Mamma Mia › Gebärmutterkrebs › Inkontinenz bei Gebärmutterkrebs – was hilft?
Eine Inkontinenz bei Gebärmutterkrebs ist unangenehm und oft mit einem Tabu behaftet. Sie kann sowohl die Harnblase (Harninkontinenz) als auch den Darm (Stuhlinkontinenz) betreffen. Viele empfinden Scham und trauen sich nicht zu sagen, dass sie den Urin oder Stuhl nicht mehr ausreichend halten können. Wichtig ist aber, dass Sie Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt von Ihren Beschwerden erzählen. Mit einer Inkontinenz sind Sie auch nicht allein, denn sie kann im Rahmen vieler verschiedener Erkrankungen vorkommen. Es gibt aber einige Maßnahmen, die bei einer Inkontinenz Abhilfe schaffen können – sie reichen von Beckenbodentraining über Biofeedback bis hin zum Blasentraining mit einem Toiletten- und Trinkprotokoll.
Inkontinenz nach Operation oder Bestrahlung
Eine Harn- oder Stuhlinkontinenz kann bei Frauen mit einem Endometriumkarzinom nach einer Operation oder Strahlentherapie auftreten, wenn auch selten. Die Gebärmutterkrebs-OP kann – je nach Stadium – unterschiedlich umfangreich ausfallen und auch die umliegenden Organe betreffen. Wenn Operateurinnen und Operateure dabei zum Beispiel Nerven oder die Muskulatur der Harnblase verletzen, kann die Funktion der Harnblase anschließend beeinträchtigt sein. Eine Bestrahlung kann dagegen das Gewebe der Harnblase reizen und die Funktion der Blasenmuskulatur stören.
Probleme mit der Kontinenz sind dann keine Seltenheit. Frauen erleben zum Beispiel plötzlichen Harndrang, müssen häufiger zur Toilette oder verlieren unwillkürlich Urin. Ein unkontrollierter Harnverlust beängstigt, besorgt und belastet viele Frauen in ihrem Alltag.
Welche Formen der Inkontinenz gibt es?
Medizinerinnen und Mediziner unterscheiden verschiedene Formen der Inkontinenz. Bei Gebärmutterkrebs kommen meist diese Inkontinenz-Arten vor:
- Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz): Bei körperlicher Anstrengung geht ungewollt Urin ab. Dies kann zum Beispiel beim Sport, Heben und Tragen schwerer Lasten, Hüpfen, Springen oder beim Husten und Niesen der Fall sein. Dabei nimmt der Druck auf den Bauchraum und die Harnblase zu. Wenn der Blasenschließmuskel nicht ausreichend funktioniert, ist der Harnverlust nicht aufzuhalten. Bei einer Belastungsinkontinenz ist das Beckenbodentraining (siehe unten) die Therapie der Wahl. Es gibt Hinweise darauf, dass das Training unter professioneller Anleitung erfolgreicher ist, als wenn Sie es eigenverantwortlich durchführen. Zusätzlich können Biofeedback oder Elektrostimulation die Wirkungen des Beckenbodentrainings verstärken.
- Dranginkontinenz („überaktive Blase“): Dabei setzt plötzlich und unerwartet ein heftiger Harndrang ein, obwohl die Harnblase kaum gefüllt ist. Der Urinverlust lässt sich dann oft nicht verhindern. Eine Dranginkontinenz lässt sich verschieden behandeln, zum Beispiel durch ein Blasentraining oder Beckenbodentraining. Zudem könnte die Elektrostimulation eventuell helfen (siehe unten). Auch Medikamente können einen gesteigerten Harndrang lindern. Besprechen Sie sich dazu immer mit Ihrem Behandlungsteam, welche Therapien für Sie infrage kommen.
- Mischinkontinenz: Dies ist eine Kombination aus Belastungs- und Dranginkontinenz – auch hier kann Ihnen ein Beckenbodentraining hilfreich sein.
- Stuhlinkontinenz: Diese Form der Inkontinenz lässt sich mit einem Afterschließmuskel- oder Beckenbodentraining behandeln. Ob der zusätzliche Einsatz von Biofeedback und Elektrostimulation bessere Ergebnisse zeigt als das Beckenbodentraining allein, ist aber noch unklar.
Bei der Diagnose einer Inkontinenz kann Ärztinnen und Ärzten ein „Blasentagebuch“ (Miktionsprotokoll) helfen. Darin notieren Sie über mehrere Tage, wann und wieviel Sie getrunken haben, wann Sie die Toilette besucht haben und wie viel Urin Sie ausgeschieden haben. Ärztinnen und Ärzte können diese Daten interpretieren und anschließend die passende Behandlung finden.
Tipp! Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft bietet einen Kontinenz-Fragebogen. In diesem halten Sie zum Beispiel fest, wie häufig und ausgeprägt der Urinverlust ist oder wie sehr Sie darunter leiden. Auch diese Informationen können für Ärztinnen und Ärzte hilfreich sein.
