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Hautmetastasen bei Brustkrebs

Untersuchung der Haut mit einer Lupe
© iStock / LightFieldStudios
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Eine Behandlungsform von Hautmetastasen ist mittlerweile fester Bestandteil in der Leitlinie Mammakarzinom der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. (AGO). Es handelt sich um die sogenannte Elektrochemotherapie (ECT). Dieses Verfahren unterscheidet sich deutlich von einer herkömmlichen Chemotherapie, die in der Regel als Systemtherapie über die Vene oder in Tablettenform verabreicht wird. Hier handelt es sich um ein lokal angewandtes Verfahren, wobei der Wirkstoff (in der Regel Bleomycin) nur sehr gering dosiert über die Vene verabreicht wird. Lokale Maßnahmen in Form eines Stromfeldes, das lokal aufgebaut wird, führen dazu, dass die Tumorzellen poröser und damit für den Wirkstoff angreifbarer werden (Elektroporation) und zerfallen.

Mamma Mia! sprach mit Prof. Dr. Eva-Maria Grischke von der Universitäts-Frauenklinik Tübingen über die Einsatzmöglichkeiten der Elektrochemotherapie.

Mamma Mia!: Frau Prof. Grischke, wie können Brustkrebspatientinnen Hautmetastasen erkennen?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: Zu Beginn können Hautmetastasen aussehen wie kleine Pickel, danach entwickeln sie sich zu tastbaren Knötchen mit geröteter Hautoberfläche. In einem fortgeschrittenen Stadium können größere Areale, die wie ein Ekzem aussehen, beziehungsweise oberflächliche Geschwüre (Ulzerationen) der Haut auftreten. Manchmal ist es auch nur ein gerötetes aber deutlich verdicktes Hautareal. Man spricht dann von einer Inflammation der Haut, da es wie eine Entzündung aussieht.

Mamma Mia!: Treten sie nur im Brustbereich auf oder können auch andere Körperteile betroffen sein?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: Hautmetastasen treten meist im Bereich der Brustwand, am Rücken, Oberarm und Hals auf. Prinzipiell können Sie aber jeden Körperteil betreffen.

Mamma Mia!: Welche herkömmlichen Behandlungsformen gibt es bei Hautmetastasen?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: Eine Operation ist meist die erste Wahl, im Anschluss daran kann das Areal bestrahlt werden. Eine Chemotherapie erfolgt meist dann, wenn die Hautmetastasen sehr ausgedehnt sind. Ist der Ursprungstumor hormonabhänig ist eine Antihormontherapie sinnvoll.

Mamma Mia!: Ein mittlerweile zunehmend eingesetztes, allerdings allgemein noch wenig bekanntes Verfahren bei Hautmetastasen, ist die sogenannte Elektrochemotherapie. Können Sie uns dieses Verfahren näher erläutern?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: Wir wenden dieses Verfahren bereits seit mehr als neun Jahren an. Bei der Elektrochemotherapie erhält die Patientin intravenös ein Zytostatikum (Bleomycin), das eine besonders hohe Konzentration in der Haut bilden kann und deshalb nur in einer sehr niedrigen Dosierung verabreicht werden muss. Das Chemotherapeutikum umspült die Tumorzellen. Bei Auflage einer Elektrode (Prinzip der Elektroporation) fließt ein relativ hoher Strom, der allerdings nicht weiter gefährlich ist. Dadurch wird die Zellpermeabilität (Durchlässigkeit der Tumorzelle) für das Zytostatikum erhöht, das dann direkt in die Zelle eindringen kann. Die Zellwand schließt sich nach einem Zeitraum (aktuell werden circa 30 Minuten eingeplant), wobei dann das Chemotherapeutikum intrazellulär zu wirken beginnt. Die Patientin erhält während der Zeit der Anwendung eine kurze Narkose. Bei kleinen Arealen kann auch eine örtliche Betäubung ausreichend sein.

Mamma Mia!: Treten hierbei Nebenwirkungen auf?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: Während der Operation können je nach Eindringtiefe der einzelnen Elektroden Muskelzuckungen auftreten, die die Patientin allerdings zu diesem Zeitpunkt wenn eine kurze Narkose zB in Form einer Larynxmaske verabreicht wird, nicht bemerkt. In der Folge kann es vereinzelt zu etwas „Muskelkatergefühl“ kommen.

Mamma Mia!: Wie groß sind die Erfolgschancen?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: In der Regel können Hautmetastasen bei gut der Hälfte der behandelten Patienten, teilweise sogar bei bis zu 75 Prozent, komplett zum Verschwinden gebracht werden. Der Erfolg ist natürlich abhängig von der Ausdehnung und der Tiefe der Veränderung in der Haut. In jedem Fall werden die Tumorveränderungen in den betroffenen Hautarealen eingetrocknet und als so genannte „Hautnekrose“ zum Abstoßen gebracht.

Mamma Mia!: Die AGO hat das Verfahren der Elektrochemotherapie in die Leitlinie zum Mammakarzinom wiederholt aufgenommen. In welchen Fällen kommt sie zur Anwendung?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: Bei der neuesten AGO-Leitlinie (2022) ist die Elektrochemotherapie als Behandlungsoption zur Behandlung des lokoregionären Rezidivs bei nicht (kurativen) heilbaren Fällen aufgelistet. Gemeint sind hier Hautmetastasen, die nicht weiter behandelbar sind weder operabel und auch nicht durch eine weitere Strahlentherapie und auch auf eine medikamentöse Therapie nicht adäquat ansprechen. Da diese Veränderungen subjektiv doch sehr beeinträchtigen, ist die Elektrochemotherapie sicherlich ein geeignetes Verfahren, um in ein bis zwei Sitzungen den wesentlichen Anteil einer Hautmetastasierung sicher auch in Abhängigkeit des Ausgangsbefundes zum Verschwinden zu bringen.  Veränderungen wie Blutungen oder auch nässende Areale können damit zum Verschwinden gebracht werden.

Mamma Mia!: Gibt es weitere Anwendungsgebiete?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: Die Elektrochemotherapie kann nicht nur bei Brustkrebs, sondern auch bei allen Tumoren mit einer Hautmetastasierung eingesetzt werden. Ziel ist es durch die Verschorfung der Areale im palliativem Sinn zur Linderung von Beschwerden beizutragen. Deshalb setzen wir die ECT auch beim der Schamlippenkrebs  ein , wenn gängige Therapien nicht möglich sind insbesondere bei alten Damen mit erhöhten internistischen Risiken.  Generell gibt es Erfahrungen zur Elektrochemotherapie bei verschiedenen Tumorarten unter anderem im Kopf-Hals-Bereich und vor allem in der Dermatologie bei bösartigen Hauttumoren insbesondere beim schwarzen Hautkrebs.

Mamma Mia!: Wird das Verfahren schon flächendeckend angeboten?

Prof. Dr. Eva-Maria Grischke: Aktuell gibt es leider noch keine flächendeckende Versorgung. Es wird zunehmend in onkologischen Zentren und Schwerpunktzentren angeboten. Gerne sind wir bei der Suche nach einem heimatortnahen Zentrum behilflich.

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