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Antikörper-Wirkstoff-Konjugate sind noch relativ neue Medikamente, die bei Krebserkrankungen helfen können, zum Beispiel bei Brustkrebs. Sie heißen engl. Antibody-Drug-Conjugates oder abgekürzt ADCs. Die Besonderheit ist, dass sie sehr gezielt gegen Krebszellen vorgehen und sie effektiv zum Absterben bringen.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate sind komplexe Moleküle mit einem speziellen Aufbau. ADCs sind per Definition Medikamente, bei denen ein Wirkstoff (zum Beispiel Zellgift oder Zytostatikum) über eine spezielle chemische Verbindung an einen monoklonalen Antikörper gekoppelt ist, der im Labor künstlich hergestellt wird. Manchmal ist der Antikörper auch mit mehreren Wirkstoffen verknüpft – entweder direkt oder über eine verbindende Molekülstruktur. Diese heißt „Linker“. Der Name „Konjugat“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „conjugare“ ab, das „verbinden“ bedeutet.
ADCs bestehen aus drei Teilen:
- Monoklonaler Antikörper – er funktioniert als „Transportmittel“ oder „Vehikel“, das zielgenau an ein bestimmtes Merkmal (ein Tumorantigen) auf der Krebszelle bindet.
- Linker: Dieser verbindet den Antikörper mit dem Zellgift (dem Zytostatikum). Von der Art dieser chemischen „Brücke“ hängen die Stabilität der Verbindung und der Zeitpunkt ab, an dem der Wirkstoff (das Zellgift) freigesetzt wird.
- Zellgift (Zytostatikum, auch als „Payload“ oder „Warhead“ bezeichnet) – der Antikörper ist mit einem Chemotherapeutikum verbunden, welches zur Krebszelle gebracht und in ihrem Inneren freigesetzt wird.
Zytostatika setzen Onkologinnen und Onkologen schon seit vielen Jahrzehnten im Rahmen der Chemotherapie bei verschiedensten Krebsarten ein. Die Medikamente attackieren Krebszellen an verschiedenen „Achillesfersen“. Sie hemmen ihre Teilung, bremsen ihre Vermehrung oder töten sie ab. Eine Chemotherapie geht vergleichsweise ungezielt gegen alle Zellen vor, die sich schnell teilen. Dazu zählen Krebszellen, aber auch gesunde Zellen, etwa der Haut, Schleimhäute und Haare. Zytostatika rufen einige Nebenwirkungen hervor, zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen, Haut- und Schleimhautentzündungen oder Haarausfall.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate wirken dagegen zielgenau und spezifisch aufgrund des Antikörpers. Zugleich entfalten sie dank des Zytostatikums eine zelltötende Wirkung auf die Krebszellen. Der Linker sorgt dafür, dass das Zellgift zur richtigen Zeit am richtigen Ort freigesetzt wird. ADCs zerstören Krebszellen präzise und sollen gesunde Zellen bestmöglich schonen.
Funktionsweise von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten
Der Antikörper und der Wirkstoff funktionieren als „Teamspieler“. Sie haben jedoch verschiedene Aufgaben und greifen Krebszellen an unterschiedlichen Stellen an. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate vereinen zwei Wirkungsweisen im „Doppelpack“. Der Antikörper spürt Krebszellen anhand bestimmter Merkmale auf der Oberfläche gezielt auf, während das Zytostatikum zellabtötend wirkt. Gemeinsam sollen sie noch schlagkräftiger als herkömmliche Krebsmedikamente sein.
Für die Entwicklung der ADCs nutzten Forschende die Erkenntnisse aus anderen Krebstherapien. Zum einen gibt es schon einige zielgerichtete Krebsmedikamente als Antikörper, die auf bestimmte Merkmale von Krebszellen ausrichtet, sind. Ein Beispiel ist die Anti-HER2-Therapie mit Antikörpern wie Trastuzumab und Pertuzumab. Sie richten sich gegen den Humanen Epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor HER2. Bei Brustkrebs ist diese Bindungs- oder Andockstelle HER2 oft in übermäßigem Mengen auf der Oberfläche der Krebszellen vorhanden. Diese Brustkrebsart heißt auch HER2-positiver Brustkrebs.
