Polymedikation – viele Medikamente zugleich

Redaktion Mamma Mia!

Polymedikation
© iStock / Mykola Sosiukin
Bei einer Polymedikation nehmen Menschen mehrere Arzneimittel gleichzeitig ein. Dies kann einige Risiken bergen. Ein Medikamentencheck und ein Medikationsplan können Abhilfe schaffen.

Polymedikation bedeutet, dass ein Mensch parallel und dauerhaft mehrere Medikamente einnimmt oder anwendet. Je nach Definition sind es drei bis fünf Arzneimittel und mehr. Andere Begriffe für die Polymedikation sind Multimedikation oder Polypharmazie. Ungefähr jede vierte Person in der Bundesrepublik Deutschland nimmt permanent mehr als drei Arzneimittel ein, berichtet die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (ABDA).

Vor allem bei Menschen mit einer Krebserkrankung wie Gebärmutterkrebs stehen oft viele verschiedene Arzneimittel auf dem Medikationsplan. Sie sollen das Krebswachstum bekämpfen und das Fortschreiten eines Tumors bremsen. Manche Arzneien sollen auch die Nebenwirkungen der Krebstherapien lindern (supportive Therapien).

Manchmal haben Menschen mit einer Krebserkrankung noch weitere Erkrankungen, die behandlungsbedürftig sind und gegen die sie Medikamente einnehmen müssen. Dies gilt vor allem für ältere Menschen. Sie leiden zum Beispiel oft zusätzlich unter Bluthochdruck, erhöhten Blutfetten, der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus oder Herzerkrankungen. Diese Krankheiten betreffen sehr viele Menschen und gelten daher als „Volkskrankheiten“.

Polymedikation betrifft besonders Ältere

Die Polymedikation ist vor allem bei älteren Menschen ein größeres Thema. Laut ABDA nehmen in Deutschland etwa 42 Prozent der über 65-Jährigen fünf oder mehr rezeptpflichtige Arzneistoffe ein. Rezeptfreie Medikamente, die freiverkäuflich in Apotheken erhältlich sind, seien in dieser Zahl noch gar nicht berücksichtigt. Jede dritte Person zwischen 75 und 80 Jahren nehme sogar mehr als acht Medikamente pro Tag ein. Bei älteren Menschen sei außerdem das Risiko höher, dass ein Medikationsfehler Krankheitssymptome auslöse, die wiederum eine Behandlung notwendig machten, oft sogar im Krankenhaus.

Einige Zahlen dazu:

  • Zirka 6,5 Prozent der Besuche in deutschen Notaufnahmen seien auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zurückzuführen. Dies ergab eine Studie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) im Rahmen des Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS).
  • 34 Prozent der untersuchten Patientinnen und Patienten zeigten bei der Aufnahme ins Krankenhaus Nebenwirkungen ihrer Arzneimitteltherapie.
  • Nur 29 Prozent dieser Nebenwirkungen wurden als unvermeidbar
  • Die übrigen 71 Prozent der Nebenwirkungen müssten als Folge von Medikationsfehlern angesehen werden, so der Bericht.

Welche Probleme gibt es bei der Polymedikation?

Eine Polymedikation kann zu verschiedenen Problemen im gesamten Medikationsprozess führen. Dieser beginnt in der Regel bei Ärztinnen und Ärzten, die ein Medikament verschreiben, und endet bei Patientinnen und Patienten, die es einnehmen.

Bei der Einnahme oder Anwendung vieler verschiedener Medikamente können Fehler passieren. Manche vergessen die Einnahme, nehmen es zum falschen Zeitpunkt, in der falschen Dosierung (Über- oder Unterdosierung) oder verwechseln Medikamente miteinander. Dies kann verschiedene Folgen haben. Das Medikament kann zum Beispiel zu stark oder zu schwach wirken. Dann können sich neue Krankheitssymptome entwickeln oder die Erkrankung, gegen die das Medikament eigentlich helfen soll, verschlimmert sich.

Was ist bei Polymedikation zu beachten?

Bei einer Polymedikation müssen Ärztinnen, Ärzte und Fachleute in der Apotheke die möglichen Wechselwirkungen und Nebenwirkungen aller Medikamente sorgfältig im Blick behalten. Geprüft wird vor der Verschreibung und Abgabe von Medikamenten, ob sie miteinander verträglich sind.

