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Triple-negativer Brustkrebs

Medikamente zur Behandlung einer Erkrankung
© iStock / zozzzzo

Der triple-negative, also dreifach-negative, Tumor hat weder HER2-, noch Östrogen- oder Progesteronrezeptoren. Das bedeutet, dass es wenig Angriffspunkte gibt, um ihn zu behandeln. Während er lange Zeit als kaum therapierbar galt, gibt es viele neue Therapieansätze, die Hoffnung machen. Mamma Mia! sprach mit Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Essen, über die verschiedenen Therapieoptionen.

Mamma Mia!: Frau Prof. Kolberg-Liedtke, wie häufig ist der triple-negative Brustkrebs? Gibt es Patientengruppen, in denen er besonders häufig vorkommt?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Das triple-negative Mammakarzinom betrifft etwa 10 bis 15 Prozent aller Patientinnen, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wird. Dies ist aber lediglich ein Durchschnittswert – in der Tat gibt es beispielsweise eine deutliche Altersabhängigkeit. Dies bedeutet, dass insbesondere jüngere Patientinnen eher an einem triple-negativen Brustkrebs erkranken, bei älteren Patientinnen ist diese Brustkrebsform verhältnismäßig selten. Darüber hinaus besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem triple-negativen Brustkrebs und Mutationen des BRCA1-Gens. Patientinnen mit Mutationen des BRCA1-Gens erkranken sehr häufig an einem triple-negativen Brustkrebs.

Eigenschaften des triple-negativen Tumors

Mamma Mia!: Was ist typisch für triple-negative Tumoren? Ist es richtig, dass diese Tumorart sehr aggressiv ist?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Ja, das ist generell richtig. Es besteht bei dieser Erkrankung eine höhere Rezidivwahrscheinlichkeit als bei anderen Tumorarten – und wenn Rezidive auftreten, so werden sie in der Regel schon nach kurzer Zeit diagnostiziert. Auch ein Fortschreiten der Krankheit in Form von Metastasen, insbesondere an inneren Organen, ist häufiger als bei anderen Tumoren. Somit haben diese Patienten im Vergleich zu anderen Betroffenen eine eher schlechtere Prognose.

Therapie beim triple-negativen Brustkrebs

Mamma Mia!: Umso wichtiger ist ja, dass die Betroffenen richtig behandelt werden. Welche Behandlungsstrategien stehen derzeit bei der Ersterkrankung zur Verfügung?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Nach wie vor bleibt die Chemotherapie die wichtigste etablierte Therapieoption für Patientinnen mit triple-negativem Brustkrebs. Diese wird üblicherweise noch vor der Operation („neoadjuvant“) eingesetzt. Lange ist in verschiedenen Studien untersucht worden, ob bei diesen Patientinnen andere Chemotherapie-Kombinationen eingesetzt werden sollten als bei anderen Brustkrebsarten. Eine Substanzgruppe, die bei triple-negativem Brustkrebs besonders wirksam zu sein scheint, sind so genannte platinhaltige Chemotherapeutika in Ergänzung zu der sonst standardmäßig eingesetzten Kombination aus Taxanen und Anthrazyklinen. Daher werden platinhaltige Chemotherapien bei vielen Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom eingesetzt.

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Mamma Mia!: Und wird die Chemotherapie alleine gegeben, oder gibt es auch (wie bei den anderen Brustkrebstypen) zielgerichtete Therapien, die die Wirkung der Chemotherapie verstärken können?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Ein neuer Therapieansatz unter anderem beim triple-negativen Brustkrebs von Bedeutung ist, sind Medikamente, welche in die Wechselwirkung zwischen dem Immunsystem und den Tumorzellen eingreifen. Ihren Wirkmechanismus kann man sich so vorstellen, dass sie den Tumor gegenüber dem Immunsystem bloßlegen, so dass das Immunsystem die Tumorzellen erfolgreich abtöten kann. Ein Vertreter dieser Substanzgruppe, die auch als „Checkpoint-Inhibitoren“ bezeichnet werden und zu denen beispielsweise Hemmer der Eiweiße PD1 und/oder PD-L1 gehören, ist das Medikament Pembrolizumab (eiin sog. PD-1-Hemmer). Es ist seit Frühjahr (ab einer Tumorgröße von 2 cm oder bei Lymphknotenbefall) zugelassen in Kombination mit einer neoadjuvanten Chemotherapie und wird auch nach der Operation noch als alleinige 9-malige Therapie eingesetzt.

