin Kast

Oberärztin und Leiterin des Zentrums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden

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