Medizinische Leitlinien – was ist das?

Redaktion Mamma Mia!

Medizinische Leitlinien
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Medizinische Leitlinien geben Ärztinnen und Ärzten Handlungsempfehlungen zu Diagnostik und Therapien bei vielen Erkrankungen wie zum Beispiel Gebärmutterkrebs. Sie fassen das qualitativ hochwertigste Wissen zusammen und sollen die medizinische Versorgung verbessern.

Medizinische Leitlinien gibt es zu vielen verschiedenen Erkrankungen, auch zur Gebärmutterkrebs. Dort sind Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des Endometriumkarzinoms festgehalten. Leitlinien beinhalten das qualitativ beste und aktuelle Wissen zu einer Krankheit, das derzeit aus der aktuellen Studienlage verfügbar ist.

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) definiert den Begriff und die Bedeutung von Leitlinien so:

  • Systematisch entwickelte Aussagen und Handlungsempfehlungen, die den gegenwärtigen Erkenntnisstand zu einer Krankheit widerspiegeln.
  • Sollen die Entscheidungsfindung von Ärztinnen, Ärzten, Angehörigen weiterer Gesundheitsberufe, Patientinnen, Patienten, Bürgerinnen und Bürgern für eine angemessene Versorgung bei spezifischen Gesundheitsproblemen unterstützen.
  • Sollte auf einer systematischen Sichtung und Bewertung der nachgewiesenen Wirksamkeit (Evidenz) und einer Abwägung von Nutzen und Schaden alternativer Vorgehensweisen basieren.

 

Leitlinien sind wichtige Instrumente zur Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen. Patientinnen und Patienten sollen in jeder Arztpraxis und Klinik die bestmögliche Diagnostik und Behandlung erhalten. Die medizinische Versorgung soll sich durch aktuelles, systematisch zusammengetragenes und kritisch bewertetes Wissen verbessern.

Was sind die Merkmale einer Leitlinie?

Viele verschiedene Expertinnen und Experten schreiben an einer medizinischen Leitlinie zu einem Krankheitsbild mit. Sie nehmen publizierte Studien genau unter die Lupe, bewerten ihre Ergebnisse, stufen ihre Aussagekraft ein, bewerten den Nutzen und Schaden einer Untersuchung oder Therapie und geben auf dieser Basis ihre Empfehlungen zum ärztlichen Vorgehen. Zu den Therapieempfehlungen gehören meist auch Maßnahmen zur psychosozialen Unterstützung, Rehabilitation und Nachsorge.

Leitlinien werden regelmäßig aktualisiert, damit neues Wissen aus der Forschung mit einfließen kann. Weil überall auf der Welt zu Krankheiten und Therapien geforscht wird, gibt es oft Fortschritte bei Behandlungen. Und diese sollen Patientinnen und Patienten schnell zugutekommen. Meist gilt für den Aktualisierungszyklus ein Zeitraum von fünf Jahren. Die Gültigkeitsdauer einer Leitlinie kann aber auch kürzer sein, wenn es neue medizinische Erkenntnisse gibt, die schnell in die Leitlinie einfließen und von denen Patientinnen und Patienten profitieren sollen. Manchmal wird die Gültigkeitsdauer einer Leitlinie auch verlängert.

Wichtig ist, dass die Empfehlungen für Diagnosemethoden und Behandlungen für Ärztinnen und Ärzte rechtlich nicht verbindlich sind. Die AWMF beschreibt die Empfehlungen als „Handlungs- und Entscheidungskorridore“. Es gibt also einen gewissen Entscheidungsspielraum, weil auch immer der individuelle Fall eine Rolle spielt. Ärztinnen und Ärzte können oder müssen manchmal anders vorgehen als die Leitlinie rät. Wenn sie von den Empfehlungen abweichen, sollten sie dies jedoch begründen können.

Gewichtet ist auch die Stärke der Handlungsempfehlungen. Es gibt verschiedene Empfehlungsgrade, zum Beispiel:

  • Starke Empfehlung: soll
  • Empfehlung: sollte
  • Empfehlung offen: kann

 

Auch die Konsensstärke wird in den Leitlinien angegeben. Ein starker Konsens bedeutet zum Beispiel, dass mehr als 95 Prozent der Stimmberechtigten zugestimmt haben. Die Formulierung „Keine mehrheitliche Zustimmung“ heißt, dass weniger als 50 Prozent zugestimmt haben.

Medizinische Leitlinien richten sich in erster Linie an Ärztinnen und Ärzte, aber auch an Pflege- und Gesundheitsfachkräfte. Geschrieben ist eine Leitlinie in medizinischer Fachsprache. Sie verwendet viele Fachausdrücke, die für medizinische Laien meist unverständlich sind.

