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Knochenmetastasen bei Brustkrebs

Redaktion Mamma Mia!

© istockphoto / Visivasnc
Knochenmetastasen im Verlauf einer Brustkrebserkrankung sind für die betroffenen Frauen ein einschneidendes Ereignis. Einerseits zeigen sie an, dass die Krankheit in ein chronisches Stadium eingetreten ist, andererseits sind Knochenmetastasen mit typischen Komplikationen wie Schmerzen und Frakturen (Brüchen) vergesellschaftet, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können.

Lokale und systemische Behandlungsstrategien

Knochenmetastasen beim Mammakarzinom sind häufig und werden bei 75 Prozent der Patientinnen diagnostiziert, bei denen die Krankheit wiederkommt. Das sind in Deutschland circa 12.000 neue Fälle pro Jahr. Bei der Mehrzahl der Frauen ist das Skelett auch die erste von Metastasen betroffene Lokalisation, noch vor Leber und Lunge. Tatsächlich sind Knochenschmerzen oft der erste Hinweis, manchmal auch erhöhte Tumormarker oder Zufallsbefunde im Rahmen einer Nachsorgeuntersuchung. Da aber regelmäßige Abklärungen nach der Erstbehandlung heute nicht mehr empfohlen werden, findet man nur selten Patientinnen mit nur wenigen Knochenmetastasen, bei denen zumindest die Hoffnung auf Heilung bestünde.

Knochenmetastasen entstehen, wie andere Metastasen auch, dadurch, dass der Brustkrebs schon früh Zugang zum Blutgefäßsystem findet und Zellen in den Kreislauf abgibt, die beispielsweise auch ins Knochenmark gelangen und an der Knochenoberfläche liegen bleiben können. Das nächste Stadium, in dem die Tumorzellen, terroristischen „Sleepern“ vergleichbar, über viele Jahre unentdeckt verweilen, um plötzlich zu wachsen und sich zu vermehren, ist derzeit noch nicht völlig geklärt. Man weiß aber inzwischen recht gut, wie die Tumorzellen beim Wachstum den Knochen zerstören. Dazu gibt die Metastase Signalsubstanzen ab, die die Zellen aktivieren, die natürlicherweise am Knochenumbau beteiligt sind (Osteoklasten und Osteoblasten). Dies aber in unkontrolliertem Ausmaß. Bei der Knochenzerstörung werden aus dem Knochen selbst Wachstumsfaktoren freigesetzt, die wiederum die Tumorzellen stimulieren. Wie in einem Teufelskreis wird die Zerstörung vorangetrieben und die Knochenmetastase wächst und wächst.

Diagnose von Knochenmetastasen

Wie kommt man nun zur Diagnose einer Knochenmetastase bei Brustkrebs? Die wichtigste Untersuchung ist heute noch immer das Knochenszintigramm. Dabei werden radioaktive – an Bisphosphonate gebundene – Partikel in die Blutbahn injiziert, die sich in Regionen mit gesteigertem Knochenumbau (Metastasen) anreichern und anschließend von einer Art Geiger-Zähler gemessen und aufgezeichnet werden. Das Knochenszintigramm ist eine sehr sensible Methode und spürt fast alle Knochenmetastasen auf, allerdings auch andere Knochenerkrankungen, bei denen die Osteoklasten vermehrt aktiv sind. Daher müssen häufig zusätzliche Untersuchungen folgen. Um eine Knochenmetastase sicher zu identifizieren, eignet sich am besten eine Kernspin-Untersuchung (MRT). Eine normale Röntgenaufnahme ist auch sehr hilfreich, setzt aber voraus, dass bereits ein größerer Anteil des Knochens zerstört ist, sonst sieht man nichts. Zur Beurteilung, ob ein Knochen bruchgefährdet ist, eignet sich am besten eine Computertomographie (CT) und oft ebenfalls die normale Röntgenaufnahme. Sollten alle oben genannten Methoden unklare Ergebnisse erbringen, kann auch ein PET (Positron-Elektronen-Tomogramm) oder ein PET-CT veranlasst werden. In seltenen Fällen hilft nur die Abklärung durch eine Gewebsentnahme durch einen spezialisierten Radiologen zur anschließenden mikroskopischen Untersuchung. Diese Spezialisten sind rar und nicht jedem Onkologen bekannt. Mit etwas ärztlichem Engagement lässt sich aber letztendlich jede Knochenmetastase nachweisen.