Triple-negativer Brustkrebs in der fortgeschrittenen Situation

Mamma Mia!: Wenn die Krankheit einer Frau mit einem triple-negativen Tumor fortschreitet – wie gehen Sie dann bezüglich der Therapiewahl vor?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Gerade in der metastasierten Situation sind neue Substanzen besonders wichtig. Viele Patientinnen mit Metastasen sind bereits mit den gängigen Chemotherapien vortherapiert worden und weisen entsprechende Resistenzen auf. Mittlerweile können wir jedoch dank intensiver Forschung zielgerichtete Therapien effektiv einsetzen, um die Prognose der Betroffenen zu verbessern. Dazu zählen beispielsweise sogenannte Immuncheckpoint-Inhibitoren, welche in die Wechselwirkung zwischen dem Immunsystem und den Tumorzellen eingreifen. Ihren Wirkmechanismus kann man sich so vorstellen, dass sie den Tumor gegenüber dem Immunsystem bloßlegen, so dass das Immunsystem die Tumorzellen erfolgreich abtöten kann. Dies geschieht beispielsweise durch die Störung des Zusammenspiels der Moleküle PD-1 (auf den Immunzellen) und PD-L1 (auf den Tumorzellen). Das Molekül PD-L1 hindert die körpereigenen Immunzellen daran, den Tumor zu erkennen und effektiv zu bekämpfen. Zu den beiden beim Mammakarzinom verfügbaren Immuncheckpoint-Inhibitoren gehören der PD-L1-Hemmer Atezolizumab (bislang nur im metastasierten Stadium zugelassen) und der PD-1-Hemmer Pembrolizumab (im heilbaren UND metastasierten Stadium zugelassen), die jeweils in Kombination mit einer Chemotherapie eingesetzt werden.

Mamma Mia!: Ist denn eine PDL-1-Expression Voraussetzung für die Wirksamkeit der Checkpoint-Inhibitoren und sollten nicht alle Patientinnen hierauf getestet werden?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Interessanterweise ist die Wirksamkeit von Pembrolizumab in Kombination mit der neoadjuvanten zwar höher bei PD-L1-Positivität, eine Wirkung ist aber auch bei PD-L1-Negativität zu beobachten und die Zulassung ist daher unabhängig vom PD-L1-Status. Dies ist in der metastasierten Situation nicht der Fall: die Zulassung von Pembrolizumab und Atezolizumab ist beschränkt auf den Nachweis einer PD-L1-Positivität, die mit zwei unterschiedlichen Scores bestimmt wird.

Genmutation beim triple-negativen Brustkrebs

Mamma Mia!: Sollten Frauen mit triple-negativem Brustkrebs nicht auch auf eine Genmutation getestet werden?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Ja, das ist richtig, die Empfehlung lautet, dass allen Frauen mit einem triple-negativen Tumor und einem Alter bis zu 50 Jahren die Testung angeboten werden sollte. Mit der Zulassung so genannter PARP-Inhibitoren gibt es für Frauen mit einer BRCA1/2-Mutation ebenfalls eine zielgerichtete, sehr wirksame Therapieoption – sowohl postoperativ („adjuvant“) als auch metastasiert. Je älter die Patientin mit triple-negativem Brustkrebs ist, desto zurückhaltender sollte eine Testung empfohlen werden. Auch ist die Größe der Familie zur Beurteilung des familiären Risikos hier nicht unerheblich: Erkrankt eine Frau als einzige innerhalb einer großen Familie an Brustkrebs, so ist die Wahrscheinlichkeit einer Mutation geringer als die einer Frau, die in einer kleinen Familie an Brustkrebs erkrankt.

