Unter Fatigue versteht man eine übermäßige Erschöpfung, die den gesamten Körper, die Seele und den Geist erfasst. Bis zu 85 Prozent der Menschen mit einer Krebserkrankung haben Probleme mit der Fatigue. Meist bessert sie sich mit der Zeit, aber nicht immer. Rund ein Drittel aller Langzeitüberlebenden mit Brustkrebs, Prostata- und Darmkrebs leidet noch viele Jahre nach der Krebsdiagnose unter einer ausgeprägten Fatigue, ergab eine neue Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).
Betroffene berichteten von körperlicher, geistiger und emotionaler Erschöpfung, die weit über das normale Maß hinausgeht. Eine Fatigue belastet Betroffene nicht nur erheblich im Alltag, sondern sei auch mit einem deutlich erhöhten Risiko verbunden, frühzeitig zu sterben, so das DKFZ. „Die Fatigue bleibt ein Langzeitproblem“, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt British Journal of Cancer (7/2025) veröffentlicht.
Anhaltende Fatigue bei bis zu 39 Prozent
An der Studie (CAESAR) nahmen 6.057 Menschen teil, die zwischen 1994 und 2004 an Brust-, Prostata- oder Darmkrebs erkrankt und in den Krebsregistern von sechs Bundesländern erfasst (Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) waren. Bei der Krebsdiagnose waren sie im Schnitt zwischen 20 und 75 Jahre alt. Verglichen wurde mit einer Kontrollgruppe, die nicht an Krebs erkrankt war.
Die Probandinnen und Probanden füllten einen Fragebogen zur Fatigue aus, den Fatigue Assessment Questionnaire (FAQ). Er enthält Fragen zur emotionalen, kognitiven und körperlichen Fatigue sowie zu Schlafproblemen. Die Forschungsgruppe wollte die Häufigkeit der Fatigue sowie Risikofaktoren und den Einfluss auf die Prognose beleuchten.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
- 34 bis 39 Prozent der Befragten berichteten von anhaltenden Erschöpfungssymptomen – auch noch nach 5 bis 16 Jahren. Die Fatigue blieb also über viele Jahre bestehen oder trat erneut auf. Bisher hatten Forschende angenommen, dass sich die Fatigue langsam bessert, wenn die Krebsbehandlungen abgeschlossen sind.
- Besonders oft von der langanhaltenden Fatigue waren jüngere Menschen betroffen – das Alter spielt also eine nicht unwesentliche Rolle.
- Auch die Behandlungen, allen voran die Chemotherapie, schlugen sich in der Häufigkeit der Fatigue und Ausprägung ihrer Symptome nieder.
- Personen mit niedrigem Bildungsgrad, Depressionen und mehreren Begleiterkrankungen berichteten häufiger von der Fatigue.
- Darüber hinaus trugen Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel, Übergewicht und Rauchen wesentlich zur Fatigue bei.
- Eine ausgeprägte Fatigue – vor allem körperlicher Art – war mit einem bis zu 2,4-fach erhöhten Sterberisiko verbunden war.
„Fatigue ist kein einheitliches Symptom“, erklärt Melissa Thong, die Erstautorin der Studie. „Wir konnten zeigen, dass körperliche, kognitive und affektive Fatigue unterschiedliche Risikofaktoren haben und auch verschieden stark mit der Sterblichkeit zusammenhängen.“
Fatigue über längere Zeit in der Nachsorge beobachten
Die Forschenden betonen, dass ein systematisches Fatigue-Screening im Rahmen der onkologischen Nachsorge notwendig sei, auch viele Jahre nach Abschluss der Krebsbehandlungen. „Langzeitüberlebende brauchen langfristige Betreuungskonzepte, die psychosoziale, körperliche und medizinische Aspekte integrieren“, erklärt Volker Arndt vom DKFZ, der Seniorautor der Studie. „Eine wirksame Fatigue-Therapie könnte nicht nur die Lebensqualität deutlich verbessern, sondern möglicherweise auch die Überlebenschancen erhöhen.“
Fatigue ist keine normale Müdigkeit
Fatigue ist eine sehr schwere, ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfung, die im Rahmen mehrere Erkrankungen vorkommen kann, auch bei Krebs. Mit einer normalen Müdigkeit hat eine Fatigue nicht viel zu tun. Charakteristisch ist, dass sich die Müdigkeit auch dann nicht bessert, wenn Betroffene im Alltag regelmäßige Erholungspausen einlegen und nachts genügend schlafen. Die normalen Erholungs- und Regenerationsmechanismen funktionieren bei einer Fatigue nicht so, wie sie sollen.
Menschen mit einer Fatigue fühlen sich schon nach der geringsten Anstrengung matt, erschöpft, kraftlos und ausgelaugt. Die Erschöpfung steht in keinem Verhältnis zu den vorausgegangenen Aktivitäten. Betroffene sind kaum leistungsfähig, haben wenig Antrieb, Energie, Kraft oder Motivation, zum Beispiel für Aktivitäten im Alltag, ihren Beruf oder Hobbys. Diesen Zustand der lähmenden Müdigkeit erleben sie nahezu jeden Tag. Daher kann eine Fatigue den Alltag, das Wohlbefinden, die Lebensqualität und die Lebensfreude entscheidend beeinträchtigen.
- Thong, M.S.Y., Doege, D., Koch-Gallenkamp, L. et al. Fatigue in long-term cancer survivors: prevalence, associated factors, and mortality. A prospective population-based study. Br J Cancer (2025). https://doi.org/10.1038/s41416-025-03116-z ,abgerufen am 11.9.2025
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Pressemitteilung: Fatigue bleibt ein Langzeitproblem auch nach überstandener Krebserkrankung, abgerufen am 11.9.2025
- Deutsche Fatigue Gesellschaft, abgerufen am 11.9.2025
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