Lokale Therapiemöglichkeiten bei Knochenmetastasen

Nach der Diagnose folgt bekanntlich die Therapie. Bei Knochenmetastasen sind grundsätzlich zwei Formen möglich: die lokale Therapie, zu der die Strahlentherapie und die operative Behandlung zählen, und die systemische Therapie, wie antihormonelle und Chemotherapie. Des Weiteren gehört dazu auch die antiresorptive (osteoklastenhemmende) Behandlung mit Bisphosphonaten und dem Antikörper Denosumab. Außerdem, die Radionuklid- und die klassische Schmerztherapie. Die Kunst des Therapeuten besteht darin, im richtigen Augenblick die geeignete Behandlung durchzuführen oder zu veranlassen.

Strahlentherapie

Eine zentrale Stellung nimmt dabei die Strahlentherapie ein. Die Bestrahlung befallener Skelettabschnitte führt zu einer Schmerzreduktion, tötet Tumorzellen ab und führt zu einem Neuaufbau von zerstörtem Knochengewebe (Rekalzifizierung). Der Nachteil der Radiotherapie liegt in der Belastung des Knochenmarks mit nachfolgender Unterdrückung der Bildung von weißen und roten Blutkörperchen. Das ist auch der Grund, weswegen viele Strahlentherapeuten erst mit der Behandlung beginnen, wenn der Schmerz unerträglich wird oder Frakturen drohen. Eine fatale Einstellung, die dazu führt, dass viele Patientinnen zu spät behandelt werden. Dabei wird manchmal eine pathologische Fraktur billigend in Kauf genommen und der Knochenschmerz nicht ausreichend bekämpft. Radioonkologen verweisen immer darauf, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, dass eine Therapie im symptomfreien Stadium einen Vorteil bringt. Studien zu dieser Fragestellung sollten aber dringend durchgeführt werden, zumal die Strahlentherapie von Knochenmetastasen einen großen Teil des radiotherapeutischen Alltags ausmacht. Auch eine Zweitbestrahlung von schmerzhaften Metastasen ist in vielen radioonkologischen Zentren möglich.

Operative Entfernung von Knochenmetastasen

Die operative Entfernung von Knochenmetastasen ist in fast jedem Fall durchführbar, macht aber nur nach sorgfältiger Abwägung Sinn. Klare Indikationen sind drohende oder stattgehabte Knochenbrüche. Relative Indikationen sind die vorsorgliche Entfernung von befallenen Skelettabschnitten bei minimaler Metastasierung und zumindest Hoffnung auf Heilung oder Langzeitüberleben. So können solitäre Rippen- oder Brustbeinmetastasen durch einen Thoraxchirurgen operiert werden oder die Entfernung einzelner Wirbelkörper oder anderer Skelettabschnitte durch einen onkologischen Orthopäden oder Traumatologen (Spezialist für Knochenbrüche). Wie gesagt, das sind Methoden, die nur bei minimaler Knochenmetastasierung eingesetzt werden sollten. Die operative Versorgung fortgeschrittener Skelettmetastasen sollte dann durchgeführt werden, wenn bereits eine Fraktur eingetreten ist. Manchmal ist auch der Ersatz eines ganzen Gelenks (zum Beispiel Hüftprothese) notwendig. In manchen Ländern wird die operative Versorgung von Knochenmetastasen früh und häufig durchgeführt. Deutschland zählt nicht dazu, eine Änderung der Einstellung der Therapeuten ist aber erkennbar.

