Der Haarausfall (Alopezie) ist eine sehr bekannte und offensichtliche Nebenwirkung einer Chemotherapie. Diese Behandlung kommt bei vielen Krebsarten zum Einsatz , zum Beispiel bei Brustkrebs. Viele Frauen belastet der Haarverlust emotional, weil die Krebserkrankung dann oft auch für andere optisch zu Tage tritt. Die Haare fallen bei einer Chemo aus, weil die eingesetzten Medikamente – Zytostatika oder Chemotherapeutika – alle Zellen angreifen, die sich rasch teilen und vermehren. Dazu gehören neben den Krebszellen, die es bei einer Krebserkrankung zu bekämpfen gilt, unter anderem auch die Haarwurzelzellen.
Die Chemo schädigt die Haare, die sich gerade in der Wachstumsphase befinden – dies mündet in einem allmählichen Haarverlust. Betroffen ist das Kopfhaar, aber manchmal auch das Körperhaar: Wimpern, Augenbrauen, die Haare an den Armen und Beinen sowie die Schambehaarung können ausfallen.
Führt eine Chemotherapie immer zu Haarausfall?
Nicht jedes eingesetzte Zytostatikum lässt die Haare im gleichen Ausmaß ausfallen. Bei manchen Menschen lichten sich die Haare nur, während andere einen vollkommenen Haarverlust auf dem Kopf erleben. Die Art des Chemotherapeutikums ist also ein wichtiger Mitspieler.
Bei Brustkrebs kommen zum Beispiel oft Zytostatika wie Doxorubicin, Epirubicin, Cyclophosphamid oder Paclitaxel zum Einsatz. Bei diesen Zytostatika müssen Frauen damit rechnen, dass ihre Haare ausgehen, berichtet das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). Der Haarverlust kommt bei einer von zehn Behandelten vor und gilt als sehr häufig. Seltener fallen die Haare bei Chemotherapeutika wie Carboplatin, Cisplatin oder Capecitabin aus
Meist setzt der Haarausfall etwa ein bis vier Wochen nach dem Beginn der Chemotherapie ein. Nach und nach verlieren Betroffene dann mehr oder weniger stark ihre Haare. Sie fallen jedoch nicht alle auf einmal aus, sondern allmählich.
Neben der Art des Zytostatikums gibt es noch einige weitere Faktoren, die das Risiko für den Haarausfall bei einer Chemotherapie erhöhen.
Eine Chemotherapie, die als Infusion über die Vene verabreicht wird: Dies geschieht bei den meisten Chemotherapien und vielen Krebsarten, auch bei Brustkrebs. Eine Chemo in Form von Tabletten birgt dagegen eine geringere Gefahr für den Haarausfall.
Wenn mehrere Zytostatika miteinander kombiniert werden, um die Wirksamkeit der Chemotherapie zu erhöhen: Bei vielen Krebsarten wie Brustkrebs ist dies der Fall. Bei einer Chemotherapie mit einer Einzelsubstanz ist das Risiko für den Haarverlust geringer.
Wenn Zytostatika in höheren Dosierungen oder binnen kurzer Zeitabstände verbreicht werden: Es gibt verschiedene Chemotherapie-Schemata, bei denen jeweils unterschiedliche Medikamente in verschiedenen Zeitintervallen und mehreren Zyklen zum Einsatz kommen. Dies kann von Krebsart zu Krebsart und individuell sehr verschieden sein.
Haarausfall bei Chemotherapie verhindern – geht das?
Den Haarverlust durch die Chemotherapie verhindern zu können – das wünschen sich wohl die meisten Betroffenen. Seit Jahrzehnten wird daran geforscht, wie sich die chemotherapiebedingte Alopezie vermeiden lässt. Bislang gibt es aber kein Medikament und auch keine andere Maßnahme, um dem Haarverlust effektiv vorzubeugen.
Kühlhaube bei Chemotherapie
Die Forschung konzentriert sich seit einiger Zeit auf sogenannte Kühlhauben oder Kältekappen, die man während der Chemotherapie auf dem Kopf trägt.
Die Idee dahinter:
- Durch die Kälte ziehen sich die Blutgefäße zusammen und die Durchblutung der Kopfhaut wird vermindert.
- Außerdem sollen die kühlen Temperaturen den Stoffwechsel in den Zellen der Haarwurzelzellen verlangsamen.
- Dadurch sollen geringere Mengen an Zytostatika in den Haarwurzeln ankommen, weniger stark auf sie einwirken und sie weniger schädigen – dann bleiben mehr Haare erhalten.
Die Kühlhaube sitzt während der Chemotherapie ähnlich wie ein Fahrradhelm auf dem Kopf. In der Regel ist die Kühlhaube an ein spezielles Gerät angeschlossen, das Kühlflüssigkeit durch die Kühlkappe pumpt. Die Kopfhaut wird auf diese Weise auf ungefähr 20 °C heruntergekühlt. Andere Modelle bestehen aus Kühlelementen, die mit Gel gefüllt sind. Vor der Behandlung werden sie in einem Tiefkühlschrank gekühlt.
