Der Nachweis einer BRCA-Mutation ist für viele Betroffene erst einmal ein Schock. Für Personen mit einem BRCA-assoziierten Brustkrebs gibt es mittlerweile aber Behandlungsmöglichkeiten, die zielgerichtet gegen Krebszellen mit dieser Genveränderung wirken – somit kann die Mutation auch eine Chance sein.
Ein BRCA-assoziierter Brustkrebs geht mit einer Veränderung (Mutation) im BRCA1– oder BRCA2-Gen einher (Abkürzung engl. BReast CAncer). Ist eines dieser „Brustkrebsgene“ mutiert, haben die Betroffenen ein deutlich erhöhtes Risiko an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. Bei bis zu zehn Prozent aller Frauen mit Brustkrebs lässt sich ein verändertes BRCA1– oder BRCA2-Gen nachweisen. Auch bei Männern können die BRCA-Gene mutieren; sie haben dann ebenfalls ein erhöhtes Krebsrisiko, zum Beispiel für Brust- oder Prostatakrebs.
Die Mutation lässt sich entweder durch einen Gentest an einem spezialisierten Zentrum für Familiären Brust- und Eierstockkrebs feststellen, oder kann – wenn der Test für die Therapieplanung relevant ist – auch von den behandelnden Ärzt:innen veranlasst werden. Lesen Sie hier, wer sich testen lassen kann und wie der Test abläuft.
BRCA-Mutation: Vererbt oder erworben
Träger:innen einer BRCA-Mutation bekommen diese genetische Veränderung meist vererbt und besitzen sie schon von Geburt an. Diese Art der Mutation wird als Keimbahnmutation bezeichnet und kommt in allen Körperzellen vor. Daher wird sie anhand einer Blutprobe bestimmt. Medizinische Fachleute bezeichnen dies als erblichen oder hereditären Brustkrebs, und betroffene Familien gelten als Hochrisikofamilien.
Allerdings kann eine Veränderung eines oder beider BRCA-Gene auch im Lauf des Lebens erworben werden, etwa durch Umwelteinflüsse. Das mutierte BRCA-Gen liegt dann nur in jener Zelle vor, in der die Mutation entstanden ist, sowie in allen weiteren Zellen, die aus dieser durch Zellteilung hervorgehen. Diese sogenannte somatische Mutation kann deswegen nicht vererbt werden und wird im Tumor nachgewiesen.
was ist das?
Wovon hängt die Brustkrebsbehandlung bei einer BRCA-Mutation ab?
Die Brustkrebsbehandlung hängt von verschiedenen Faktoren ab, allen voran vom Stadium, der Ausbreitung und der Aggressivität des Tumors. Diese Einteilung von Tumoren nach ihrem Stadium heißt „Staging“. Festgestellt wird, wie groß der Tumor in der Brust ist, ob er sich auf benachbarte Lymphknoten ausgedehnt hat oder ob er über die Blut- und Lymphwege in weiter entfernt liegende Organe und Gewebe gelangt ist und dort Metastasen gebildet hat (zum Beispiel Leber, Lunge, Knochen, Gehirn). Dies wird in der sogenannten TNM-Klassifikation festgehalten (TNM steht für T= Tumor, N = Node, englisch für Lymphknoten und M = Metastasen).
Daneben spielt auch das sogenannte „Grading“ für die Wahl der Brustkrebstherapie eine Rolle. Dabei untersuchen Pathologinnen und Pathologen die Krebszellen und überprüfen, wie ähnlich sie gesunden Zellen noch sind (wie gut sie „differenziert“ sind). Es gibt die Differenzierungsgrade G1 bis G4 – von gut differenziert bis nicht differenziert. Je höher die Ziffer hinter dem Buchstaben G, desto aggressiver ist meist auch der Tumor und desto schneller teilen und vermehren sich die Krebszellen.
Routinemäßig bestimmt wird auch der sogenannte Ki-67-Wert. Dieser Marker liefert Informationen über die Teilungs- und Vermehrungsgeschwindigkeit von Krebszellen.
Wichtig für die Wahl der Brustkrebsbehandlung ist auch, ob die Krebszellen spezielle Eigenschaften besitzen:
- Hormonrezeptorstatus: Bei rund zwei Drittel der Frauen wächst der Brustkrebs unter dem Einfluss von den Geschlechtshormonen Östrogen und/oder Progesteron. Der Krebs ist hormonempfindlich oder Hormonrezeptor-positiv (HR+). Die Krebszellen besitzen dann Andockstellen (Rezeptoren) für diese Hormone (ER+, PgR+). Dies lässt sich für die Brustkrebsbehandlung nutzen. Bei diesen Frauen kommt die Antihormontherapie zum Einsatz.
- HER2-Status: Das Kürzel „HER2“ steht für „Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2“. Dies ist eine Bindungsstelle an den Zellen, die Wachstumsfaktoren besetzen. Sie leiten Wachstumssignale an das Zellinnere weiter – dann teilen und vermehren sich die Zellen. Ungefähr 15 Prozent aller Mammakarzinome besitzen HER2 in einer größeren Menge. Ein HER2-positiver Brustkrebs lässt sich mit speziellen gegen HER2 gerichtete Therapien behandeln.