Jedes Medikament besitzt potenzielle Nebenwirkungen, und mit jedem weiteren Medikament steigt das Risiko für solche unerwünschten Wirkungen. Arzneimittel können zum Beispiel Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel oder Übelkeit hervorrufen. Mögliche Folgen können Stürze sein, die vor allem für ältere Menschen gravierende Auswirkungen (zum Beispiel Oberschenkelhalsbrüche) haben können.

Außerdem können Medikamente im Körper verschiedene Wechselwirkungen entfalten. Dann kann sich zum Beispiel die Wirkung eines Arzneimittels vermindern beziehungsweise verstärken und es kann sogar Schaden anrichten. Alle Arzneimittel, die ein Mensch einnimmt, müssen daher gut aufeinander abgestimmt sein und zueinander passen.

Auch Sie selbst können etwas dazu beitragen, Anwendungsfehler und somit gesundheitliche Risiken zu vermeiden. Einige Tipps:

  • Achten Sie darauf, alle Medikamente richtig, regelmäßig, in der richtigen Dosis und zum richtigen Zeitpunkt (zum Beispiel morgens oder abends – wie in der Packungsbeilage angegeben) einzunehmen beziehungsweise anzuwenden. Manchmal kann dies schwierig sein, wenn etwa die Medikation umgestellt oder von einem Präparat auf ein anderes gewechselt wird, etwa auf ein anderes Generikum.
  • Beachten Sie auch immer die Namen von Arzneimitteln. Sie können ähnlich klingen und manche Tabletten sehen sich zum Verwechseln ähnlich (sogenannte „Lookalikes und (and) Soundalikes“, LASA).
  • Besprechen Sie mit Ihrem onkologischen Behandlungsteam auch jene Medikation, die Sie unabhängig von Ihrer Krebserkrankung Dies können zum Beispiel Medikamente gegen Bluthochdruck, eine Herzerkrankung oder die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus sein.

Medikamentencheck: Beratung in der Apotheke bei Polymedikation

Für Menschen mit einer Polymedikation gibt es das Angebot eines Medikamentenchecks in der Apotheke („erweiterte Medikationsberatung“). Diese können Sie alle zwölf Monate kostenlos wahrnehmen – unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Sie nehmen regelmäßig und dauerhaft mindestens fünf ärztlich verordnete Medikamente ein.
  • Diese Arzneimittel wirken systemisch, also im gesamten Körper. Auch wenn Sie dauerhaft Mittel zum Inhalieren (Inhalativa) anwenden, können Sie Ihre gesamte Medikation pharmazeutisch überprüfen lassen, einschließlich der Selbstmedikation (zum Beispiel freiverkäufliche Mittel ohne Rezept).
  • Auch wenn Sie in einer Alten- oder Pflegeeinrichtung leben, haben Sie einen Anspruch auf die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation, wenn Sie die Voraussetzungen erfüllen.

 

Apotheken prüfen unter anderem auf Doppelmedikation, Interaktionen, Anwendungsprobleme und die Therapietreue (Adhärenz oder engl. Compliance) in einem persönlichen Gespräch. Sie berücksichtigen bei ihrer Beratung auch Daten aus der Apotheke, von Medikationsplänen und Arztberichten (mitbringen!). Bei möglichen Problemen in der Arzneimitteltherapie erhalten Sie Lösungsvorschläge und einen aktualisierten Medikationsplan am Ende des Beratungsgesprächs. Auch Ihre Ärztin oder Ihr Arzt bekommt den neuen Arzneimittelplan und einen Bericht (Ihr Einverständnis vorausgesetzt).  

Nach zwölf Monaten können Sie den Medikamentencheck erneut wahrnehmen. Die Überprüfung ist jedoch auch zu einem früheren Zeitpunkt möglich, wenn sich Ihre Medikation erheblich verändert. Dies ist der Fall, wenn mindestens drei neue Medikamente hinzukommen oder durch andere Präparate ausgetauscht werden.

Erweiterte Medikationsberatung
Medikamente

Wer hat Anspruch?

Fünf und mehr Medikamente dauerhaft

Kalender

Wie oft?

