Gebärmutterkrebs: Molekulare Tests in der Diagnostik

Redaktion Mamma Mia!

Molekulare Tests
© iStock / metamorworks
Molekulare Tests ermöglichen es, die besonderen Eigenschaften eines Endometriumkarzinoms noch genauer zu charakterisieren. Davon kann sowohl die anschließende Behandlung als auch die Prognose des Gebärmutterkrebses abhängen.

Gebärmutterkrebs ist nicht gleich Gebärmutterkrebs. Jeder Tumor besitzt spezielle, typische
Eigenschaften. Daher hat beim Gebärmutterkrebs die Analyse der biologischen und molekularen Merkmale in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Diese molekulare Klassifikation eines Gebärmuttertumors kann Ärztinnen und Ärzten helfen, die richtige Behandlung zu finden. Auch für die Prognose spielen die speziellen Eigenschaften der Gebärmutterkrebszellen eine wichtige Rolle. Daher sind molekulare Tests jetzt auch in der neuen S3-Leitlinie zum Endometriumkarzinom fest verankert.

Nach wie vor sind aber bei der Auswahl der Krebstherapien auch die Größe und Ausbreitung
des Tumors und bestimmte Eigenschaften der Krebszellen entscheidend beteiligt. Auch ob der Tumor unter dem Einfluss von Hormonen wächst (Typ 1) oder keine Hormone für sein Wachstum braucht (Typ 2), testen Ärzte und Ärztinnen.

Unabhängig vom individuellen „Fingerabdruck“ der Tumorzellen gilt jedoch: Wichtig ist, dass Ärzte und Ärztinnen den Gebärmutterkrebs möglichst früh diagnostizieren. Dann hat er sich meist noch nicht so weit ausgebreitet. Meist macht er sich früh durch Symptome (zum Beispiel ungewöhnliche Blutungen) bemerkbar. Die meisten Frauen suchen daher zeitnah ihren Arzt oder ihre Ärztin auf.

Gebärmutterkrebs – mit vielen Namen

           Gebärmutterkrebs hat noch einige andere Namen:

  • Endometriumkarzinom
  • Gebärmutterkörperkrebs
  • Gebärmutterschleimhautkrebs
  • Korpuskarzinom
  • Uteruskarzinom

Gebärmutterkrebs: Warum molekulare Tests?

Molekulare Tests helfen dabei mit, die biologischen und molekulargenetischen Eigenschaften der Gebärmutterkrebszellen genauer zu charakterisieren. Diese Merkmale können von Endometriumkarzinom zu Endometriumkarzinom sehr verschieden sein.

Von diesen Eigenschaften der Krebszellen hängt es jedoch ab, welche Krebsbehandlung bei Ihrem Gebärmutterkrebs in Frage kommt. Nicht jede Gebärmutterkrebs-Therapie eignet sich für jede Frau. Medizinische Fachleute tüfteln nämlich für jede Frau eine individuelle, maßgeschneiderte Therapie aus. Lassen Sie sich im Arztgespräch alle Möglichkeiten zu erklären.

Weil dies ein sehr komplexes Unterfangen ist, sollten Sie sich  in einem zertifizierten gynäkologischen Krebszentrum behandeln lassen. Auch über die Prognose und den Verlauf des Endometriumkarzinoms lassen sich anhand der Eigenschaften der Krebszellen Aussagen treffen.

Vier Subtypen beim Endometriumkarzinom

Medizinische Fachleute unterscheiden vier molekulare Untertypen, durch die sich der Gebärmutterkrebs noch genauer beschreiben lässt.

Endometriumkarzinome werden in die folgenden vier molekularen Unterklassen unterteilt:

  1.  POLE-mutierte Karzinome (POLE ultramutated): Bei diesen Gebärmuttertumoren ist eine
    genetische Veränderung (Mutation) im Polymerase-Ɛ-Gen nachweisbar. Die Zellen besitzen eine sehr hohe Mutationsrate – daher heißen sie auch „ultramutierte Karzinome“. Das bedeutet, dass die Krebszellen sehr stark entartet sind.
  2. MSI high-Karzinome (MSI hypermutated oder abgekürzt MSI-H): Bei diesen Gebärmutterkrebszellen besteht eine hochgradige Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Das heißt, dass die Reparaturmechanismen der Zelle gestört sind. Die Ursache dafür ist eine Fehlfunktion mindestens eines der Mismatch-Repair-Proteine (MMR), die für „Reparaturarbeiten“ zuständig sind. Diese Fehlfunktion (Defizienz) wird als dMMR abgekürzt. Sie kann zum Beispiel durch eine Mutation in einem der entsprechenden Gene (Lynch-Syndrom) oder durch eine genetische Veränderung in den Körperzellen (somatische Mutation) bedingt sein. Diese Endometriumkarzinome haben eine hohe Mutationsrate (daher auch die Bezeichnung „hypermutiert“).
  3. Copy number high – serous-like: Normalerweise liegen von einem Gen zwei Kopien vor. Bei Endometriumkarzinomen mit dieser Mutation, liegt eine hohe Rate an Kopien von Genen in unterschiedlicher Anzahl vor. Dies bedeutet, dass die Struktur des Erbguts (DNA) in bestimmten Bereichen erheblich verändert ist. Außerdem weisen Endometriumkarzinome dieser Unterklasse bei mehr als 90 Prozent der betroffenen Frauen eine Mutation im TP53-Gen auf. Dies ist das am häufigsten mutierte Gen in menschlichen Tumoren.
  4. No Specific Marker Profile (NSMP oder copy-number low): Bei diesen Gebärmuttertumoren kommt die Abweichung in der Anzahl der Genkopien nicht so häufig vor („low copy number alterations“). Die strukturellen Abweichungen in bestimmten Bereichen des Erbguts sind hier geringer ausgeprägt. Außerdem besitzt diese Unterklasse einen TP53-Wildtyp-Status. Der „Wildtyp“ bezeichnet das natürlich vorkommende, intakte Gen.