Getestet wurden die Kühlhauben bisher vor allem an Frauen mit Brustkrebs, die sich einer Chemotherapie mit sogenannten Anthrazyklinen beziehungsweise Taxanen unterzogen haben. Bei ihnen fielen tatsächlich weniger Haare aus als bei Personen, deren Kopfhaut nicht gekühlt wurde. Sie brauchten beispielsweise seltener eine Perücke, um den Haarausfall zu kaschieren.
Es gibt jedoch bisher nur wenige aussagekräftige Studien zur Wirksamkeit der Kühlhaube gegen den Haarverlust bei einer Chemotherapie. Ein Kritikpunkt ist, dass nur wenige Männer und überwiegend Frauen teilgenommen haben. Außerdem unterschieden sich die Studien hinsichtlich der verabreichten Zytostatika, Dauer der Chemotherapie und Art der eingesetzten Kühlkappen. Auch wie ausgeprägt der Haarausfall war, wurde auf verschiedene Weise gemessen. Daher sind die Studienergebnisse mit Vorsicht zu betrachten.
Derzeit gibt es jedenfalls keine medizinischen Empfehlungen für oder gegen den Einsatz der Kältekappe. Die S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“ empfiehlt, dass man bei Chemotherapien mit einem hohen Risiko für Haarausfall unter der Abwägung von Nutzen und Risiken eine Kühlung der Kopfhaut in Erwägung ziehen könne. Theoretisch seien auch Nachteile durch die Kopfhautkühlung möglich, schreibt das DKFZ: Die Chemotherapie wäre zum Beispiel im Bereich der gekühlten Kopfhaut auch weniger gegen Krebszellen wirksam. Zudem sind Kopfschmerzen möglich und manche empfinden die Kälte als unangenehm.
Kopfhautkompression
In Studien wurde untersucht, ob Druck (Kompression) auf die Kopfhaut den Haarausfall verhindern kann. Druck lässt sich zum Beispiel über enge Hauben oder Druckmanschetten auf dem Kopf ausüben. Ziel ist es, die Durchblutung der Kopfhaut herabzusetzen, damit weniger Zytostatika zur Haarwurzel gelangen. Ein deutlicher Effekt der Kopfhautkompression ließ sich bisher nicht nachweisen.
Kopfhautkühlung und Kopfhautkompression
Die Kombination aus Kühlung und Kompression der Kopfhaut zeigte in Studien vorbeugende Effekte, was den Haarausfall angeht. Kühlhauben wurden mit Kompressionsverbänden oder Stauschläuchen kombiniert. Der schwere Haarausfall wurde reduziert. Auch mussten Betroffene seltener Perücken tragen. Allerdings erhielt die Kontrollgruppe jeweils keine Haarausfall-Prophylaxe. Deswegen ist es unklar, ob durch die Kompression zusätzlich zur Kühlung ein positiver Effekt entstand.
Hirse gegen Haarausfall
Hirse enthält Aminosäuren, Vitamine und sogenannte Phytoöstrogene. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die eine östrogenähnliche Struktur besitzen. Hirse wird als Therapeutikum gegen Haarausfall vermarktet. Die Wirksamkeit ist aber nicht ausreichend in größeren wissenschaftlichen Studien nachgewiesen.
In einer kleinen Studie wurde echte Hirse als vorbeugende Maßnahme gegen Haarausfall im Rahmen einer Chemotherapie eingesetzt (die Kontrollgruppe erhielt keine spezielle präventive Behandlung). Die Hirse zeigte einen deutlichen Effekt auf den schweren Haarausfall (Grad III bis IV) und auch auf das Tragen einer Perücke (dies war seltener der Fall). Dieses Ergebnis ist jedoch mit großer Vorsicht zu interpretieren, weil die Studie nur wenige Patienten umfasste und auch die Randomisierung (zufällige Zuteilung zu einer Gruppe) fehlte. Der Effekt ist nicht ausreichend belegt.
Medikamente gegen Haarausfall durch Chemo
Bisher gibt es kein Medikament, das vor einem Haarausfall durch die Chemotherapie schützen könnte. Untersucht wurde in Studien zum Beispiel das Haarwuchsmittel mit dem Wirkstoff Minoxidil (zugelassen für erblich bedingten Haarausfall). Das Mittel wird auf die Kopfhaut aufgetragen und scheint die Durchblutung der Haarfollikel und somit das Haarwachstum zu verbessern.
In Studien ließ sich keine deutliche Verminderung des Haarausfalls durch Minoxidil erkennen. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Haare nach dem Haarverlust schneller wieder nachwachsen. Zu beachten sind aber die Nebenwirkungen, zum Beispiel Wassereinlagerungen oder Herzrhythmusstörungen.
Fazit: Es gibt keine nicht-medikamentöse und medikamentöse Behandlung des Haarausfalls durch eine Chemotherapie, deren Wirksamkeit in Studien belegt ist.
Tipps bei Haarverlust durch die Chemotherapie
Wenn der Körper die Chemotherapeutika abgebaut hat, beginnen die Haare in der Regel wieder zu wachsen. Ungefähr drei Monate nach der letzten Chemotherapie sind bei den meisten die Haare wieder so dicht, dass sie den Haarverlust nicht mehr mit Mütze, Tüchern oder Perücke kaschieren müssen. Manche entscheiden sich auch, ganz ohne Haare nach draußen zu gehen.