Zum anderen sind Medikamente wie Chemotherapeutika schon lange in der Krebstherapie etabliert. Sie können Krebszellen effektiv abtöten. Diese beiden Wirkungsweisen sind jetzt in nur einem Medikament vereint – dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat.
Vereinfacht lässt sich die Wirkungsweise eines Antikörper-Wirkstoff-Konjugates so beschreiben:
- ADCs werden als Infusion verabreicht und mit dem Blutstrom im gesamten Körper verteilt.
- Der Antikörper sorgt dafür, dass das Zytostatikum verstärkt zu den Krebszellen transportiert wird und weniger in anderes gesundes Gewebe gelangt.
- Die Krebszellen nehmen das ADC ins Innere auf. Erst dann wird das Zytostatikum in der Krebszelle freigesetzt. So dient zum Beispiel HER2 als „Einfallstor“, um das Chemotherapeutikum gezielt zur Krebszelle zu bringen und es dort „einzuschleusen“. ADCs lassen sich daher mit einem „Trojanischen Pferd“ vergleichen.
- Das Zellgift schädigt die Krebszelle so, dass sie den Prozess der Selbstzerstörung in Gang setzt. Dieser Vorgang heißt programmierter Zelltod oder Apoptose.
Ein Vorteil der ADCs ist, dass sie gezielt an Krebszellen binden und sie zum Absterben bringen. Gesundes Gewebe soll sich so besser schonen lassen. Auch die Nebenwirkungen sollen geringer ausfallen als zum Beispiel bei einer herkömmlichen Chemotherapie. Außerdem lassen sich hochwirksame Chemotherapeutika verabreichen, die im Rahmen einer normalen Chemotherapie-Infusion zu stark wirken und zu viele Nebenwirkungen verursachen würden.
Verbesserte Technologie bei Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten
An ADCs wird schon seit einigen Jahrzehnten geforscht. Im Jahr 2000 wurde das erste ADC zur Therapie der akuten myeloischen Leukämie zugelassen, eine Kombination aus dem Antikörper Gemtuzumab und dem Wirkstoff Ozogamicin. Die ersten Antikörper-Wirkstoff-Konjugate waren zwar erfolgversprechend, aber noch nicht wirksam genug. So waren zum Beispiel die Verbindungen – die Linker – noch nicht richtig ausgefeilt und die Wirkstoffe zu wenig effizient. Allerdings wurde an Antikörpern für die Krebstherapie, an den Linkern und an den Wirkstoffen viel geforscht und die Technologie verbessert. Mittlerweile gibt es schon ADCs der zweiten und dritten Generation.
Verbesserte Linker ermöglichen es jetzt, dass die ADCs im Blutkreislauf stabil bleiben und der Wirkstoff erst in den Krebszellen freigesetzt wird. Es ist eine technische Herausforderung, dass das Zellgift am richtigen Ort freigesetzt wird – nämlich in der Krebszelle und nicht schon vorher im Körper oder im umliegenden Gewebe. Auch die gekoppelten Wirkstoffe selbst haben sich verbessert und schädigen das Erbgut der Krebszelle noch stärker. Darüber hinaus sind die Antikörper gezielter und spezifischer geworden.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bei Brustkrebs
In Deutschland sind inzwischen mehr als zehn ADCs für verschiedene Krebsarten zugelassen, zum Beispiel für Eierstockkrebs oder Harnblasenkrebs. Viele weitere Antikörper-Wirkstoff-Konjugate sind in der Entwicklung und werden im Rahmen klinischer Studien getestet.
