Einen Schwerbehindertenausweis können Menschen mit einer Erkrankung wie Krebs (zum Beispiel Brustkrebs, Eierstockkrebs, Gebärmutterkrebs) beantragen. Als schwerbehindert gelten Menschen, denen das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und darüber zuerkennt. Aber diesem Wert bekommen Sie einen Schwerbehindertenausweis ausgehändigt. Bei einer Krebserkrankung bekommen Sie in Ihrem Erstantrag fast immer den GdB 50. Der Grad der Behinderung variiert zwischen 20 und 100 und wird immer in Zehnerschritten erhöht. Sprechen Sie mit Ihrem Behandlungsteam bei einer Krebserkrankung über die Möglichkeit des Schwerbehindertenausweises. Sie müssen jedoch einige medizinische Nachweise zu Ihrer Erkrankung vorlegen.
Einige Zahlen und Fakten zur Schwerbehinderung in Deutschland, die das Statistische Bundesamt im Jahr 2022 veröffentlicht hat:
- In Deutschland leben rund 7,8 Millionen mit einer Schwerbehinderung. Das entspricht mehr als neun Prozent der gesamten Bevölkerung.
- Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen.
- Knapp die Hälfte der schwerbehinderten Menschen ist zwischen 55 und 74 Jahre alt.
- Bei 90 Prozent der Schwerbehinderungen ist eine Erkrankung die Ursache.
- Die meisten schwerbehinderten Menschen (58 Prozent) haben eine körperliche Behinderung, zum Beispiel eine Funktionseinschränkung der Arme und/oder Beine. Bei zwei Prozent war der Verlust einer oder beider Brüste der Grund für die Schwerbehinderung.
- 22 Prozent der schwerbehinderten Menschen hatten den höchsten Grad der Behinderung von 100. Bei 34 Prozent war ein Behinderungsgrad von 50 festgestellt worden.
Was ist ein Schwerbehindertenausweis?
Ein Schwerbehindertenausweis ist ein Dokument, das jene Nachteile zumindest teilweise ausgleichen soll, die aufgrund einer Erkrankung entstanden sind. Diese Nachteilsausgleiche beziehen sich auf körperliche, seelische und geistige Einschränkungen, die den Alltag und Beruf maßgeblich beeinflussen. Der GdB richtet sich nach der Schwere dieser Einbußen.
Das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) regelt die Teilhabe und Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen. Es ist im Jahr 2001 in Kraft getreten und umfasst das Schwerbehinderten- und Rehabilitationsrecht. Es hat verschiedene Ziele. So soll es zum Beispiel:
- die Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit einer Behinderung fördern,
- Benachteiligungen entgegenwirken beziehungsweise vermeiden,
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewähren und
- die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit einer Behinderung berücksichtigen.
Wer an Krebs erkrankt ist, kann grundsätzlich einen Schwerbehindertenausweis beantragen, unabhängig von der Krebsart. In der Regel gewähren die zuständigen Versorgungsämter bei einer bösartigen Tumorerkrankung mindestens einen GdB von 50.
Ein Schwerbehindertenausweis bietet ihren Besitzerinnen und Besitzern verschiedene Vorteile, zum Beispiel die Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes oder mehr Urlaubstage als sonst. Zusätzlich gibt es sogenannte Merkzeichen. Gewährt das Versorgungsamt diese, sind noch weitere Vergünstigungen möglich. Die folgende Tabelle zeigt wichtige Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis und wofür sie stehen:
Merkzeichen | Bedeutung |
G | Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr |
aG | Außergewöhnliche Gehbehinderung |
H | Hilflosigkeit |
Bl | Blindheit |
Gl | Gehörlosigkeit |
TBl | Taubblindheit |
B | Begleitperson |
RF | Rundfunk / Fernsehen – Ermäßigung der Gebühren ist möglich |
1. Kl | 1. Klasse – berechtigt zur Nutzung der 1. Klasse der Deutschen Bahn mit Fahrkarte für die 2. Klasse |
Der Schwerbehindertenausweis bei Krebs ist in der Regel nur für ein bestimmtes Zeitintervall gültig. Eine Krebserkrankung gilt nach den derzeitigen Kriterien, die unter anderem die Rückfallgefahr berücksichtigen, nach fünf Jahren als geheilt. Der Fachbegriff dafür ist die sogenannte „Heilungsbewährung“. Der Ausweis gilt daher für höchstens fünf Jahre. Sie können den Ausweis aber erneut beantragen beziehungsweise verlängern lassen – je nach gesundheitlicher Befindlichkeit. Der GdB sowie die Merkzeichen lassen sich an die individuelle Situation der Erkrankung anpassen.
