Mamma Mia › Gebärmutterkrebs › Was ist das Cowden-Syndrom?
Definition und Häufigkeit
Das Cowden-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die vererbt wird. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass nur ungefähr 1 von 200.000 Personen daran erkranken. Die Häufigkeit ist also im Vergleich zu vielen anderen Krankheiten niedrig. Daher zählt das Cowden-Syndrom auch zu den „seltenen Erkrankungen“ (engl. orphan diseases). Wenn das Cowden-Syndrom im Zusammenhang mit einer Keimbahn-PTEN-Mutation auftritt, gehört es per Definition zur Gruppe der sogenannten „PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrome“ (PHTS).
- Die Abkürzung PTEN steht für „Phosphatase und Tensin homolog“-Gen.
- Dieses Gen ist auf dem Chromosom 10 lokalisiert und zählt zu den sogenannten Tumorsuppressorgenen. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation des Zellwachstums.
- Im PTEN-Gen ist der Bauplan für ein spezielles Eiweiß verschlüsselt, die Protein-Tyrosin-Phosphatase (PTEN). Das Eiweiß hemmt Signale für die Zellteilung sowie das Zellwachstum und hilft dabei mit, dass der Zelltod eintritt.
- Funktioniert dieses Protein jedoch nicht richtig, können sich Zellen verstärkt teilen und vermehren – gutartige wie bösartige Zellen.
Prinzipiell kann das Cowden-Syndrom in jedem Lebensalter auftreten, aber meist zeigt es sich zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Männer und Frauen sind ungefähr gleich oft betroffen.
Erstmals beschrieben hatten das Cowden-Syndrom Dr. Kenneth M. Lloyd und Dr. Macey Dennis im Jahr 1963. Der Name der Erkrankung geht auf die Patientin Rachel Cowden zurück, bei der sie die Symptome zuerst beobachtet hatten.
Typisch für das Cowden-Syndrom sind sogenannte Hamartome. Das sind gutartige Fehlbildungen des Gewebes. Die Anordnung und Struktur der Gewebe weichen vom „Normalfall“ ab. Diese Gewebefehlbildungen sind angeboren. Die Ursache sind meist Fehler während der Embryonalentwicklung. Es können verschiedene Gewebe betroffen sein, zum Beispiel des Gehirns, der Haut, Schilddrüse, Gebärmutter oder des Magen-Darm-Traktes. Häufige Arten von Hamartomen sind:
- Lipome – gutartige Tumoren aus Fettzellen
- Fibrome – gutartige Hautveränderungen aus Bindegewebe
- Hämangiome – gutartige Tumoren aus Blutgefäßen
- Polypen im Magen-Darm-Trakt – gutartige Wucherungen der Schleimhaut
Die Tumoren sind beim Cowden-Syndrom aber nicht nur gutartig, sondern können auch bösartig sein. Betroffene besitzen ein erhöhtes Risiko verschiedene Krebsarten. Dazu gehören Brustkrebs, Gebärmutterkrebs, Schilddrüsenkrebs, Nierenkrebs, Darmkrebs oder schwarzer Hautkrebs (malignes Melanom).
Ursachen des Cowden-Syndroms
Die Ursachen des Cowden-Syndroms liegen in den Genen. Das Portal Orphanet schätzt, dass ungefähr 25 Prozent der Fälle beim Cowden-Syndrom auf eine Keimbahnmutation im PTEN-Gen zurückgehen. Keimbahnmutation bedeutet, dass die genetische Veränderung in den Keimzellen – den Eizellen oder Spermien – vorhanden ist. Die Mutation befindet sich dann in allen Zellen und wird von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Dagegen sind Mutationen in den Körperzellen – sogenannte somatische Mutationen – nicht vererbbar. Sie sind nur in jenen Zellen vorhanden, die durch Zellteilung aus der veränderten Zelle hervorgehen. Somatische Mutationen können im Laufe des Lebens entstehen.
- Der Erbgang, nachdem das Cowden-Syndrom vererbt wird, heißt „autosomal-dominant“. Das heißt: Die Veränderung muss nur auf einem Autosom (einem Chromosom, das kein Geschlechtschromosom X oder Y ist) vorhanden sein.
- Kinder haben eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, das defekte Gen von einem betroffenen Elternteil zu erben.