Für Brustkrebs sind derzeit drei ADCs zugelassen:
ADC | Wirkungsweise/Einsatz |
Trastuzumab-Emtansin | Der Antikörper Trastuzumab (gegen HER2 gerichtet) ist mit dem Zytostatikum Emtansin gekoppelt. Das Medikament ist eine Therapiemöglichkeit bei HER2-positivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs, der sich nicht operieren lässt. |
Trastuzumab-Deruxtecan | Trastuzumab ist mit dem Chemotherapeutikum Deruxtecan verbunden. Zum Einsatz kommt die Behandlung bei metastasiertem oder inoperablem HER2-positivem Brustkrebs. |
Sacituzumab-Govitecan | Sacituzumab dient als Antikörper und der Wirkstoff Govitecan als Zytostatikum. Angriffspunkt ist hier das Eiweiß namens TROP2 an der Oberfläche der Krebszellen. Zugelassen ist Sacituzumab-Govitecan für vorbehandelten triple-negativen Brustkrebs (TNBC) und HER2-positiven Brustkrebs, der metastasiert ist oder sich nicht operieren lässt. |
Mögliche Nebenwirkungen von ADCs
Auch wenn Antikörper-Wirkstoff-Konjugate gezielter, passgenauer und besser wirken als die Chemotherapie und Antikörpertherapie allein – frei von Nebenwirkungen sind ADCs nicht. Die Art und Schwere der unerwünschten Wirkungen hängt vom gewählten ADC ab. Es spielt eine Rolle, welcher Antikörper mit welchem Zytostatikum über welchen Linker verbunden ist. Antikörper können zum Beispiel Immunreaktionen auslösen. Die Eiweißstoffe binden an Krebszellen und markieren sie für die Abwehrzellen – das Immunsystem wird aktiviert. Dazu kommen bei ADCs Nebenwirkungen, die ähnlich wie bei einer Chemotherapie sind.
Folgende Nebenwirkungen sind bei Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten möglich:
- Veränderungen des Blutbildes: Die Anzahl der neutrophilen Granulozyten (eine Untergruppe der weißen Blutzellen) kann vermindert sein (Neutropenie). Auch die Menge an Leukozyten (weiße Blutkörperchen), roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) kann verringert sein (Leukopenie beziehungsweise Thrombozytopenie).
- Übelkeit und Erbrechen
- Verdauungsprobleme wie Durchfall oder Verstopfung
- Haarausfall
- Störungen der Leberfunktion
- Nervenschäden (periphere Neuropathie) – manche Zytostatika greifen die Nerven an und schädigen sie. Möglich sind Störungen der Sensibilität und Nervenschmerzen.
- Lunge – das Gewebe der Lunge kann vernarben und zu einer Fibrose führen. Dadurch ist der Gastaustausch in der Lunge beeinträchtigt. Anzeichen können Husten, Kurzatmigkeit und Atemnot sein. Diese Nebenwirkung kommt bei einer Chemotherapie nicht vor.
- Fatigue – eine übermäßige Erschöpfung, die den Körper, Geist und die Psyche erfasst.
- Augen: Manche ADCs wie Mirvetuximab-Soravtansin (MIRV) gegen Eierstockkrebs verursachen eine Sehschwäche. Betroffene sehen nur noch verschwommen. Hilfreich können benetzende Augentropfen während der Therapie sein.
Wichtig ist es daher, Nebenwirkungen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Es gibt unterstützende (supportive) Therapien, mit denen sich die Nebenwirkungen lindern lassen.
Vorteile und Nachteile von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten?
ADCs besitzen einige Vorteile im Vergleich zu anderen Krebsbehandlungen – einige Beispiele:
- Verbesserte Wirkung: Dies bezieht sich zum Beispiel auf das Gesamtüberleben oder das Überleben, ohne dass die Krebserkrankung fortschreitet.
- Gezieltes Abtöten von Krebszellen: ADCs ermöglichen einen gezielten Angriff auf die Krebszellen. Gesunde Zellen werden bestmöglich geschont und die Nebenwirkungen fallen geringer aus.
- Neue Therapiemöglichkeit, wenn andere Behandlungen nicht oder nicht mehr wirksam sind.
