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Die Immuntherapie bei Brustkrebs ist eine noch vergleichsweise neue Behandlung. Sie funktioniert jedoch anders als Krebstherapien wie die Chemotherapie, Bestrahlung, Antihormontherapie oder Anti-HER2-Therapie: Die Immuntherapie richtet sich nämlich nicht gegen die Krebszellen selbst und versucht sie abzutöten, sondern zielt auf das menschliche Immunsystem ab. Die Medikamente sollen das Abwehrsystem anregen und wieder dazu bringen, Krebszellen zu erkennen, anzugreifen und zu beseitigen. Normalerweise ist das Immunsystem durchaus dazu in der Lage, Krebszellen zu erkennen und gegen sie vorzugehen. Allerdings können sich manche Tumorzellen „tarnen“ und für das Immunsystem „unsichtbar“ machen.
Wann wird die Immuntherapie bei Brustkrebs eingesetzt?
Die Immuntherapie wird derzeit nur bei einer bestimmten Brustkrebsart eingesetzt – beim triple-negativen Brustkrebs (TNBC). Die Krebszellen besitzen bei einem TNBC weder Andockstellen für weibliche Geschlechtshormone (Östrogen und/oder Progesteron) noch für humane epidermale Wachstumsfaktoren (HER2). Behandlungen wie die Antihormontherapie oder eine Anti-HER2-Therapie kommen nicht infrage, wenn der Tumor triple-negativ (dreifach negativ) ist. Sie würden nichts bewirken können.
Die Immuntherapie bei einem triple-negativen Brustkrebs ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und wird mit einer Chemotherapie kombiniert. Sie ist eine Möglichkeit, wenn:
- der Tumor schon lokal fortgeschritten oder metastasiert ist, er ein bestimmtes Eiweiß bildet (das sogenannte PD-L1, engl. programmed death-ligand 1) und eine Frau noch keine Chemotherapie gegen die metastasierte Krebserkrankung erhalten hat.
- eine Frau ein erhöhtes Rückfallrisiko (Rezidivrisiko) besitzt – die Immuntherapie kommt dann vor einer Operation (neoadjuvant) und danach (adjuvant) zum Einsatz.
Immun-Checkpoint-Inhibitoren bei Brustkrebs
Bei Brustkrebs werden bestimmte Medikamente zur Immuntherapie eingesetzt. Sie heißen „Immun-Checkpoint-Inhibitoren“ oder „Immun-Checkpoint-Hemmer“. Vereinfacht werden sie manchmal auch als Checkpoint-Inhibitoren abgekürzt.
Manche bösartigen Tumoren aktivieren Kontrollpunkte des Immunsystems, sogenannte „Immun-Checkpoints“. Diese sorgen normalerweise dafür, dass das Immunsystem nicht überschießend reagiert und körpereigene Zellen angreift. Krebszellen können diese Kontrollpunkte aktivieren und so die Immunpatrouille ausschalten. Sie machen sich für die Immunzellen „unsichtbar“. So können sie sich weiter teilen und vermehren.
Vereinfacht lässt sich die Wirkungsweise von Immun-Checkpoint-Inhibitoren so erklären:
- Die Medikamente zielen auf verschiedene Kontrollpunkte des Immunsystems ab, zum Beispiel auf „PD-1/PD-L1“. PD-1 ist die Abkürzung für engl. „programmed death-1.
- Manche Tumorzellen bilden das Eiweiß PD-L1 aus, um die Immunantwort des Abwehrsystems zu unterdrücken und auszuschalten.
- PD-L1 auf der Tumorzelle bindet sich an PD-1, einen Oberflächen-Rezeptor (ein Eiweiß) auf den T-Zellen. Das sind spezielle Immunzellen. Durch diese Bindung von PD-1 auf der T-Zelle an das „Bremssignal“ PD-L1 auf der Tumorzelle wird die T-Zelle deaktiviert. Dann bleiben die Krebszellen vom Immunsystem „unbehelligt“, können sich weiter teilen und vermehren und der Tumor kann wachsen. Gegen diese Bremsblockade kann ein Immun-Checkpoint-Hemmer helfen.