Weitere mögliche Ursachen und genetische Veränderungen beim Cowden-Syndrom, an denen das PTEN-Gen nicht beteiligt ist, sind zum Beispiel:
- Keimbahnveränderung im KLLN-Gen (ca. 30 Prozent der Fälle): Das KLLN-Gen enthält die Informationen für die Herstellung eines Eiweißes namens „Killin“. Dieses kann Zellen dazu anregen, sich selbst zu zerstören (programmierter Zelltod oder Apoptose). Somit spielt es eine Rolle bei der Tumorentstehung.
- Keimbahn-Genvarianten der Gene SDHB, SDHC oder SDHD (ca. 10 Prozent der Fälle): Diese Gene helfen normalerweise dabei mit, dass keine bösartigen Tumoren entstehen.
- Keimbahn-Mutationen in den Genen AKT1 und PIK3CA (ungefähr 10 Prozent der Fälle): AKT1 enthält den Bauplan für das Enzym Proteinkinase B. Im PIK3CA-Gen ist die Bauanleitung für das Enzym Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K) verschlüsselt. Beide Enzyme sind am Zellwachstum und der Zellteilung beteiligt.
Typische Symptome und Anzeichen
Die Symptome beim Cowden-Syndrom können sehr verschieden und individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein. So können sich die Gewebeveränderungen im Körper an verschiedenen Organen zeigen, beispielweise an der Haut, Schilddrüse oder im Magen-Darm-Trakt. Sie können gutartig, aber auch bösartig sein. Die wichtigsten Anzeichen für das Cowden-Syndrom im Überblick.
Haut- und Schleimhautveränderungen
Haut- und Schleimhautveränderungen (mukokutane Veränderungen) sind oft die ersten Symptome, die auf ein Cowden-Syndrom hindeuten. Sie treten bis zum 30. Lebensjahr in bis zu 100 Prozent der Fälle auf, berichtet die Leitlinie zum PTEN Hamartom Tumor Syndrom im Kindes- und Jugendalter.
- Trichilemmome: Gutartige Hauttumoren, die sich besonders oft im Gesicht bilden, zum Beispiel um die Augen, Nase und den Mund herum.
- Papillome/Papeln: Veränderungen an den Schleimhäuten, die wie Knötchen oder Warzen aussehen. Sie können beispielsweise im Mund (orale Papillomatosen) oder an den Genitalien entstehen.
- Hautverdickungen, die sich an den Händen und Füßen bilden, sogenannte akrale Keratosen (Akren = die Enden des Körpers)
- Wucherungen des Zahnfleischs (Gingivahyperplasien)
- Fleckförmige Lentiginose bei Männern: Braune Flecken am Penis, weil die melaninbildenden Zellen der Haut (Melanozyten) zu viele Pigmente bilden.
- Melanom: Das Risiko für schwarzen Hautkrebs ist erhöht
Veränderungen am Gehirn
Makrozephalie: Dabei sind der Schädel und das Gehirn deutlich vergrößert, ohne dass der Hirndruck erhöht ist. Makrozephalie und (selten) veränderte Gesichtszüge sind schon bei der Geburt sichtbar.
Veränderungen im Magen-Darm-Trakt
Bei bis zu 95 Prozent der Patientinnen und Patienten zeigen sich Symptome im Magen-Darm-Trakt. Im gesamten Verdauungstrakt (Magen, Dünndarm, Dickdarm) können sich Polypen bilden. Das sind Wucherungen der Schleimhaut, die zunächst gutartig sind. Polypen können jedoch entarten und zu Krebs führen. Bei einem Cowden-Syndrom ist das Risiko für Dickdarm- und Enddarmkrebs (kolorektale Karzinome) erhöht. Das Lebenszeitrisiko wird auf 9 bis 16 Prozent geschätzt. Ein Dickdarmkrebs entsteht oft um das 50. Lebensjahr herum.
Veränderungen der Brust
- Gutartige Veränderungen der Brust: Ein Beispiel ist die fibrozystische Mastopathie. Dabei ist das Bindegewebe vermehrt und die Brust ist mit vielen flüssigkeitsgefüllten Zysten durchsetzt. Die Brust fühlt sich meist hart und knotig an. Auch Fibroadenome, bei denen das Bindegewebe vermehrt ist, kommen häufiger vor.
- Brustkrebs: Frauen mit einem Cowden-Syndrom haben ein deutlich erhöhtes Brustkrebsrisiko. Fachleute schätzen das Risiko, irgendwann im Leben an Brustkrebs zu erkranken, auf bis zu 85 Prozent. Auch bei Männern gab es vereinzelte Fälle von Brustkrebs.