Hilfsmittel bei Inkontinenz
In Drogerien, Apotheken, Sanitätshäusern und im Internet sind inzwischen verschiedenste Hilfsmittel für Menschen mit einer Inkontinenz erhältlich. Sie sorgen für mehr Sicherheit im Alltag und helfen dabei mit, dass unangenehme Situationen erst gar nicht entstehen. Aufsaugende Hilfsmittel wie Einlagen oder Slips nehmen den Urin auf und schließen ihn ein. Es gibt sie – je nach Stärke der Inkontinenz – in verschiedenen Größen und mit unterschiedlicher Saugkraft. Auch ableitende Inkontinenzhilfsmittel können eine Möglichkeit sein, zum Beispiel Katheter. Lassen Sie sich zu den passenden Hilfsmitteln fachlich beraten. Dann können Sie sich im Alltag freier und ohne Scham bewegen.
Beckenbodentraining
Das Beckenbodentraining ist eine sehr wichtige Maßnahme bei Inkontinenz. Vielen Frauen ist die Beckenbodengymnastik schon nach einer Schwangerschaft gut bekannt. Laut der Leitlinie „Endometriumkarzinom“ kann das Beckenbodentraining sowohl bei einer Belastungs-, Drang-, und Mischinkontinenz als auch bei einer Stuhlinkontinenz nach einer Gebärmutterkrebserkrankung helfen. Die Studiendaten zur Wirksamkeit des Beckenbodentrainings wurden allerdings nicht speziell bei Frauen mit Gebärmutterkrebs erhoben, sondern beziehen sich allgemein auf die Inkontinenz bei Frauen.
- Der Beckenboden ist eine „Muskelplatte“, die den Bauchraum und die Organe im Becken von unten her abschließt. An den Seiten ist der Beckenboden leicht nach oben gebogen (optisch sieht der Beckenboden wie eine Art „Hängematte“ aus).
- Die meisten Menschen spüren ihren Beckenboden im Alltag nicht.
- Der Beckenboden lässt sich trainieren wie jeder andere Muskel auch.
Ein Beckenbodentraining können Sie bei einer Physiotherapeutin oder einem Physiotherapeuten erlernen. Meist ist das Beckenbodentraining ein Teil der Reha bei Gebärmutterkrebs. Wenn Sie die Beckenbodenübungen richtig erlernt haben, können Sie anschließend selbst durchführen.
Bis sich erste Erfolge durch das Beckenbodentraining einstellen, brauchen Sie jedoch ein wenig Geduld. Sie müssen regelmäßig üben. Aber nach drei bis sechs Monaten Beckenbodengymnastik bessert sich die Inkontinenz in vielen Fällen.
Tipp! Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft bietet Infos und Adressen von zertifizierten Kontinenz- und Beckenbodenzentren in Deutschland und in der Schweiz.
Biofeedback
Die Wirksamkeit des Beckenbodentrainings lässt sich womöglich durch Biofeedback unterstützen. Diese Methode arbeite mit dem Prinzip der „Rückkoppelung“. Den Erfolg Ihres Trainings bekommen Sie widergespiegelt, zum Beispiel über optische oder akustische Signale. Diese Rückmeldung zeigt Ihnen, wie gut Sie Ihre Muskeln beim Beckenbodentraining an- und entspannen. Sie bekommen dadurch ein noch besseres Gefühl für das Training und Ihren Beckenboden. Außerdem über- und unterfordern Sie Ihre Muskeln nicht.
Beim Biofeedback kommt ein kleiner Sensor in der Scheide zum Einsatz, der die Spannung des Beckenbodens misst. Es gibt auch Biofeedbackgeräte für zuhause. Somit können Sie auch in den eigenen vier Wänden in Ruhe üben.
Funktionelle Elektrostimulation (FES)
Die funktionelle Elektrostimulation (FES) gehört zu den physikalischen Therapien. Sie arbeitet mit einem schwachen Reizstrom (daher auch Reizstromtherapie). Eine Elektrostimulation kann die Inkontinenz womöglich ebenfalls verbessern. Dabei stimulieren feine elektrische Impulse Nerven oder Muskeln, die einen Einfluss auf die Blasenfunktion haben. Diese steuern die Tätigkeit der Harnblase und ihre Verschlussmechanismen. Wenn die Nerven und Muskeln durch die Elektrostimulation wieder besser funktionieren, bessert sich oft auch die Inkontinenz.
Blasentraining
Bei einem Blasentraining soll die Blase „lernen“, sich stärker auszudehnen und mehr Harn zu speichern. Dem ersten Harndrang geben Sie nicht sofort nach und zögern den Gang zur Toilette immer weiter hinaus. Zwei wesentliche Bausteine das Blasentraining sind ein Toilettenprotokoll und ein Trinkplan.
Tipp! Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft bietet einen Vordruck für Toilettenprotokoll und Trinkplan an.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) gibt einige Tipps zum Toilettenplan:
- Gehen Sie in festgelegten Zeitabständen zur Toilette, um Ihre Blase an den neuen Rhythmus zu gewöhnen. Beispiele: direkt nach dem Aufstehen, vielleicht nochmals nach dem Frühstück, dann in möglichst gleichmäßigen Abständen zur Toilette gehen.