Diese Einteilung ist für die Prognose beim Endometriumkarzinom bedeutsam. Die neue
molekulare Klassifikation kann sich zudem auf die Operation und die Wahl der adjuvanten
Therapie nach der OP auswirken, etwa auf eine Chemotherapie oder Bestrahlung.

Molekulare Tests: Gebärmutterkrebs genau beschreiben

Die molekulare Klassifikation des Gebärmutterkrebses erfolgt daher heute auf mehrere
Weisen:

  • Histologisch: Tumordiagnose anhand der feingeweblichen Analyse, Bestimmung des  histologischen Subtyps, Grading
  • Immunhistochemisch: Untersuchung der Mismatch-Repair-Proteine (MMR-Proteine) und von p53. Dies ist ein Protein, das bei vielen Tumortypen in erhöhten Mengen vorkommt. Bei der immunhistochemischen Untersuchung (IHC) werden mit Hilfe spezieller Antikörper Proteine (Eiweiße) im Gewebe und auf Zellen nachgewiesen – die DNA-Reparaturproteine und das p53-Protein
  • Molekularpathologisch: Nachweis einer POLE-Mutation oder MSI-H

Was bedeutet Mikrosatelliteninstabilität und wie entsteht sie?

Die Abkürzung „MSI“ steht für das komplizierte Wort „Mikrosatelliteninstabilität“. Dieser genetische Marker zeigt, dass die normalerweise sehr ausgefeilten Reparaturmechanismen der Zellen nicht mehr richtig funktionieren. Mikrosatelliten sind Abschnitte des Erbguts, die kürzer oder länger als im normalen Gewebe und somit instabil sind. Diese Mikrosatelliten können sich hunderte Male wiederholen und sind tausendfach im menschlichen Erbgut, dem Genom, verteilt.

Die Mikrosatelliteninstabilität entsteht durch Fehler in der körpereigenen Zellreparatur. Vereinfacht lässt sich die Entstehung so erklären:

  • Bei der Vervielfältigung der Erbinformationen – einem normalen Prozess im Rahmen der Zellteilung – entstehen gehäuft sogenannte „Mismatch-Fehler“. Dabei paaren sich bestimmte Bausteine des Erbguts (die sogenannten „Basen“), die eigentlich nicht zusammengehören.
  • Normalerweise beseitigt die körpereigene Zellreparatur (Mismatch-Reparatur oder MMR) diese Fehler, was aber nicht immer gelingt. Eine nicht ausreichend funktionierende Mismatch-Reparatur wird als „defizient“ bezeichnet und als „dMMR“ abgekürzt.
  • Dann häufen sich die Fehler an, die Länge der Mikrosatelliten verändert sich und es
    kommt zur Mikrosatelliteninstabilität. Die MSI ist also eine Folge einer nicht intakten
    Zellreparatur.
Gebärmutterkrebs - Tipps fürs Arztgespräch
Jetzt lesen!

Subtyp „dMMR/MSI-H“ - wichtig beim Lynch-Syndrom

Lässt sich im Tumor eine defiziente Mismatch-Reparatur/hohe Mikrosatelliteninstabilität (dMMR/MSI-H) nachweisen, besteht der Verdacht auf ein erblich bedingtes Tumorsyndrom wie das Lynch-Syndrom. Menschen mit dieser Erkrankung besitzen ein erhöhtes Risiko für mehrere Krebsarten, darunter Darmkrebs und Magenkrebs, aber auch Gebärmutterkrebs.

Das Risiko, im Lauf des Lebens an Krebs zu erkranken, variiert jedoch in Abhängigkeit davon, welches Gen mutiert ist. Bei Anlageträgerinnen für ein Lynch-Syndrom gehen Mediziner und Medizinerinnen von einem Gebärmutterkrebsrisiko zwischen 16 und 54 Prozent aus.