Immun-Checkpoint-Inhibitoren, die bei Brustkrebs eingesetzt werden, sind die Wirkstoffe Atezolizumab und Pembrolizumab. Dies sind spezielle (monoklonale) Antikörper, die spezifisch an das PD-L1 binden. Dadurch werden die Krebszellen für das Immunsystem wieder „sichtbar“. Es kann die Tumorzellen wieder erkennen und gegen sie vorgehen.
Die Immuntherapie bei Brustkrebs wird mit weiteren Krebsbehandlungen kombiniert, in der Regel mit einer Chemotherapie. So lässt sich die Wirksamkeit weiter erhöhen. Auch die Strahlentherapie (Radiotherapie) ist eine Möglichkeit. Ziel ist, das Fortschreiten der Krebserkrankung zu bremsen oder zum Stillstand zu bringen und die Lebenszeit zu verlängern. Auch die Lebensqualität soll sich durch die Behandlung verbessern oder aufrechterhalten lassen. Eine fortgeschrittene oder metastasierte Brustkrebserkrankung heilen kann die Immuntherapie aber nicht.
Mittels Immuntherapie lassen sich auch einige weitere Krebsarten behandeln, zum Beispiel schwarzer Hautkrebs (malignes Melanom), Lungenkrebs, Nierenkrebs oder Darmkrebs. Meist ist der Tumor weiter fortgeschritten, wenn Ärztinnen und Ärzte eine Immuntherapie in Erwägung ziehen.
Vorteile und Nachteile der Immuntherapie bei Brustkrebs?
Die Immuntherapie besitzt einige Vorteile im Vergleich zu anderen Krebsbehandlungen wie die Chemotherapie oder Strahlentherapie. Einige Beispiele:
- Die Immuntherapie kann eine Behandlungsmöglichkeit sein, wenn der Tumor nicht oder nicht genügend auf andere Krebstherapien anspricht. So ist zum Beispiel ein triple-negativer Brustkrebs schwieriger zu behandeln, weil gängige Krebsbehandlungen wie die Antihormontherapie oder Anti-HER2-Therapie nicht helfen würden.
- Sie ruft meist mildere Nebenwirkungen hervor als andere Therapieformen. Während einer Chemotherapie haben viele zum Beispiel mit Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und einer erhöhten Infektanfälligkeit zu kämpfen. Die geringeren Nebenwirkungen der Immuntherapie beeinträchtigen die Lebensqualität weniger stark. Nebenwirkungsfrei ist die Immuntherapie allerdings nicht – wie alle anderen Krebsbehandlungen auch (siehe Abschnitt „immunvermittelte Nebenwirkungen“).
- Studien deuten darauf hin, dass krebskranke Menschen bei einer Immuntherapie eine bessere Lebensqualität haben als bei anderen Krebsbehandlungen (zum Beispiel Chemotherapie, zielgerichtete Medikamente). Dies bezieht sich zum Beispiel auf belastende Symptome wie eine Fatigue, seelische Probleme und die Bewältigung ihres Alltags.
Welche Nachteile kann die Immuntherapie bei Brustkrebs haben?
Ein Nachteil der Immuntherapie ist, dass sie nicht bei allen Krebsarten hilft. Manche Krebsarten wie schwarzer Hautkrebs oder Lungenkrebs sprechen besser auf sie an als andere, zum Beispiel Prostatakrebs. Warum das so ist, versuchen Forschende in Studien herauszufinden. Die Immuntherapie kommt auch nicht für alle Brustkrebsarten in Frage, sondern bisher nur bei einem TNBC.