Veränderungen der Schilddrüse
Veränderungen der Schilddrüse sind ein häufiges Symptom beim Cowden-Syndrom.
- Es können sich gutartige Knoten, ein Kropf (Struma) oder eine Autoimmunerkrankung entwickeln, die sich gegen die Schilddrüse richtet – bis zu 75 Prozent der Menschen mit Cowden-Syndrom entwickeln solche Erkrankungen.
- Darüber hinaus haben Betroffene ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs. Es wird mit 21 bis 38 Prozent beziffert. Meist handelt es sich um follikuläre (von den follikelbildenden Zellen ausgehend), selten um papilläre Schilddrüsenkarzinome (von den Follikelepithelzellen ausgehend, welche die Schilddrüsenhormone herstellen und speichern). Schilddrüsenkrebs kann schon im Kindesalter auftreten. Fachleute vermuten, dass dieses Krebsrisiko schon von Geburt an besteht und das gesamte Leben lang erhalten bleibt.
Veränderungen der Gebärmutter
- Bei Frauen sind gutartige Myome der Gebärmutter häufig, die von der glatten Gebärmuttermuskulatur ausgehen.
- Zudem ist die Wahrscheinlichkeit für Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom) erhöht. Das Lebenszeitrisiko für Gebärmutterkrebs liegt beim Cowden-Syndrom zwischen 19 und 28 Prozent.
Veränderungen der Nieren
Bei einem Cowden-Syndrom können Nierenzysten, gutartige Tumoren und selten Nierenkrebs entstehen.
Veränderungen der Hoden
Männer können an gutartigen Hodentumoren erkranken, einer Lipomatose. Dabei vermehrt sich Fettgewebe übermäßig.
Diagnostik: Wie wird das Cowden-Syndrom festgestellt?
Zur Diagnose des Cowden-Syndroms ziehen Ärztinnen und Ärzte verschiedene Instrumente heran: Klinische Kriterien wie die Symptome, Beschwerden und Krankheiten, die Familiengeschichte und eine genetische Testung.
Das National Comprehensive Cancer Network (NCCN) veröffentlicht regelmäßig Diagnosekriterien für das Cowden Syndrom/PHTS. Auch die Kriterien des Internationalen Cowden-Konsortiums bieten Orientierung für die Diagnostik. Aufgelistet sind mehrere Haupt- und Nebenkriterien (Major- und Minorkriterien).
Hauptkriterien | Nebenkriterien |
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Die Diagnose Cowden-Syndrom lässt sich stellen, wenn ein Patient die typischen Haut- und Schleimhautveränderungen, zwei oder mehr Hauptkriterien, ein Haupt- und drei oder mehr Nebenkriterien oder vier und mehr Nebenkriterien auf sich vereint.
Differenzialdiagnostik
Das Cowden-Syndrom müssen Ärztinnen und Ärzte von anderen Erkrankungen abgrenzen, die mit ähnlichen Symptomen und Veränderungen einhergehen. Dazu zählen zum Beispiel folgende seltene, erblich bedingte Erkrankungen:
- Juveniles Polyposis-Syndrom: Eine Erkrankung, bei der sich im gesamten Magen-Darm-Trakt Polypen bilden können. Das Risiko für Magen- und Darmkrebs ist erhöht.
- Peutz-Jeghers-Syndrom: Eine Erkrankung, bei der sich Polypen im Magen-Darm-Trakt entwickeln. Zudem entstehen Pigmentflecken auf der Schleimhaut von Lippen und Wangen.
- Birt-Hogg-Dube-Syndrom: Typisch für Erkrankung sind Hautveränderungen, Zysten in der Lunge und ein erhöhtes Risiko für Nierentumoren.
- Gorlin-Syndrom: Wichtige Kennzeichen sind früh auftretende Basalzellkarzinome (weißer Hautkrebs), zahlreiche Zysten im Kiefer und Skelettveränderungen.
- Neurofibromatose Typ 1: Hier treten gut- und bösartige Tumoren auf, vor allem der Haut und des Nervensystems, aber auch der Brust. Typisch sind gutartige Tumoren, die oft als Hautknoten sichtbar werden. Sie gehen von den Umhüllungen der Nerven aus und heißen daher Neurofibrome.
