Wenn jüngere Frauen an Brustkrebs erkranken, ist ihre Familienplanung oft noch nicht abgeschlossen. Sie wünschen sich trotz ihrer Brustkrebserkrankung, schwanger und dann Mutter zu werden. Nach der Geburt kann sich die Frage stellen, ob Frauen ihr Baby stillen können, ohne ein gesundheitliches Risiko einzugehen. So besteht nach einer Brustkrebserkrankung ein erhöhtes Risiko für einen Rückfall (Rezidiv). Auch ein neuer Tumor in der anderen Brust ist wahrscheinlicher.
Bisher war nicht genau geklärt, ob Stillen für Frauen nach einer Brustkrebserkrankung und der Entbindung tatsächlich unbedenklich ist. Denn: Eine Schwangerschaft und auch die Zeit danach ist mit vielen hormonellen Veränderungen und Umstellungen verbunden. Eine Forschungsgruppe vom Dana-Farber Cancer Institute, einem renommierten Krebsforschungszentrum in Boston, Massachusetts, untersuchte die Zusammenhänge zwischen der Brustkrebserkrankung und dem Stillen daher in zwei Studien genauer.
Sie kam zu dem Schluss, dass das Stillen nach einer Brustkrebserkrankung keine erhöhten Risiken birgt – weder für einen Rückfall noch für ein neues Mammakarzinom in der zweiten Brust. Dies galt sowohl für Frauen mit einer BRCA-Mutation und einer Brustkrebserkrankung infolge dieser genetischen Veränderung als auch für Frauen, die an einem Hormonrezeptor–positiven (HR+) Brustkrebs erkrankt waren. In diesem Fall brauchen die Krebszellen die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und/oder Progesteron für ihr Wachstum. Die Studienergebnisse wurden auf dem Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt.
Stillen ist für Frauen mit BRCA-Mutation sicher
An der ersten Studie nahmen 78 Kliniken und Krebszentren und mehr als 4.700 Frauen weltweit teil. Alle Frauen wiesen eine ererbte genetische Veränderung (Mutation) in einem „Brustkrebsgen“ auf, im BRCA1- oder BRCA2-Gen (BRCA ist die Abkürzung für BReast CAncer). Im Alter von 40 Jahren oder jünger waren sie an Brustkrebs erkrankt (Stadien 1 bis 3). 474 dieser Frauen waren nach ihrer Brustkrebsdiagnose schwanger geworden und hatten ein Kind zur Welt gebracht.
Die Forschenden teilten diese Frauen in zwei Gruppen ein:
- Stillende: 110 Frauen (23,2 Prozent) stillten ihr Baby nach der Geburt im Schnitt über fünf Monate.
- Nicht-Stillende: 68 Frauen (14,4 Prozent) entschieden sich gegen das Stillen. 225 Frauen (47,5 Prozent) konnten ihr Neugeborenes nicht stillen, weil sie sich einer vorbeugenden (prophylaktischen) Entfernung beider Brüste unterzogen hatten. Diese vorbeugende Mastektomie senkt das Brustkrebsrisiko deutlich. Bei 71 Frauen (15,0 Prozent) war der Status des Stillens unbekannt.
Die Frauen wurden durchschnittlich über sieben Jahre nach ihrer Krebsdiagnose beobachtet und ihr Gesundheitszustand kontrolliert. In diesem Zeitraum ließ sich in Bezug auf einen Rückfall und ein zweites Mammakarzinom in der anderen Brust kein Unterschied zwischen stillenden und nicht-stillenden Frauen feststellen. Ebenfalls keine Unterschiede gab es zwischen Stillenden und Nicht-Stillenden beim krankheitsfreien Überleben (Zeitspanne ohne Krebserkrankung) und beim Gesamtüberleben.
Stillen auch bei hormonempfindlichem Brustkrebs keine Gefahr
In einer zweiten Studie untersuchte das Team am Dana-Farber Institut 518 Frauen, die im Alter von 42 Jahren oder jünger an einem Hormonrezeptor-positiven Brustkrebs erkrankt waren (Stadien 1 bis 3). Diese Frauen erhielten eine Antihormontherapie, welche die Wirkung der Hormone auf die Zellen abschwächt oder die Hormonproduktion selbst blockiert.
317 dieser Frauen waren nach einer zeitweisen Unterbrechung ihrer Antihormontherapie schwanger geworden und hatten ein Kind geboren. 196 Frauen stillten ihr Baby nach der Entbindung. Eine brusterhaltende Operation (BET) war für die Frauen ein Schlüsselfaktor, um sich für das Stillen zu entscheiden. Auch in der zweiten Studie ließen sich bei den Stillenden keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für ein Brustkrebs-Rezidiv oder ein weiteres Mammakarzinom in der anderen Brust finden.
Mehr aus der Forschung
Frühere Studien der gleichen US-Forschungsgruppe hatten ergeben, dass:
- es für junge Frauen, die nach einer BET stillen möchten, eine Herausforderung ist, dies mit der behandelten Brust zu tun.
- Sie weichen meist auf die andere, gesunde Brust aus, um Ihr Baby zu stillen.
Bedürfnisse von Mutter und Kind zukünftig stärker berücksichtigen
„Diese Studien liefern erstmals einen Nachweis dafür, dass Stillen nach einer Brustkrebserkrankung sicher ist. Dies gilt sowohl für Trägerinnen einer BRCA-Mutation, bei der das Risiko für Brustkrebs erhöht ist, als auch für Frauen, die nach einer Pause ihrer Antihormontherapie schwanger geworden sind“, erklärt die Onkologin Ann Partridge. Sie ist Gründerin und Direktorin des Programms „Junge Erwachsene mit Brustkrebs“ am Dana-Farber Institut. Aufgrund dieser Studienergebnisse könne man jetzt die mütterlichen und kindlichen Bedürfnisse stärker ins Zentrum rücken, ohne die Sicherheit der Mütter zu gefährden, so Partridge. Wichtig sei eine gute Balance zwischen der Lebensqualität der Frauen und den notwendigen Therapien bei einer Krebserkrankung.
- Blondeaux E et al. Breastfeeding after breast cancer in young BRCA-carriers: Results from an international cohort study. Abstract 1815O. ESMO Annual Meeting, 13-17 September, 2024, abgerufen am 22.5.2025
- European Medical Journal (EMJ), Oncology, news, breastfeeding safe for brca carriers after breast cancer treatment, ESMO 2024, abgerufen am 22.5.2025
- Dana-Farber Cancer Institute, press release, Eurekalert, Breast cancer research: New studies show how post-treatment lifestyle choices shape long-term outcomes after diagnosis, abgerufen am 22.5.2025
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