Außerdem wird die Immuntherapie derzeit nur in fortgeschrittenen oder metastasierten Krebsstadien eingesetzt. Es wird aber daran geforscht, die Immuntherapie schon in früheren Krebsstadien anzuwenden.
Manchmal setzt die Wirkung der Immuntherapie erst mit Verzögerung ein. Es kann bei einigen Menschen Wochen oder Monate dauern, bis das Immunsystem ausreichend auf die Behandlung reagiert.
Die Immuntherapie besitzt mildere Nebenwirkungen als andere Behandlungen. Aufgrund der Stimulation kann das Abwehrsystem aber durch eine Autoimmunreaktion übermäßig und sehr heftig auf die Immuntherapie reagieren. Ärztinnen und Ärzte sprechen von „immunvermittelten Nebenwirkungen“. Hier ist sofortiges ärztliches Handeln gefragt, um die Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen.
Mögliche Nebenwirkungen der Immuntherapie bei Brustkrebs?
Immunvermittelte Nebenwirkungen können prinzipiell überall im Körper auftreten. Am häufigsten betreffen die unerwünschten Wirkungen die Haut, den Dickdarm, die Lunge, Leber und hormonproduzierende Organe wie die Schilddrüse oder Hirnanhangsdrüse (Hypophyse).
Mögliche Nebenwirkungen und Symptome in der Übersicht:
- Haut: Ausschlag, Juckreiz, Farbverlust der Haut (Vitiligo)
- Magen-Darm-Trakt: Durchfall (mit Blut oder Schleim), starke Bauchschmerzen, Dickdarmentzündung (Kolitis)
- Lunge: Kurzatmigkeit, Husten, Lungenentzündung (Pneumonie)
- Leber: Leberentzündung (Hepatitis)
- Endokrine Symptome (hormonproduzierende Organe): Chronische Erschöpfung (Fatigue), Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen, übermäßiger Durst oder Appetit, übermäßiges und/oder häufiges Wasserlassen
- Seltener sind Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Muskelschwäche oder Muskelschmerzen oder Taubheitsgefühle
Die meisten Nebenwirkungen sind nur leicht bis mäßig ausgeprägt. Außerdem können sie sich zurückbilden, wenn Ärztinnen und Ärzte sie frühzeitig erkennen und ausreichend behandeln. Informieren Sie daher sofort Ihr Behandlungsteam über Symptome, die neu auftreten, sich verschlechtern oder Ihnen Sorgen bereiten.
Bei einer Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren treten die Nebenwirkungen meist innerhalb weniger Wochen oder Monate dem Beginn der Behandlung auf. Sie können aber sich aber auch zu jedem anderen Zeitpunkt entwickeln, etwa einige Tage nach der ersten Infusion oder auch ein Jahr nach dem Ende der Immunbehandlung. Daher ist es wichtig, für Symptome und Veränderungen aufmerksam zu bleiben und sich schnell ärztliche Hilfe zu suchen. Eine rasche Behandlung der Nebenwirkungen und Symptome ist entscheidend. Sie lassen sich oft mit Medikamenten bessern, zum Beispiel die Hautprobleme oder der Durchfall.
Wie sieht die Zukunft der Immuntherapie bei Brustkrebs aus?
Es gibt viele Studien zur Immuntherapie bei verschiedenen Krebsarten, auch bei Brustkrebs. Eine Studie fand heraus, dass Frauen mit einem triple-negativen Brustkrebs im Frühstadium von einer Kombination aus Immuntherapie und Chemotherapie vor der Operation (neoadjuvant) profitieren könnten. Nach der OP wurden sie weiter mit der Immuntherapie behandelt. Das Gesamtüberleben nach fünf Jahren verlängerte sich im Vergleich zu Frauen, die eine Chemotherapie allein erhalten hatten (86,6 Prozent versus 81,7 Prozent nach 60 Monaten).
Welche weiteren Arten der Immuntherapie gibt es?