Manche Frauen entwickeln einen triple-negativen Brustkrebs (TNBC). Dann sind auf den Tumorzellen weder Hormon- noch HER2-Rezeptoren nachweisbar. Der Brustkrebs ist dreifach negativ und die oben genannten Behandlungen kommen in diesem Fall nicht infrage. Einen engen Zusammenhang gibt es zwischen einem TNBC und einem veränderten BRCA1-Gen. Das bedeutet, dass bei einer triple-negativen Erkrankung eine BRCA-Mutation häufiger vorkommt als bei einem anderen Brustkrebs-Typ. Jedoch sind bei weitem nicht alle Mammakarzinome, die durch ein mutiertes BRCA-Gen verursacht werden, triple-negativ.
BRCA-Mutation und Brustkrebs: Welche Behandlungen gibt es?
Die BRCA-Mutation erhöht zwar das Erkrankungsrisiko, kann aber auch eine große Chance in der Behandlung bieten. Denn bei Vorliegen der Mutation steht eine sogenannte zielgerichtete Therapie zur Verfügung, die sich die Genmutation zunutze macht und spezifisch an dieser Schwachstelle der Krebszelle ansetzt. Dafür werden PARP-Hemmer, auch PARP-Inhibitoren genannt, eingesetzt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Behandlungen wie der Chemotherapie, die sich gleichermaßen gegen schnell teilende Zellen (Krebszellen und gesunde Zellen) richtet, wirken zielgerichtete Therapien spezifischer – das heißt, es werden bevorzugt Krebszellen angegriffen. Daher ist diese Therapie meist schonender.
Jeden Tag kommt es in unserer DNA zu verschiedenen Schäden, z. B. Einzelstrangbrüche, also wenn ein Strang der DNA-Doppelhelix bricht, oder Doppelstrangbrüche, was bedeutet, dass beide Stränge gebrochen sind. Für die Reparatur der schwerwiegenderen Doppelstrangbrüche gibt es nur einen fehlerfreien Mechanismus: die homologe Rekombinationsreparatur (HRR). Bei dieser spielt BRCA eine wichtige Rolle.
Bei der Reparatur von Einzelstrangbrüchen spielt das Enzym PARP eine Rolle. Wird dieses nun durch die Gabe eines PARP-Hemmers blockiert, verhindert das die Reparatur von Einzelstrangbrüchen. Wenn sich diese geschädigten Krebszellen teilen, kommt es durch die Kopie der DNA zu einem Doppelstrangbruch der DNA. Liegt nun eine BRCA-Mutation vor, kann dieser nicht mittels HRR repariert werden. Mit der Zeit häufen sich dann so viele Doppelstrangbrüche an, dass die Krebszelle nicht mehr überlebensfähig ist und abstirbt.
Zusätzlich zu PARP-Hemmern gibt es für Brustkrebspatient:innen mit einer BRCA-Mutation auch andere Therapieoptionen, die unabhängig von der Genveränderung zum Einsatz kommen können. Diese werden je nach Stadium, Aggressivität und weiteren Eigenschaften des Tumors ausgewählt. Dazu zählen zum Beispiel:
- Operation: brusterhaltend (BET) oder Brustentfernung (Mastektomie)
- Chemotherapie: Zum Einsatz kommen Zytostatika („Zellgifte“), die Krebszellen im gesamten Körper angreifen und abtöten sollen.
- Strahlentherapie (Radiotherapie): Die Bestrahlung attackiert Krebszellen lokal und vernichtet sie.
- Antihormontherapie (zum Beispiel Antiöstrogene, Aromatasehemmer, GnRH-Analoga): Die Behandlung hemmt die Wirkung der Geschlechtshormone beziehungsweise unterbindet ihre Produktion.
- Antikörper gegen HER2: Die Medikamente besetzen die Bindungsstellen für Wachstumsfaktoren und unterbinden so ihre Wirkung.
- Antikörper-Wirkstoff-Konjugate: Hier wird ein Antikörper mit einem Chemotherapeutikum gekoppelt. Der Antikörper dient als „Eintrittspforte“ für die Zytostatika, die dann im Zellinneren ihre für die Krebszelle tödliche Wirkung entfalten.
- CDK4/6-Hemmer: Sie greifen an den Enzymen CDK4 und CDK6 an, die für die Zellteilung wichtig sind.
- Immuntherapie (zum Beispiel Immun-Checkpoint-Hemmer): Die Medikamente greifen nicht die Krebszellen selbst an, sondern schärfen das körpereigene Immunsystem so, dass es wieder selbst gegen die Krebszellen vorgehen kann.
- Tyrosinkinase-Hemmer: Sie blockieren verschiedene Signalwege im Zellinneren, die für die Zellteilung wichtig sind – diese bleibt dann aus.
- Angiogenese-Hemmer: Medikamente, welche die Ausbildung neuer Blutgefäße verhindern; dann wird der Tumor nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und stirbt ab.
- mTOR-Hemmer: Medikamente, die einen bestimmten überaktiven Signalweg blockieren; sie können zum Einsatz kommen, wenn die Antihormontherapie nicht mehr ausreichend wirkt.
Besonders wichtig bei einer BRCA-Mutation ist eine intensivierte Nachsorge. Dabei stehen die Beschwerden aufgrund der Therapien und der Krebserkrankung selbst sowie mögliche Anzeichen für eine Rückkehr (Rezidiv) des Brustkrebses im Vordergrund. Auch für gesunde Personen mit einer BRCA-Mutation gibt es verschiedene Möglichkeiten, um entweder durch z. B. eine vorsorgliche Operation den Ausbruch einer Brustkrebserkrankung zu verhindern oder sie durch eine intensivierte Brustkrebsfrüherkennung frühzeitig zu entdecken.
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DE-63051/2024
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