Nach einer Chemotherapie kann das Kopfhaar manchmal etwas anders nachwachsen und anders aussehen als vorher. Es kann zum Beispiel gelockt statt glatt sein oder eine andere Farbe besitzen. Es kann beispielsweise heller oder dunkler als früher sein. Ein möglicher Grund ist, dass die Chemotherapie die Haarfollikel verändert. Woher die Effekte aber wirklich kommen, ist noch nicht geklärt.
Das DKFZ gibt einige Tipps, die den Umgang mit dem Haarausfall vielleicht erleichtern:
- Besprechen Sie mit Ihrem Behandlungsteam, ob und in welchem Ausmaß ein Haarverlust bei Ihrer Chemotherapie zu erwarten ist. Lassen Sie sich auch gut über andere Nebenwirkungen der Zytostatika informieren.
- Wenn Sie mit dem Haarverlust rechnen müssen: Überlegen Sie, ob und wie Sie diesen kaschieren möchten. Es gibt viele verschiedene Lösungen. Versuchen Sie, eine Maßnahme zu finden, die zu Ihnen passt und mit der Sie sich wohl fühlen. Vielleicht sprechen Sie auch mit Angehörigen oder Freunden darüber. Auch ein psychologisches Gespräch kann hilfreich sein.
- Wenn Sie sich für eine Lösung entschieden haben: Kümmern Sie sich rechtzeitig darum, etwa um eine Perücke. Die gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen beteiligen sich an den Kosten für die Perücke. Den richtigen Haarersatz zu finden, braucht manchmal etwas Zeit. Warten Sie nicht ab, bis die ersten Haare ausfallen.
- Vielleicht schließen Sie sich einer Selbsthilfegruppe an? Je nach Krebsart gibt es verschiedene Anlaufstellen. Dort treffen Sie auf Gleichbetroffene, die vielleicht den einen oder anderen Tipp haben, wie Sie mit dem Haarausfall bei einer Chemotherapie umgehen. Es gibt nicht „den einen“ Weg, sondern Sie müssen den richtigen für sich selbst finden.
FAQs
Wie lange dauert der Haarausfall bei einer Chemo?
Meist beginnt der Haarausfall bei einer Chemo etwa ein bis drei Wochen nach dem ersten Chemotherapiezyklus. Nach und nach fallen immer mehr Haare aus. Schließlich kann der gesamte Kopf kahl werden. Je nach angewendeten Zytostatika können auch die Körperhaare ausfallen. Wenige Wochen nach dem Ende der Chemo wachsen die Haare jedoch wieder langsam nach. Der Körper hat dann die Zytostatika abgebaut.
Ist Haarausfall bei der Chemo ein gutes Zeichen?
Der Haarausfall bei einer Chemo lässt sich nicht als „gutes“ Zeichen deuten, sondern nur als ein Hinweis darauf, dass die Zytostatika die Haarwurzelzellen angreifen. Der Haarverlust ist eine gut bekannte Nebenwirkung der Chemotherapie. Allerdings lassen nicht alle Zytostatika die Haare im gleichen Maß ausfallen. Zudem spielt es eine Rolle, wie die Chemo verabreicht wird.
Was tun, damit die Haare bei der Chemo nicht ausfallen?
Viele stellen sich die Frage, was man tun kann, damit die Haare bei einer Chemotherapie nicht ausfallen und ob man bei einer Chemo die Haare behalten kann. Die Antwort lautet: Es gibt bisher keine wirksame Maßnahme, um den Haarverlust zu verhindern. Allerdings könnten Kühlkappen oder Kühlhauben eventuell eine Möglichkeit sein, um dem Haarausfall entgegenzusteuern.
Welche Chemotherapie verursacht Haarausfall?
Viele Arten der Chemotherapie verursachen Haarausfall als Nebenwirkung. Allerdings hängt das Ausmaß des Haarverlustes von verschiedenen Faktoren ab. Beispiele: Eingesetzte Zytostatika, Dosis, Zeitabstände bei der Chemo oder die Art der Verabreichung (zum Beispiel Infusion oder Tabletten).
- S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“, Langversion 1.3 – Februar 2020, abgerufen am 8.8.2024
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Aktuelles, Haarausfall bei Chemotherapie und Informationsblatt Haarausfall, abgerufen am 8.8.2024
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), Haarausfall bei Chemotherapie und lässt sich Haarausfall bei Chemotherapie vorbeugen?, abgerufen am 9.8.2024
- Brunner C, Emmelheinz M, Kofler R, Abdel Azim S, Lehmann M, Wieser V, Ritter M, Oberguggenberger A, Marth C, Egle D. Hair safe study: Effects of scalp cooling on hair preservation and hair regrowth in breast cancer patients receiving chemotherapy – A prospective interventional study. Breast. 2022 Aug;64:50-55. doi: 10.1016/j.breast.2022.04. 008. Epub 2022 Apr 30. PMID: 35569187; PMCID: PMC9112104
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