Genetische Beratung und Pränataldiagnostik
Das Cowden-Syndrom wird autosomal-dominant vererbt. Die Wahrscheinlichkeit beträgt 50 Prozent, dass ein Kind den Gendefekt erbt. Eine genetische Analyse kann zeigen, ob eine Person die Mutation im PTEN-Gen trägt oder nicht. Ärztinnen und Ärzte sollten betroffenen Familien und Verwandten eine genetische Beratung anbieten. Diese ist vor und nach dem Test sehr wichtig, weil das Testergebnis auch auf andere Familienmitglieder Auswirkungen hat. Eine Diagnose vor der Geburt im Rahmen der Pränataldiagnostik ist bei Risikoschwangerschaften möglich, wenn die krankheitsauslösende Mutation bei einem betroffenen Familienmitglied gefunden wird.
Cowden-Syndrom behandeln
Es ist nicht möglich, die Ursache des Cowden-Syndroms – das veränderte Gen – zu behandeln. Eine Heilung der Erkrankung ist daher derzeit nicht möglich. Die Behandlung hängt daher von den jeweiligen Symptomen und vom individuellen Krankheitsbild ab.
An der Therapie des Cowden-Syndroms sind Ärztinnen und Ärzte mehrerer Fachdisziplinen beteiligt. Dazu gehören unter anderem Fachleute aus der Kinder- und Jugendmedizin (Pädiatrie), Dermatologie, Gastroenterologie (Magen-Darm), Onkologie, Neurologie, Endokrinologie und Gynäkologie. Auch eine psychologische und soziale Betreuung ist wichtig, weil das Wissen um eine genetische Erkrankung sowie die Krankheit selbst seelische Belastungen mit sich bringen können.
Geforscht wird an Medikamenten, die womöglich in bestimmten Fällen helfen könnten. Ein Beispiel sind Medikamente aus der Gruppe der mTOR-Hemmer, die das Zellwachstum beeinflussen. Allerdings wissen Ärztinnen und Ärzte noch nicht genügend darüber, ob und inwieweit solche Medikamente wirksam ein könnten. Sie kommen daher nur im Rahmen von klinischen Studien zum Einsatz. Eine chirurgische Behandlung kann zum Beispiel bei Veränderungen der Haut, Schilddrüse oder des Darms helfen. Auch bei Krebserkrankungen wie Gebärmutterkrebs ist die Operation und Entfernung von Tumoren eine wesentliche Behandlungsstrategie.
Besonders wichtig sind das Management, die Kontrolle und die Überwachung des Cowden-Syndroms. So sind regelmäßige Früherkennungs- und Vorsorgemaßnahmen unabdingbar, um eine mögliche Krebserkrankung frühzeitig zu finden und zu behandeln.
Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Kontroll- und Früherkennungsuntersuchungen:
Untersuchung | Beschreibung |
Körperliche Untersuchung |
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Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse |
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Magen-/Darmspiegelung (Gastro-/Koloskopie) |
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Nierenuntersuchung (Ultraschall, MRT) |
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(Selbst)abtasten der Brust |
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MRT der Brust |
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Gynäkologische Untersuchung |
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Ultraschall der Hoden/innere Genitalien |
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MRT des Schädels |
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Die Prognose bei Cowden-Syndrom ist günstig. Wenn eventuelle Krebserkrankungen wie Brust-, Gebärmutter-, Darm- oder Schilddrüsenkrebs frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden, ist die Lebenserwartung annähernd normal.
- S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und –diabetologie (DGKED) zur Diagnostik und Management von Patienten mit PTEN Hamartom Tumor Syndrom (PHTS) im Kindes- und Jugendalter, abgerufen am 23.4.2025
- American Cancer Society (ACS), Family Cancer Syndromes, Cowden Syndrome, abgerufen am 23.4.2025
- National Library of Medicine (NLM), MedlinePlus, Genetics, Condition, Cowden Syndrome, abgerufen am 24.4.2025
- Orphanet, Cowden Syndrome, abgerufen am 23.4.2025
- Altmeyer‘s Enzyklopädie, Dermatologie, Cowden Syndrome, abgerufen am 24.4.2025
- Craig Garofola; Zohaib Jamal; Gary P. Gross. Cowden Disease, abgerufen am 24.4.2025
- MGZ München, Erkrankungen, Diagnose, Cowden Syndrom, abgerufen am 24.4.2025
- Cleveland Clinic, Health, Diseases, Cowden Syndrom, abgerufen am 24.4.2025
NP-DE-AOU-WCNT-250008 (05/25)
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