Mamma Mia › Brustkrebs › Brustkrebs-Behandlung › Zielgerichtet gegen den Tumor – Neue Hoffnung bei HER2-positivem und HER2-mutiertem Brustkrebs
Mamma Mia!: Herr Professor Marmé, Zongertinib ist ein neuer Tyrosinkinasehemmer, der in klinischen Studien zur Behandlung von Brustkrebs getestet wird. Was genau ist ein Tyrosinkinasehemmer?
Prof. Dr. Frederik Marmé: Tyrosinkinasehemmer sind Medikamente, die das Wachstum von Krebszellen gezielt stoppen. Sie werden auch TK-Hemmer oder Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) genannt. Tyrosinkinasen sind bestimmte Eiweiße, die steuern, wie Zellen wachsen, sich teilen und überleben. Bei manchen Krebserkrankungen sind diese Eiweiße überaktiv, wodurch die Zellen unkontrolliert wachsen. Tyrosinkinasehemmer blockieren diese überaktiven Eiweiße und bremsen so das Tumorwachstum. Zongertinib ist ein neuer TKI, der speziell entwickelt wurde, um Krebsarten zu behandeln, bei denen das HER2-Protein eine wichtige Rolle spielt. Es blockiert, wie auch andere TKIs, gezielt das HER2-Protein. Dabei greift es andere ähnliche Proteine, wie zum Beispiel EGFR, kaum an. Dadurch entstehen weniger Nebenwirkungen. Das Medikament wird als Tablette eingenommen.
Mamma Mia!: Zongertinib wird sowohl bei Tumoren mit einer HER2-Amplifikation (HER2-positiv) als auch bei einer HER2-Mutation getestet. Können Sie uns den Unterschied zwischen einer Amplifikation und einer Mutation erklären?
Prof. Dr. Frederik Marmé: HER2 ist ein Gen, das den Bauplan für ein bestimmtes Protein auf der Oberfläche von Zellen liefert. Dieses Protein spielt eine Rolle beim Zellwachstum – auch bei Krebszellen. Bei einer Amplifikation gibt es zu viele Kopien des HER2-Gens in der Zelle, was auch als Überexpression bezeichnet wird. Dadurch wird zu viel HER2-Protein produziert, wodurch die Krebszellen schneller wachsen. Wenn wir von „HER2-positivem Brustkrebs“ sprechen, meinen wir die HER2-Amplifikation beziehungsweise Überexpression. Zur Behandlung dieser Tumoren gibt es eine ganze Reihe Anti-HER2-Medikamente wie Trastuzumab, Pertuzumab, verschiedene Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (zum Beispiel T-DM1 oder T-DXd) oder auch andere Tyrosinkinasehemmer (beispielsweise Neratinib, Lapatinib, Tucatinib). Bei der HER2-Mutation ist das HER2-Gen verändert (mutiert), aber nicht vermehrt. Die Mutation macht das Protein dauerhaft aktiv, selbst wenn es nur in kleinen Mengen da ist. Dadurch erhält die Zelle ständig Signale zum Wachsen – auch ohne Überexpression. Es gibt zurzeit keine Brustkrebstherapie, die bei dieser Mutation zugelassen ist, aber Hinweise, dass beispielsweise Tyrosinkinasehemmer bei diesen Tumoren gute Wirksamkeit zeigen. Daher freuen wir uns, dass es nun eine Studie gibt, in der der neue Tyrosinkinasehemmer Zongertinib nicht nur bei einer HER2-Überexpression, sondern auch bei einer HER-Mutation untersucht wird.
Mamma Mia!: Was genau wird nun in den Studien untersucht?