Neben den Immun-Checkpoint-Inhibitoren gibt es noch einige andere Arten der Immuntherapie. Diese therapeutischen Ansätze befinden sich aber noch in der Erforschung und Entwicklung. Sie werden daher meist nur im Rahmen klinischer Studien angewendet.
Eine Variante der Immuntherapie sind Krebsimpfstoffe, die sich als „therapeutische Krebsimpfungen“ nutzen lassen. Sie sollen das Immunsystem schärfen und es dabei unterstützen, Merkmale von Krebszellen wieder zu erkennen und die Tumorzellen zu beseitigen. Eine therapeutische Krebsimpfung bedeutet, dass ein Mensch schon an Krebs erkrankt ist. Dies ist ein Unterschied zu einer „normalen“ Impfung, die präventiv wirkt und vor einer Erkrankung schützen soll. So soll eine Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs (HPV-Impfung) die Entwicklung dieser Krebsart verhindern.
Ein Beispiel für eine therapeutische Krebsimpfung ist die mRNA-Impfung. Die Abkürzung „mRNA“ kennen wohl die meisten Menschen im Zusammenhang mit dem Coronaimpfstoff (Covid-19-Impfung). Die mRNA-Impfung gegen Krebs wird intensiv erforscht, auch in Kombination mit den Checkpoint-Inhibitoren (zum Beispiel bei schwarzem Hautkrebs). Sie wird aber noch nicht im klinischen Alltag angewendet.
Zur Immuntherapie gehören zudem onkolytische Viren. Das sind besondere Viren, die nur Krebszellen befallen. Onkolytische Viren wirken auf verschiedene Weisen. Einige Viren besitzen die Fähigkeit, Krebszellen direkt anzugreifen und zu beseitigen. Sie dringen in die Krebszellen ein (infizieren sie), vermehren sich dort und zerstören (lysieren) sie dann. Andere onkolytische Viren wirken indirekt, indem sie eine Immunantwort auslösen oder Giftstoffe (Toxine) produzieren, welche die Krebszellen abtöten. Onkolytische Viren kommen im Rahmen medizinischer Studien zum Einsatz, sie sind kein Standard in der Krebstherapie.
Auch die sogenannte CAR-T-Zelltherapie ist eine besondere Art der Immuntherapie. Das Kürzel „CAR“ steht für „Chimärer Antigen-Rezeptor“. Das sind spezielle gentechnisch hergestellte Andockstellen auf den T-Zellen. Für die CAR-T-Zelltherapie werden Patientinnen und Patienten Immunzellen (T-Zellen) entnommen, im Labor zu sogenannten CAR-T-Zellen umgewandelt und dann wieder als Infusion in den Körper zurückgegeben. CAR-T-Zellen können Krebszellen erkennen und bekämpfen. Die CAR-T-Zelltherapie kann zum Beispiel bei Leukämien (Blutkrebs) und Lymphomen (Lymphdrüsenkrebs) eine Behandlungsmöglichkeit sein.
- Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Langversion 4.4 – Juni 2021, abgerufen am 16.2.2025
- Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO), Patientenratgeber Brustkrebs, abgerufen am 16.2.2025
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ):
- Krebsliga Schweiz, Medikamente gegen Krebs, Immuntherapie, abgerufen am 16.2.2025
- NCT Heidelberg, medizinische Onkologie, Forschung, Virotherapie, abgerufen am 17.2.2025
- Moffitt Cancer Center, treatments, immunotherapy, abgerufen am 17.2.2025
- European Society for Medical Oncology (ESMO), Patientenleitlinie Was sind Immuntherapie-bedingte Nebenwirkungen?, abgerufen am 17.2.2025
- Schmid P et al. Overall Survival with Pembrolizumab in Early-Stage Triple-Negative Breast Cancer. New England Journal of Medicine, Onlinevorabveröffentlichung am 15. September 2024, DOI: 10.1056/NEJMoa2409932 , abgerufen am 17.2.2025
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