Diesen Vorteilen stehen jedoch auch einige Nachteile der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate gegenüber – einige Beispiele:
- Entwicklung von Resistenzen: Krebszellen können gegenüber ADCs unempfindlich (resistent) werden. Dann wirkt die Behandlung nicht mehr ausreichend. Eine Resistenz ist zum Beispiel möglich, wenn Krebszellen das Angriffsziel für das ADC herunterregulieren (es ist dann nicht mehr in genügender Menge auf der Krebszelle vorhanden). Krebszellen kann es auch gelingen, den Wirkstoff wieder aktiv nach außen zu schleusen. Auch dann ist die Wirksamkeit der ADC-Therapie herabgesetzt.
- Nebenwirkungen: Auch wenn ADCs Krebszellen gezielt angreifen, sind dennoch einige Nebenwirkungen möglich, zum Beispiel Veränderungen des Blutbildes (siehe Absatz „Nebenwirkungen“).
- Kosten: Die Entwicklung neuer Krebsmedikamente wie ADCs ist teuer. Dies schlägt sich anschließend auch im Preis nieder. ADCs sind oft teurer als Krebsbehandlungen, die schon lange auf dem Markt sind. Beispiel: Medikamente zur Antihormontherapie.
- ADCs sind nicht für alle Krebsarten verfügbar.
Zukunft: Antikörper-Wirkstoff-Konjugate weiter verbessern
Forschungsteams optimieren bestehende Antikörper-Wirkstoff-Konjugate und versuchen zudem, neue Strategien im Kampf gegen Krebszellen zu finden. Ein Ziel ist es zum Beispiel, die Linker weiter zu verbessern. So könnten selbstauflösende Verbindungen den Wirkstoff in der Krebszelle noch passgenauer freisetzen.
Außerdem sind vielleicht noch weitere Kombinationen von Antikörpern und Wirkstoffen möglich, zum Beispiel die Koppelung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Diese Medikamente kommen als Immuntherapie schon bei mehreren Krebsarten zum Einsatz, zum Beispiel bei triple-negativem Brustkrebs, schwarzem Hautkrebs oder Lungenkrebs.
Womöglich lassen sich durch genaue molekulargenetische Analysen im Labor neue Zielstrukturen auf den Krebszellen ausfindig machen und neue ADCs gegen diese entwickeln.
Geforscht wird zudem daran, zwei oder mehr verschiedene Wirkstoffe an den Antikörper zu koppeln. So könnten sich Mechanismen ausschalten lassen, die zu Resistenzen gegenüber einem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat führen. ADCs könnten jedenfalls zukünftig eine wichtige Rolle in der Präzisionsmedizin oder personalisierten Medizin spielen.
- Cleveland Clinic, Antibody-drug-conjugates, abgerufen am 1.4.2025
- Fu, Z., Li, S., Han, S. et al. Antibody drug conjugate: the “biological missile” for targeted cancer therapy. Sig Transduct Target Ther 7, 93 (2022). https://doi.org/10.1038/s41392-022-00947-7, abgerufen am 1.4.2025
- Gelbe Liste, Wirkstoffgruppen, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, abgerufen am 31.3.2025
- Gottfried, Eva: Antikörper-Wirkstoff-Konjugate: Modularität bietet viele Stellschrauben, Journal Onkologie, 27.1.2024, abgerufen am 31.3.2025
- Willem, Christine: Antikörper-Wirkstoff-Konjugate der 3. Generation: Breite Wirkung im Tumor, Deutsches Ärzteblatt, Ausgabe 31-32/2022, abgerufen am 1.4.2025
- Borchers, Moritz: Die nächste Generation der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, Springer Medizin, 27.11.2024
- Deutsche Krebsgesellschaft, Senologiekongress, ADC im Alltag angekommen und Anti-Körper-Wirkstoff-Konjugate bei fortgeschrittenem Brustkrebs, abgerufen am 1.4.2025
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), Trastuzumab Deruxtecan Enhertu bei Brustkrebs und Sacituzumab Govitecan Trodelvy bei fortgeschrittenem Brustkrebs, abgerufen am 1.4.2025
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