Alle 12 Monate, in manchen Fällen auch häufiger

Euro

Wer trägt die Kosten?

Die gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen

Medikationsfehler passieren vor allem bei der Dosierung

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wertet Fehler bei der Medikation schon seit dem Jahr 2014 systematisch aus. Es gibt inzwischen verschiedene Meldesysteme, um Medikationsfehler an das BfArM zu übermitteln.

Einige Zahlen und Informationen dazu:

  • Jährlich gehen beim BfArM rund 000 Meldungen zu Medikationsfehlern ein (Stand 2022).
  • Die Tendenz ist steigend. Im Schnitt erhöht sich die Anzahl der Direktmeldungen um etwa 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
  • Medikationsfehler können im gesamten Medikationsprozess vorkommen, zum Beispiel bei der Verordnung, Abgabe oder Anwendung des Arzneimittels.
  • Am häufigsten sind jedoch Dosierungsfehler. Sie machen etwa 40 Prozent der Meldungen an das BfArM aus. Dosierungsfehler können an verschiedenen Stellen des Medikationsprozesses entstehen, zum Beispiel bei der Zubereitung des Arzneimittels oder bei der Einnahme. Manchmal liegt der Fehler auch schon bei der Verschreibung oder Abgabe des Medikaments. Ein Dosierungsfehler kann eine Überdosierung oder Unterdosierung der Arznei bedeuten. Beides kann unerwünschte Folgen nach sich ziehen, zum Beispiel einen Aufenthalt im Krankenhaus.

(Elektronischer) Medikationsplan kann Fehler vermeiden helfen

Ein Medikationsplan kann dabei mithelfen, den Überblick zu behalten und eventuelle Risiken aufgrund der Medikamenteneinnahme zu vermindern. Seit dem Jahr 2016 ist der bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) erhältlich. Inzwischen gibt es den elektronischen Medikationsplan (eMP), eine Weiterentwicklung des BMP. Die Informationen werden auf der Gesundheitskarte (Chipkarte der Versicherten) gespeichert und sind so für alle am Medikationsprozess beteiligten Personen mit Ihrer Zustimmung leicht zugänglich. Der eMP lässt sich aber auch analog auf Papier ausdrucken.

Wenn Sie mindestens drei ärztlich verordnete, systemisch wirkende Arzneimittel gleichzeitig einnehmen oder anwenden und die Anwendung dauerhaft (für mindestens 28 Tage) geschieht, haben Sie einen Anspruch auf einen Medikationsplan. Dort werden alle Arzneimittel, die Sie einnehmen oder anwenden, erfasst. So lässt es sich schneller erkennen, wenn es unerwünschte Wechselwirkungen gibt.

Im (elektronischen) Medikationsplan sind folgende Informationen festgehalten:

  • Name und Geburtsdatum der Patientin oder des Patienten
  • Handelsname des Medikaments
  • Wirkstoffe und Wirkstärke
  • Darreichungsform, zum Beispiel Tablette, Kapsel, Granulat, Lösung
  • Zeitpunkte und Menge der Einnahme
  • Besondere Hinweise zur Einnahme
  • Grund für die Verschreibung des Medikaments (Krankheiten)
  • Unverträglichkeiten, etwa gegenüber einem Antibiotikum, Narkosemittel oder Nahrungsmittel
  • Kontaktdaten des ausstellenden Arztes und Datum der Ausstellung
  • Freiverkäufliche Medikamente
  1. ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.,: Broschüre Zahlen, Daten und Fakten 2024 und Versorgungsfragen, Polymedikation und Faktenblatt Polymedikation, abgerufen am 26.1.2025
  2. Deutsches Ärzteblatt, News: zu viele Medikamente im Alter, abgerufen am 14.2.2024
  3. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Aktuelles: Medikationsfehler verhindern, abgerufen am 26.1.2025
  4. Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Aktionsplan 2021–2024
    des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland, abgerufen am 27.1.2025
  5. Gelbe Liste, Arzneimittelsicherheit, Polymedikation, abgerufen am 27.1.2025
  6. Stiftung Gesundheitswissen, Medikamente: wann und warum der Medikationsplan wichtig ist, abgerufen am 27.1.2025
  7. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Medikationsplan, abgerufen am 27.1.2025

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