Zielgerichtete Therapie beim triple-negativen Brustkrebs

Mamma Mia!: Gibt es weitere zielgerichtete Substanzen, die bei diesem Tumortyp interessant sein könnten?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Eine weitere Substanz, die zum Einsatz beim triple-negativen Mammakarzinom zur Verfügung steht, ist das Sacituzumab Govitecan (SC). Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes ADC (antibody drug conjugate / Antikörper-Medikamenten-Konjugat). Hierbei sind mehrere hochwirksame Chemotherapie-Moleküle an einen gegen das TROP2-Protein gerichteten Antikörper gebunden. Wird das ADC in die Tumorzelle aufgenommen, wird die Chemotherapie im Inneren der Zelle freigesetzt und kann diese abtöten. Zugelassen ist SC beim metastasierten triple-negativen Mammakarzinom nach mindestens zwei Vortherapien. Die Nebenwirkungen sind ähnlich wie die einer Chemotherapie, es handelt sich hauptsächlich um Blutbildveränderungen, Beschwerden im Magen-Darm-Trakt und Haarverlust.

Ein weiteres Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das beim TNBC eingesetzt werden kann, ist Trastuzumab-Deruxtecan (TDX-d), und zwar dann, wenn HER2-Rezeptoren in geringer Menge vorhanden sind: Gering heißt hier, dass eine zu geringe Expression für einen Her2-positiven Subtyp vorliegt, aber eine geringe Expression dennoch nachweisbar ist. Wir sprechen von sogenannten HER2-low Tumoren. Das ist eine neue Subgruppe, die weniger HER2-Rezeptoren hat, als der HER2-positive Brustkrebs, aber genug, um auf die Therapie anzusprechen.

Mamma Mia!: Etwa sechs Prozent der triple-negativen Tumoren über Androgen-Rezeptoren verfügen. Androgenhemmer stehen aus der Prostatakrebsbehandlung bereits zur Verfügung. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Patientinnen mit Androgen-Rezeptoren von diesen Medikamenten profitieren könnten. Was ist Ihre Meinung? Wären Androgenhemmer aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofils bei Vorhandensein von Androgen-Rezeptoren vielleicht eine Therapieoption?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Die Daten zu den so genannten Anti-Androgenen sind sehr vielversprechend – aber auch uneinheitlich. Einerseits sind hier schon Medikamente auf dem Markt (zum Beispiel für die Behandlung anderer Erkrankungen, auch wenn diese bislang nicht zur Brustkrebsbehandlung zugelassen sind). Andererseits gibt es in Bezug auf antiandrogene Therapien noch viele offene Fragen: Wir wissen beispielsweise nicht, ab welcher Androgen-Rezeptor-Dichte pro Tumorzelle ein Einsatz sinnvoll ist. Andererseits gibt es sicherlich Patientinnen mit weit fortgeschrittener Erkrankung und sehr Chemotherapie-resistenter Erkrankung, in der diese Therapie in Erwägung gezogen werden kann. Grundsätzlich sollte aber versucht werden, dies im Rahmen von Studien zu tun.

Mamma Mia!: Laufen denn zurzeit Studien zum triple-negativen Brustkrebs?

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke: Ja, verschiedene weitere neue Substanzen oder auch neue Kombinationen bereits zugelassener Substanzen werden zum Teil intensiv in Studien untersucht. Daher ist es wichtig, dass Patientinnen mit triple-negativem Brustkrebs ihren behandelnden Arzt  ansprechen, ob an diesem Zentrum oder einem anderen Zentrum in der Nähe entsprechende Studien angeboten werden.

Prof. Dr. Cornelia Kolberg-Liedtke

Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Universitätsklinikum Essen
Hufelandstraße 55, 45147 Essen