Die Untergruppe „dMMR/MSI-H“ in der Klassifikation ist für Frauen mit einem Endometriumkarzinom sowie mit einem Lynch-Syndrom bedeutsam, und zwar in mehrerlei
Hinsicht: um Anlageträgerinnen zu erkennen sowie für die Prognose und Prädiktion (Ansprechen auf eine Therapie). Die Mikrosatelliteninstabilität gilt als prädikativer Marker für die Behandlung mit sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren im Rahmen der Immuntherapie. Die S3-Leitlinie „Endometriumkarzinom“ definiert, welche Medikamente bei welcher Frau zum Einsatz kommen können.

Die Analyse der MMR-Proteine und die Feststellung einer Mikrosatelliteninstabilität beim Gebärmutterkrebs haben mehrere grundlegende Ziele. Ärzte und Ärztinnen können unter
anderem:

  • den Tumor in die molekulare Klassifikation einordnen. Das Kürzel „pMMR“ steht dabei für Tumoren mit einer funktionsfähigen (=profizienten) MMR, die keine Veränderungen der Mikrosatelliten aufweisen (sie sind mikrosatellitenstabil, kurz MSS). Die Abkürzung „dMMR“ bedeutet dagegen mangelhafte (defiziente) MMR. Diese Zellen besitzen eine hohe Mutationslast (daher auch „hypermutiert“).
  • Risikopatientinnen mit einem Lynch-Syndrom identifizieren. Auch für Angehörige ist dieses Wissen wichtig, denn sie sollten sich ebenfalls regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen unterziehen.
  • herausfinden, welche Therapieoptionen in Frage kommen.

Die medizinischen Leitlinien empfehlen daher, jedes neu diagnostizierte Endometriumkarzinom unabhängig vom Alter und dem histologischen Subtyp auf MMR-Defekt/MSI zu untersuchen.

Screenshot (127)
Quelle: Deutsche Krebsgesellschaft

Immuntherapie als neue Behandlungsmöglichkeit bei Gebärmutterkrebs

Die Immuntherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren ist eine neue Behandlungsmöglichkeit
für manche Frauen mit Gebärmutterkrebs. Die Medikamente richten sich nicht gegen die Krebszellen selbst, sondern setzen am körpereignen Immunsystem an. Ziel ist es, das Abwehrsystem zu schärfen und wieder dazu anzuregen, selbst gegen die Krebszellen vorzugehen.

Wichtig ist immer, dass ein erfahrenes Behandlungsteam die Therapie durchführt. In einem
zertifizierten gynäkologischen Krebszentrum arbeiten ärztliche Spezialisten und Spezialistinnen
Hand in Hand.

  1. S3-Leitlinie Endometriumkarzinom, September 2022,
    https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Endometriumkarzinom/Version_2/LL_Endometriumkarzinom_Langversion_2.0.pdf (Abruf: 18.5.2023)
  2. Patientinnenleitlinie „Krebserkrankung des Gebärmutterkörpers“, Stand: März 2021
    https://register.awmf.org/assets/guidelines/032-034OLp_S3_Endometriumkarzinom-Diagnostik-Therpie-Nachsorge-Gebaermutterkoerperkrebs_2022-02_01.pdf (Abruf:
    18.5.2023)
  3. Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ),
    https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/endometriumkarzinom/index.php und https://www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/2022/fk09-mikrosatelliteninstabilitaet-bei-krebs.php (Abruf: 18.5.2023)
  4. Deutsche Krebsgesellschaft, https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/andere-krebsarten/gebaermutterkoerperkrebs.html und
    https://www.krebsgesellschaft.de/files/dkg/deutsche-krebsgesellschaft/content/pdf/Publikationen/Teaserartikel/2023/Die_20Onkologie/Die_Onkologie_52023_Molekulare_Klassifikation_Endometriumkarzinom.pdf (Abruf:
    19.5.2023)
  5. Deutsche Krebsgesellschaft, Die_Onkologie_5-2023_Molekulare_Klassifikation_Endometriumkarzinom.pdf (krebsgesellschaft.de) (Abruf: 04.7.2023)
  6. Deutsche Krebshilfe, https://www.krebshilfe.de/informieren/ueber-krebs/krebsarten/gebaermutterschleimhautkrebs/ und
    https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Blaue_Ratgeber/Krebs-der-Gebaermutter_BlaueRatgeber_DeutscheKrebshilfe.pdf (Abruf: 19.5.2023)
  7. Gesund.bund, https://gesund.bund.de/gebaermutterkoerperkrebs (Abruf: 19.5.2023)
  8. Rhiem, Kerstin; du Bois, Andreas; Emons, Günter; Schmutzler, Rita: Hereditäres
    Endometriumkarzinom: Plädoyer für Genanalysen in der Regelversorgung. Dtsch
    Arztebl 2021; 118(11): [32]; DOI: 10.3238/PersOnko.2021.03.19.0

NP-DE-AOU-WCNT-230019/ (06-2023)

Mit freundlicher
Unterstützung von GlaxoSmithKline

Das könnte Sie ebenfalls interessieren

Die Informationen auf dieser Seite können eine professionelle Beratung durch ausgebildete und anerkannte Ärztinnen und Ärzte nicht ersetzen. Auch dienen sie nicht dazu, eigenständig eine Diagnose zu stellen oder eine Therapie einzuleiten.