Systemische Therapien bei Konochenmetastasen

Antihormonelle und Chemotherapie sind die Basistherapien jeglicher Metastasenbehandlung. Das Therapieprinzip besteht darin, dass bei Frauen mit einem hormonsensiblen Tumor (positiver Östrogen- und/oder positiver Progesteronrezeptor) eine endokrine Behandlung empfohlen wird. Heutzutage ist die Kombination der endokrinen Therapie mit einem CDK 4/6-Inhibitor zum Standard geworden. Erst wenn die Erkrankung nicht mehr auf eine Antihormontherapie anspricht, sollte eine Chemotherapie zum Einsatz kommen. Bei Frauen mit rezeptor-negativen Tumoren bleibt die Chemotherapie die einzige Option, wobei allerdings Behandlungen mit nur einem Medikament der Vorzug gegeben werden sollte, am besten wöchentlich verabreicht. Dass Chemotherapien bei Knochenmetastasen weniger wirksam sein sollen als Antihormonbehandlungen, ist ein unausrottbarer Mythos unter Onkologen. Dieses Vorurteil mag darin begründet liegen, dass in vielen Chemotherapiestudien Patientinnen mit Knochenmetastasen nicht aufgenommen wurden. Der Therapieerfolg an Lungen- und Lebermetastasen lässt sich eben viel einfacher messen als an Skelettmetastasen, bei denen der Knochendefekt sehr lange braucht, um sich zurückzubilden. Nicht unerwähnt sollten die verschiedenen Optionen bei HER2-positiven Tumoren bleiben (auch hier wird auf die entsprechenden Kapitel verwiesen).

Behandlung mit Radionukliden

Das Therapieprinzip bei der Behandlung mit sogenannten Radionukliden besteht darin, dass radioaktive Substanzen (Strontium, Rhenium, Samarium und neuerdings Radium) an Trägermoleküle gekoppelt in die Blutbahn infundiert werden. Die Transportmedikamente, häufig sind es Bisphosphonate, lagern sich in Regionen mit erhöhtem Knochenumbau (beispielsweise Metastasen) ab, und die Strahlenträger zerstören Tumorzellen in der näheren Umgebung. Besonders erfolgreich ist die Radionuklidtherapie bei so genannten osteoblastischen Knochenmetastasen, die es auch bei Patientinnen mit Mammakarzinomen gibt (30 bis 40 Prozent). Die Behandlung mit Radionukliden vermindert den Knochenschmerz, braucht aber manchmal einige Wochen, bis sie wirkt und hat, wie auch die klassische Strahlentherapie, einen negativen Effekt auf das Knochenmark.

Schmerzlindernde Medikamente bei Knochenmetastasen

Schmerlindernde Medikamente sollten auch bei Knochenmetastasen rechtzeitig zum Einsatz kommen. Die Entstehung von Knochenschmerzen ist komplex und man unterscheidet unterschiedliche Schmerzformen. Dementsprechend müssen häufig unterschiedliche sich ergänzende Medikamente eingesetzt werden (beispielsweise Opioide und Entzündungshemmer wie Cox-2 Inhibitoren, Ibuprofen und andere). Die enge Zusammenarbeit mit Schmerztherapeuten ist insbesondere bei Knochenmetastasen unbedingt notwendig und sollte frühzeitig veranlasst werden.

Bisphosphonate als osteoprotektive Therapie

Die dritte Säule der systemischen Therapie ist die antiresorptive Behandlung mit Bisphosphonaten und Denosumab. Diese Medikamente hemmen drastisch die Zahl und die Aktivität der knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten). Bisphosphonate können sowohl in Tablettenform als auch als Infusion verabreicht werden. Sie lagern sich an der Knochenoberfläche an und wirken direkt auf die Osteoklasten. Die klinische Hauptwirkung besteht in einer guten und lang anhaltenden Schmerzunterdrückung und einer Verbesserung der Lebensqualität. Des Weiteren haben Bisphosphonate auch einen positiven Effekt auf die Reduktion von Knochenbrüchen und auf das Auftreten einer Hyperkalzämie (schwerwiegende Entgleisung des Kalziumstoffwechsels mit zahlreichen Symptomen und Beschwerden). Die Medikamente sind prinzipiell gut bis sehr gut verträglich. Eine neuerkannte Nebenwirkung hat in den letzten Jahren für Schlagzeilen gesorgt: die Kieferosteonekrose. Bei dieser Erkrankung, bei der Knochengewebe vom Ober- oder Unterkiefer abstirbt, weiß man inzwischen, dass sie fast ausschließlich Menschen mit erheblichen, vorbestehenden Zahn- und Zahnfleischerkrankungen betrifft. Auch die intravenöse Therapie muss im Gegensatz zur Tablettentherapie als Risikofaktor betrachtet werden.