- Mit Lichtbild
- Im Scheckkartenformat
- Nachweis über den Status als schwerbehinderter Mensch (bundesweit einheitlich)
- Gibt Auskunft über die Schwere der Behinderung
- Dokumentiert Grad der Behinderung (GdB) und – falls gewährt – die Merkzeichen
- Zeigt die Gültigkeit
- Auch in englischer Sprache
- Mit Kennzeichnung in Brailleschrift für blinde und sehbehinderte Menschen
Warum kann Krebs eine Schwerbehinderung sein?
Es gibt mehrere Gründe, warum Krebs eine Schwerbehinderung sein kann. Die Krebserkrankung selbst kann Symptome und Beschwerden verursachen, aber auch die Krebstherapien wie eine Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung gehen an den meisten nicht spurlos vorbei. Viele krebskranke Menschen fühlen sich körperlich, seelisch und geistig enorm belastet. Sie haben zum Beispiel mit körperlichen Einschränkungen, einer übermäßigen Erschöpfung (Fatigue), Schmerzen, Ängsten oder depressiven Verstimmungen zu kämpfen. Diese können den Alltag und die Teilhabe am Leben einschränken. Viele können ihren Alltagstätigkeiten nicht mehr wie gewohnt nachgehen, ihr Sozialleben aktiv gestalten oder ihren Beruf ausüben wie zuvor.
Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis
Menschen mit einer Krebserkrankung sind prinzipiell berechtigt, einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis zu stellen. In der Regel wird ein GdB von 50 (und mehr) gewährt, je nach individueller Situation und persönlichen Einschränkungen.
Wichtig: Inhaberinnen und Inhaber des Schwerbehindertenausweises müssen ihren Wohnsitz in Deutschland haben, hierzulande arbeiten oder sich gewöhnlich hier aufhalten.
Wo und wie kann ich einen Antrag stellen?
Für den Schwerbehindertenausweis müssen Sie zunächst einen Antrag stellen, um den Grad der Behinderung ermitteln zu lassen. Diesen Antrag reichen Sie beim zuständigen Versorgungsamt an Ihrem Wohnort beziehungsweise der nach dem jeweiligen Landesrecht zuständigen Behörde ein. Die Adresse können Sie selbst im Internet recherchieren oder beim Bürgeramt Ihrer Stadt erfragen.
- Das entsprechende Antragsformular bieten die meisten Bundesländer inzwischen im Internet als PDF-Download an.
- Eine Übersicht bietet die Webseite einfach-teilhaben.de des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) an. Dort können Sie nach der richtigen Anlaufstelle in Ihrem Bundesland suchen – von Baden-Württemberg bis Thüringen.
Eine Gutachterin oder ein Gutachter bewertet jeden individuellen Fall und gewährt den entsprechenden Grad der Behinderung. Bei Krebs wird meist ein GdB 50 zugesprochen (beim Erstantrag). Ab diesem GdB erhalten Sie einen Schwerbehindertenausweis. Er ist längstens für fünf Jahre gültig. Nur sehr selten wird der Ausweis ohne eine Frist ausgestellt. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn keine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes und damit eine neue Einstufung des GdB zu erwarten ist.