Für manche Erkrankungen sind Patientenleitlinien verfügbar, auch für Gebärmutterkrebs.  Die wesentlichen Inhalte, Empfehlungen und Aussagen sind hier allgemeinverständlich „übersetzt“. Die Informationen sollen für Patientinnen und Patienten mit einem Krankheitsbild nachvollziehbar und hilfreich sein. Patientenleitlinien gibt es kostenlos im Internet.

Schon gewusst?

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e. V. bietet eine Übersicht über Patientenleitlinien zu den verschiedenen Erkrankungen.

Wie entstehen Leitlinien?

Medizinische Leitlinien werden meist systematisch nach einem bestimmten Verfahren erstellt:

  • Leitlinienkommission bilden: Besetzt ist die Kommission mit Expertinnen und Experten aus dem Fachgebiet, um das es in der Leitlinie geht (zum Beispiel Gebärmutterkrebs). Die Federführung übernimmt meist ein Mitglied der medizinischen Fachgesellschaft, die sich mit dieser Erkrankung beschäftigt. Inzwischen sind an der Erstellung von Leitlinien oft auch Patientenorganisation beteiligt (bei der Leitlinie „Endometriumkarzinom“ die Frauenselbsthilfe Krebs e. V.)
  • Wissen sammeln: Die Leitlinienkommission recherchiert verschiedene Quellen wie Studien oder Publikationen und trägt das Wissen zu einer Erkrankung möglichst vollständig zusammen. Dann bewertet sie die Informationen nach festgelegten Kriterien. Die Kommission diskutiert unterschiedliche Einschätzungen und Standpunkte. Diese sollen angemessen in die Leitlinie einfließen. „Strukturierte Konsensfindung“ heißt dieses Vorgehen.
  • Interessenskonflikte offenlegen: Wichtig ist, dass die Mitglieder der Kommission mögliche Interessenskonflikte angeben. Beispiel: Ein Mitglied könnte für ein pharmazeutisches Unternehmen gearbeitet haben, das Medikamente gegen jene Krankheit herstellt, um die es in der Leitlinie geht. Dann sollte dies für alle erkennbar sein.

Welche Arten von Leitlinien gibt es?

Medizinische Leitlinien lassen sich in vier verschiedene Stufen unterteilen. Anhand ihrer Klassifizierung (dem Kürzel, das der Leitlinie vorangestellt ist) lässt es sich erkennen, wie verlässlich und aussagekräftig die Leitlinie ist:

S3-Leitlinie

Sie ist die höchste Stufe einer medizinischen Leitlinie und am verlässlichsten. Die Kommission ist repräsentativ besetzt und das Wissen wird systematisch gesammelt und bewertet. Außerdem wird bei unterschiedlichen Einschätzungen ein Konsens durch ein geregeltes Verfahren erzielt. Die Erstellung einer S3-Leitlinie ist sehr aufwändig und kann mehrere Jahre dauern. Zu einer S3-Leitlinie gibt es normalerweise auch eine Patientenleitlinie in allgemeinverständlicher Sprache.

S2e-Leitlinie

Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Leitlinien-Kommission das Wissen aus verschiedenen Quellen systematisch zusammenträgt. Wenn Expertinnen und Experten unterschiedliche Auffassungen vertreten, gibt es jedoch keine strukturierte Konsensfindung.

S2k-Leitlinie

Sie wird von einer Kommission erstellt, die sich aus Expertinnen und Experten des Fachgebietes zusammensetzt, um das es in der Leitlinie geht (zum Beispiel Gebärmutterkrebs). Die Empfehlungen basieren auf einem Konsens, der in einem strukturierten Prozess gefunden wird. Wie bei der S1-Leitlinie wird hier das Wissen nicht systematisch gesammelt und bewertet. Daher sind S2k-Leitlinien nicht sehr verlässlich.

S1-Leitlinie

Eine repräsentativ zusammengesetzte Gruppe von Expertinnen und Experten der Fachgesellschaft(en) erarbeitet im Konsens eine Empfehlung, die der Vorstand der Fachgesellschaft(en) und eventuell weitere beteiligte Organisationen verabschieden. Das Wissen wurde in einer S1-Leitlinie nicht systematisch zusammengetragen und bewertet. Eine S1-Leitlinie umfasst nur Handlungsempfehlungen von Expertinnen und Experten. Sie ist nur wenig verlässlich, besitzt also einen geringen Evidenzgrad.

  1. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V., Leitlinien und Regelwerk, abgerufen am 15.7.2024
  2. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), Was sind Leitlinien, abgerufen am 15.7.2024
  3. Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Leitlinien, abgerufen am 15.7.2024
  4. Stiftung Gesundheitswissen, medizinische Leitlinien – Hilfe bei der Therapieentscheidung, abgerufen am 16.7.2024

NP-DE-AOU-WCNT-240011 (08/24)

Mit freundlicher
Unterstützung von GlaxoSmithKline

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