- Gehen Sie nicht vorbeugend zur Toilette. Sie trainieren Ihre Blase sonst darauf, dass sie sich schon bei geringer Füllung durch Harndrang meldet.
- Üben Sie, Ihre Blase nicht sofort zu entleeren, wenn Sie Harndrang verspüren. Meist beruhigt sich die Blase wieder und der Harndrang vergeht. Gehen Sie außerdem in normales Tempo zur Toilette und rennen Sie nicht.
- Dehnen Sie die Intervalle zwischen den Toilettengängen immer weiter aus, aber tun Sie dies stressfrei. Versuchen Sie zum Beispiel, den Harndrang erst fünf, dann zehn, 15 oder 20 Minuten auszuhalten.
Halten Sie zudem Ihre tägliche Trinkmenge in einem Trinkprotokoll fest. Viele Menschen mit einer Inkontinenz nehmen nicht genügend Flüssigkeit zu sich, um häufige Toilettenbesuche zu vermeiden. Für den Körper und auch die Harnblase ist ein Flüssigkeitsmangel aber nicht gesund.
Einige Tipps des IQWIG zum Trinkplan:
- Trinken Sie ausreichend, etwa zwei Liter pro Tag. Wenn Sie zu wenig Flüssigkeit aufnehmen, wird der Urin konzentrierter (der Wassergehalt ist zu niedrig). Dies kann die Blasenschleimhaut und den Blasenmuskel reizen und die Inkontinenz verstärken.
- Nehmen Sie vor oder zu jeder Mahlzeit ein Getränk zu sich. Trinken Sie etwa ein bis zwei Gläser Wasser, am besten ohne Kohlensäure. Ansonsten können Sie auch Säfte oder Tee trinken.
- Für eine ungestörte Nachtruhe sollten Sie ungefähr zwei Stunden vor dem Zubettgehen wenig oder nichts mehr trinken.
- Verzichten Sie vor dem Schlafengehen auf harntreibende Getränke wie Kaffee, Alkohol oder schwarzen und grünen Tee. Auch Nieren-, Blasen- oder Brennnesseltee können die Urinproduktion ankurbeln und zu nächtlichen Toilettenbesuchen führen.
- Harntreibende Getränke sind tagsüber nicht ratsam, wenn Sie zum Beispiel viel unterwegs sind.
Ernährung bei Inkontinenz
Das Kontinenzzentrum Schweiz gibt einige Tipps zur Ernährung bei Inkontinenz, die Sie ausprobieren können:
- Joghurt oder Milch enthalten viele gesundheitsfördernde Bakterien (Probiotika). Ein regelmäßiger Verzehr könnte sich positiv auf die Blasengesundheit auswirken.
- Cranberries enthalten Stoffe, die antibakterielle Wirkungen besitzen. Sie können dabei mithelfen, Blasenentzündungen zu vermeiden. Vor allem bei einer Blasenschwäche aufgrund von wiederkehrenden Blasenentzündungen könnte der Verzehr von Cranberries hilfreich sein.
- Eine ausgewogene Ernährungsweise, die viele Ballaststoffe enthält, ist allgemein empfohlen. Sie sorgt dafür, dass die Verdauung gut funktioniert. Besonders ballaststoffreich sind Gemüse, Obst und Vollkornprodukte.
- Verzehren Sie Nahrungsmittel, welche die Urinproduktion steigern, nur in Maßen. Dazu gehören zum Beispiel Spargel, Bananen oder Kartoffeln.
- Scharfe und saure Lebensmittel wie Pfeffer, Chili, Ingwer, Orangen oder Limetten können entwässernd wirken und die Urinproduktion erhöhen. Sie enthalten zusätzlich Reizstoffe, die sich ungünstig für die ohnehin gereizte Blase auswirken können.
- S3-Leitlinie „Endometriumkarzinom“, Stand Juni 2024, abgerufen am 31.8.2024
- Deutsche Kontinenz Gesellschaft, Informationsbroschüre, Harn- und Stuhlinkontinenz, abgerufen am 31.8.2024
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), wie funktioniert ein Blasentraining
- Cochrane, Konservative Interventionen zur Behandlung von Harninkontinenz bei Frauen
- Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF), Harninkontinenz, Therapie-/Behandlungsmöglichkeiten, abgerufen am 1.9.2024
- Deutsche Krebsgesellschaft, Gebärmutterkörperkrebs, Besonderheiten, abgerufen am 1.9.2024
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Gebärmutterkörperkrebs, Nachsorge und Reha, abgerufen am 1.9.2024
- Kontinenzzentrum Schweiz, die richtige Ernährung bei Blasenschwäche und Inkontinenz, abgerufen am 8.9.2024
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Die Informationen auf dieser Seite können eine professionelle Beratung durch ausgebildete und anerkannte Ärztinnen und Ärzte nicht ersetzen. Auch dienen sie nicht dazu, eigenständig eine Diagnose zu stellen oder eine Therapie einzuleiten.