Ungefähr drei Monate vor Ablauf des Ausweises sollten Sie sich um eine Verlängerung kümmern. Sie müssen erneut Kontakt mit dem Versorgungsamt aufnehmen und eine Verlängerung beantragen und begründen. Die Ausweise werden seit dem Jahr 2015 im Scheckkartenformat (ähnlich Kreditarte von der Bank oder Personalausweis) ausgehändigt. Die Ämter müssen sie nach dem Ablauf komplett neu ausstellen. Ältere Ausweise besitzen aber weiterhin Gültigkeit und lassen sich zudem auf dem Papier einige Male verlängern.
Wichtige Unterlagen und ärztliche Nachweise
In Ihrem Antrag müssen Sie Angaben zu Ihrer Person machen, zum Beispiel Name, Geburtsdatum, Wohnort, Adresse. Zudem brauchen die Behörden Informationen zu Behinderungen, bestehenden Erkrankungen, ärztlichen Behandlungen sowie zu Aufenthalten im Krankenhaus oder in der Reha. Am besten fügen Sie Ihrem Antrag sämtliche Dokumente bei, die Sie haben. Ansonsten müssen Sie die genannten Ärztinnen, Ärzte und Kliniken von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden, damit die Behörde die Unterlagen dort anfordern kann.
Ihr Behandlungsteam hilft Ihnen dabei, alle Unterlagen und ärztlichen Nachweise zusammenzustellen. Auch die Sozialverbände, zum Beispiel der VDK, können Unterstützung bei der Antragstellung bieten. In vielen Städten gibt es entsprechende Beratungsstellen.
Vorteile des Schwerbehindertenausweises bei Krebs
Ein Schwerbehindertenausweis bietet umfangreiche Vorteile und ist mit Vergünstigungen in verschiedenen Bereichen des Alltags verbunden.
Einige Beispiele:
- Der Eintritt in öffentlichen Institutionen und Freizeiteinrichtungen ist oft ermäßigt, zum Beispiel im Museum, Schwimmbad oder Kino.
- Manche Verbände und Vereine gewähren niedrigere Mitgliedsbeiträge, beispielsweise der ADAC.
- Eine Ermäßigung kann es zudem beim Rundfunkbeitrag geben (je nach Merkzeichen).
- Steuerliche Vorteile: Es gibt verschiedene Steuererleichterungen, beispielsweise bei der KFZ-Steuer oder durch einen Behindertenpauschbetrag, den Sie in Ihrer Steuererklärung steuermindernd geltend machen können. Übersteigen Ihre Kosten den geltenden Pauschbetrag, können Sie diese einzeln nachweisen und geltend machen.
- Sie erhalten Mobilitätshilfen wie einen Rollator, Gehstock oder Rollstuhl – so sollen Sie beweglich und möglichst selbstständig bleiben.
- Vergünstigungen sind auch im öffentlichen Nahverkehr möglich. Wenn eine erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr vorliegt, haben Sie Anspruch auf eine unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr. Ganz kostenlos ist die Beförderung aber nicht, sondern es gibt eine Eigenbeteiligung. Sie müssen beim Versorgungsamt eine Wertmarke erwerben.
- Auch bei den Parkrechten gibt es Sonderregelungen. Schwerbehinderte Menschen dürfen prinzipiell auf einem Behindertenparkplatz parken. Aber: Der Besitz eines Schwerbehindertenausweises genügt noch nicht, um einen Behindertenparkplatz zu nutzen. Sie brauchen dafür einen speziellen Parkausweis (blauen EU-Parkausweis), den Sie nur unter bestimmten Bedingungen erhalten. Im Schwerbehindertenausweis muss zum Beispiel das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) vermerkt sein.
In der Regel müssen Sie bei Einrichtungen Ihren Schwerbehindertenausweis vorlegen, weil viele Vergünstigungen auf freiwilliger Basis und nicht gesetzlich festgelegt sind. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf diese freiwilligen Ermäßigungen.
