Wirbelsäulenmetastasen bei Brustkrebs

Wirbelsäulenmetastasen
© iStock / KatarzynaBialasiewicz

Eine vor einigen Jahren entwickelte Behandlungsmethode, die sogenannte intraoperative Strahlentherapie (IORT) bietet die Möglichkeit, Wirbelsäulenmetastasen gezielter zu behandeln.  

Knochenmetastasen können bei Brustkrebs vorkommen, wenn die Erkrankung weiter fortschreitet. Oft bilden sie sich in der Wirbelsäule. Die Behandlung hängt davon ab, welche Knochen betroffen sind, wie groß die Metastasen sind und welche Beschwerden auftreten. Möglich sind lokale und systemische Behandlungen der Metastasen. Letztere wirken im gesamten Körper. 

Sind viele, aber eher kleinere Knochenmetastasen vorhanden,  kommt meist zunächst eine systemische Behandlung zum Einsatz. Dies kann eine Chemotherapie, Antihormontherapie oder eine Kombination aus Bisphosphonat- und Antikörpertherapie sein. Intensivere Beschwerden aufgrund der Metastasen in der Wirbelsäule kann eine Strahlentherapie (Radiotherapie) lindern. Sie bremst das Wachstum der Metastasen und stabilisiert den Knochen.  

Vor einigen Jahren wurde eine besondere Variante der Bestrahlung entwickelt, die Intraoperative Strahlentherapie (IORT). Sie kommt schon länger bei der Behandlung von Brustkrebs zum Einsatz. Auch Wirbelsäulenmetastasen lassen sich mittels IORT gezielter behandeln. Die sogenannte „Kypho-IORT“ kann nicht nur  Beschwerden behandeln und den Tumor kontrollieren, sondern auch die Wirbel stabilisieren. Dies geschieht durch einen sehr kleinen Schnitt von einem bis zwei Zentimeter. 

Mamma Mia! sprach mit Prof. Dr. Udo Obertacke und Prof. Dr. Frank Giordano vom Universitätsklinikum Mannheim, die diese Methode als interdisziplinäres Team (Chirurg/Strahlentherapeut) mit entwickelten. 

 

Mamma Mia!: Herr Prof. Obertacke, Herr Prof. Giordano, wann kommt die Kypho-IORT zum Einsatz? Bei welchen Patienten ist sie sinnvoll? 

Prof. Dr. Udo Obertacke: Oft sehen wir Patienten und Patientinnen in den Tumorboards, bei denen gleichzeitig schmerzhafte und instabile Metastasen der Wirbelsäule und wachsende Metastasen in den Organen wie zum Beispiel der Leber oder der Lunge vorliegen. Man steht dann vor der schwierigen therapeutischen Entscheidung, ob man zuerst Leber und Lunge mit einer Chemotherapie behandeln soll und die Patientin dadurch noch längere Zeit Knochenschmerzen hat. Oder ob man zuerst die Knochen behandelt und dabei möglicherweise die Erkrankung in Leber oder Lunge fortschreitet.  

Wir haben daher versucht, ein Verfahren zu entwickeln, welches minimal-invasiv und kurzstationär durchgeführt werden kann und zu einer schnellen Stabilisierung und Schmerzreduktion von Wirbelsäulenmetastasen führt. Bei der so genannten Kypho-IORT wird in Narkose über einen kleinen Hautschnitt eine etwa sechs Millimeter dicke Kanüle in den Wirbelkörper eingebracht. Durch diese Kanüle erfolgt die einmalige hochdosierte Bestrahlung mit dem Intrabeam-Gerät, und anschließend wird der Wirbelkörper mit Knochenzement stabilisiert. Die Patienten können die Klinik schon am nächsten Tag verlassen. Überwiegend wird das Verfahren bei Patientinnen eingesetzt, bei denen einige wenige Wirbelkörper befallen sind und Schmerzen sowie eine Bruchgefahr bestehen. 

Mamma Mia!: Wird sie nur in Mannheim angeboten oder gibt es schon andere Kliniken, die diese Methode durchführen? 

Prof. Dr. Frank Giordano: Das Verfahren wird seit einigen Jahren in Mannheim eingesetzt. Inzwischen wurden mehrere Kliniken, sogar weltweit, in diesem Verfahren ausgebildet, wobei in Deutschland am Uniklinikum Greifswald und in Gummersbach auch schon mit dem klinischen Einsatz begonnen wurde.

Mamma Mia!: Müssen Betroffene, für die dieser Eingriff in Frage kommt, mit langen Wartezeiten rechnen?  

Prof. Dr. Frank Giordano: Nein, allerdings benötigen die Vorbereitung und Aufarbeitung der Unterlagen einige Tage, ebenso wie die Terminabstimmung mit den verschiedenen Behandlungsteams, sodass die Therapie circa ein bis zwei Wochen nach der Anmeldung erfolgen kann. 

Mamma Mia!: Übernehmen die Krankenkassen die Kosten für dieses Verfahren? 

Prof. Dr. Frank Giordano: Die Techniker Krankenkasse bietet das Verfahren im Rahmen des Programms „Spitzenmedizin“ an. Bei anderen gesetzlich versicherten Patienten erfolgt die Therapie überwiegend unter Studienbedingungen. Dies soll aber keine Patientin abhalten, eine Eigenzahlung ist nicht erforderlich. 

Mamma Mia!: Wie sieht die Zukunft aus? Wird dieses Verfahren in die Regelversorgung eingebaut werden 

Prof. Dr. Frank Giordano: Wir sehen national und international ein großes Interesse an diesem Verfahren, da wir mittlerweile in diversen Publikationen nachweisen konnten, dass die Schmerzreduktion bereits am ersten Tag nach dem Eingriff bei fast allen Patientinnen zu beobachten ist. Wir haben bereits mehr als 20 andere Kliniken in diesem Verfahren in einem speziellen Trainingsprogramm geschult, so dass wir von einer zunehmenden Verbreitung ausgehen.  

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Prof. Dr. med. Udo Obertacke 

Prof. Dr. med. Frank Giordano 

Universitätsmedizin Mannheim 

Theodor-Kutzer-Ufer 1–3 

68167 Mannheim 

 

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