Der inzwischen in Deutschland seit über zehn Jahren etablierte Antikörper Denosumab, der unter die Haut gespritzt wird (subcutan), unterbricht die Signalübertragung zwischen den metastatischen Zellen und den knochenabbauenden Osteoklasten. Der Signalweg, der dabei unterbrochen, wird heißt RANK/RANKL/OPG-Signalweg; entsprechend gehört das neue Medikament zur Gruppe der RANKL-Antikörper. Denosumab hemmt die Aktivität der knochenzerstörenden Osteoklasten schneller als Bisphosphonate. In großen Vergleichsstudien an Patienten mit Knochenmetastasen unterschiedlichster Herkunft wurde der Antikörper mit Bisphosphonaten verglichen. Dabei zeigte sich, dass es unter der Therapie mit Denosumab zu signifikant weniger Komplikationen im Skelett kam. Außerdem dauerte es länger bis zum Auftreten von Knochenschmerzen und der Notwendigkeit einer Strahlenbehandlung. Auch die Lebensqualität der mit dem Antikörper behandelten Frauen konnte im Vergleich zu denen, die das Bisphosphonat erhielten, signifikant verbessert werden. Obwohl der Antikörper sehr gut verträglich ist, gibt es ebenfalls Fälle von Kieferosteonekrosen (= Gewebsuntergang des Ober- und Unterkieferknochens), in ähnlicher Häufigkeit wie bei den Bisphosphonaten (circa ein Prozent aller Patientinnen pro Anwendungsjahr). Die Häufigkeit lag in beiden Behandlungsgruppen (Zoledronat versus Denosumab) in einer Größenordnung von etwa zwei Prozent über zwei Jahre. Das heißt, dass diese Komplikation keine epidemischen Züge besitzt, sie ist aber so häufig, dass alles darangesetzt werden muss, sie durch prophylaktische Maßnahmen zu verhindern (Zahnpflege, Früherkennung, Antibiotika bei Eingriffen in der Mundhöhle). Zur Vermeidung einer Hypokalzämie sollten Patienten mit Knochenmetastasen unter Denosumabtherapie, täglich Vitamin D und Kalzium einnehmen.

Bessere Behandlung und Prognose bei Knochenmetastasen

Die Zahl der Frauen mit gutartigem Verlauf bei bösartiger Grundkrankheit nimmt zu. Das hat nicht nur mit der sich möglicherweise geänderten Biologie vom Mammakarzinomen zu tun, es liegt auch an der sich ändernden Einstellung der Therapeuten und deren Bereitschaft, Frauen in dieser Situation nicht mehr minimalistisch zu behandeln, sondern in ein komplexes Therapiekonzept einzubinden. Während es vor wenigen Jahren noch Standard war, bei einer Progression der Krankheit im Skelett hektisch die antihormonellen und chemotherapeutischen Verfahren zu wechseln und metastatische Knochen erst dann bestrahlen zu lassen, wenn es aufgrund der Schmerzen unumgänglich war, bemühen sich heute zahlreiche Gynäkoonkologen um frühzeitige lokale Therapieoptionen (Bestrahlung, Operation, et cetera) bei gleichzeitig wohlüberlegtem Einsatz neuer Medikamente.

Für alle, die bei Krebs mitreden wollen

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Prof. Dr. med. Ingo J. Diel
Arzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Gynäkologischer Onkologe, Osteoonkologe Schwerpunktpraxis für gynäkologische Onkologie
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