Prof. Dr. Frederik Marmé: In der Beamion BCGC-1-Studie wird Zongertinib in Kombination mit Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd), Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) oder auch Trastuzumab und Capecitabin bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem, HER2-positivem, metastasiertem Brustkrebs untersucht. Es handelt sich um eine sehr frühe Phase der Studie (Phase 1/2), in der zunächst die optimale Dosis der Therapie gefunden, generell die Sicherheit der Kombinationstherapien geprüft und erste Hinweise auf ein Ansprechen des Tumors ermittelt werden. In der Beamion PANTUMOR-1-Studie wird die Wirksamkeit des Medikaments bei verschiedenen soliden Tumoren getestet, bei denen eine HER2-Mutation oder HER2-Überexpression nachgewiesen wurde. In die Beamion PANTUMOR-1 Studie werden auch Patientinnen mit HER2-mutiertem Brustkrebs und Patientinnen mit HER2-überexprimierendem Gebärmutter- und Gebärmutterhalskrebs in geschlossen. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, Patientinnen mit HER2-mutierten soliden Tumoren unabhängig von deren „HER2 ist ein Gen, das den Bauplan für ein bestimmtes Protein auf der Oberfläche von Zellen liefert. Dieses Protein spielt eine Rolle beim Zellwachstum – auch bei Krebszellen. Ursprungsorgan einzuschließen. Erste Wirksamkeitsdaten aus einer Studie beim HER2-mutierten Lungenkrebs sind sehr ermutigend. Hier zeigten 71 Prozent der Patienten ein Ansprechen auf die Therapie mit Zongertinib.
Mamma Mia!: Wer kann an den Studien teilnehmen?
Prof. Dr. Frederik Marmé: Die Studien richten sich an Patientinnen und Patienten mit HER2-positivem beziehungsweise HER2-mutiertem, metastasiertem Brustkrebs, die bereits eine Therapie zur Behandlung ihrer Erkrankung erhalten haben. Teilnehmen können aber auch Frauen mit gynäkologischen und anderen Tumoren, die entweder eine HER2-Überexpression oder gegebenenfalls auch HER2-Mutation aufweisen. Hier noch einmal ein Überblick:
Beamion BCGC-1-Studie
- Einschluss von Patientinnen mit HER2-positivem, metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem Brustkrebs.
- Patientinnen erhalten Zongertinib in Monotherapie oder in Kombination mit einem Antikörper +/- Chemotherapie oder einem Antikörper-Drug-Konjugat
Beamion PANTUMOR-1-Studie
- Einschluss von Patientinnen mit HER2-mutiertem Brustkrebs.
- Einschluss von Patientinnen mit HER2-überexprimierendem Gebärmutter- oder Gebärmutterhalskrebs.
- Möglichkeit zur Teilnahme für Patientinnen mit HER2-mutierten soliden Tumoren – unabhängig vom Ursprungsorgan, ausgenommen jedoch HER2-mutierter nichtkleinzelliger Lungenkrebs.
- Patientinnen erhalten eine alleinige Behandlung mit Zongertinib.
Mamma Mia!: Was ist in Bezug auf diese Studien aus Ihrer Sicht noch wichtig?
Prof. Dr. Frederik Marmé: Für mich ist sehr wichtig, das nötige Bewusstsein zu fördern, dass der HER2-Status inzwischen nicht nur im Hinblick auf die Überexpression, sondern auch im Hinblick auf HER2-Mutationen einen wichtigen Biomarker darstellt, der therapeutisch genutzt werden kann. Das gilt nicht nur für Brustkrebs, sondern auch für andere gynäkologische Tumore. Also auch dort sollte man bei der Therapieplanung diese Untersuchungen am Tumorgewebe durchführen, um die Möglichkeit zur Studienteilnahme zu ermöglichen. Gerade im Hinblick auf die Bedeutung der HER2-Mutationen aber auch der HER2-Expression bei gynäkologischen Tumoren muss aktuell noch Aufklärungsarbeit geleistet werden. Ich hoffe, dass wir mit diesem Interview einen kleinen Beitrag leisten können.
Prof. Dr. med. Frederik Marmé
Sektionsleiter Konservative, Gynäkologische Onkologie
Professor für Experimentelle und Translationale Gynäkologische Onkologie
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Universitätsklinikum Mannheim, Frauenklinik
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