Sie können außerdem nicht automatisch jede Art von Nachteilsausgleich in Anspruch nehmen. Welcher Ihnen zugesprochen wird, hängt vom Grad der Behinderung, der Art Ihres Handicaps und den gewährten Merkzeichen ab.
Kündigungsschutz und Zusatzurlaub im Arbeitsrecht
Für Inhaberinnen und Inhaber eines Schwerbehindertenausweises, die berufstätig sind, gelten einige Besonderheiten zum Nachteilsausgleich.
Sie:
- erhalten Unterstützung bei der Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes.
- genießen einen besonderen Kündigungsschutz am Arbeitsplatz, meist für fünf Jahre. Vor einer Kündigung muss das Integrationsamt (eine Behörde für die Interessen von Schwerbehinderten) zustimmen.
- haben Anspruch auf zusätzlichen Urlaub (Sonderurlaub), meist sind es fünf Tage pro Jahr mehr
- können früher in Rente oder Pension gehen.
Widerspruch und Neufeststellung des GdB
Manche Menschen bekommen keinen GdB zugesprochen oder sind mit dem ermittelten GdB nicht einverstanden und empfinden ihn als zu niedrig. In diesem Fall können Sie Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Manchmal ist auch eine Neufeststellung des GdB sinnvoll, zum Beispiel, wenn sich der Gesundheitszustand maßgeblich verändert (verschlechtert) hat.
Was tun bei Ablehnung oder zu niedrigem GdB?
Wenn bei Ihnen erstmalig ein Grad der Behinderung ermittelt wird (bei einem Erstantrag) und Sie nicht einverstanden sind mit Ihrem Feststellungsbescheid, können Sie Widerspruch einlegen. Als Zeitraum gilt eine Frist von vier Wochen. Sie müssen in der Regel schriftlich widersprechen. Lassen Sie sich fachlich über das Vorgehen beraten, zum Beispiel von den Sozialverbänden.
Wann ist eine Neufeststellung des GdB sinnvoll?
Wenn Sie einen Schwerbehindertenausweis haben, gelten einige Pflichten. Sie müssen dem Versorgungsamt zum Beispiel mitteilen, wenn sich Ihr Gesundheitszustand wesentlich verändert hat – dies umfasst sowohl einer Verbesserung als auch eine Verschlechterung. Das Versorgungsamt prüft dies und passt den GdB sowie die Merkzeichen an die neue Situation an.
Sie können auch selbst einen Antrag auf die Neufeststellung des GdB stellen. Hier besteht aber auch die Möglichkeit, dass das Gutachten eine Verbesserung feststellt und den GdB herabstuft. Dies kann zu einem Verlust des Status als schwerbehinderter Mensch führen. Auch hier gilt daher: Lassen Sie sich umfassend vorher beraten.
Häufige Fragen zum Schwerbehindertenausweis bei Krebs
Wird der Schwerbehindertenausweis nach der Heilung entzogen?
Ein Schwerbehindertenausweis stellt das Versorgungsamt längstens für fünf Jahre aus, er ist also in aller Regel befristet. Eine Krebserkrankung gilt allgemein nach fünf Jahren ohne Rückfall als geheilt. Der Schwerbehindertenausweis kann nach der „Heilung“ (also nach fünf Jahren ohne Rezidiv) entzogen werden. Allerdings leiden viele Krebsüberlebende auch noch danach unter Beschwerden, die sie beeinträchtigen. Sie können einen erneuten Antrag stellen. Wird der GdB gewährt, fällt er aber meist niedriger aus.
Gilt der GdB für alle Krebsarten gleich?
Beim ersten Antrag auf einen GdB werden alle Krebsarten gleichbehandelt. Es macht also keinen Unterschied für den Grad der Behinderung, ob ein Mensch an Brustkrebs, Darmkrebs oder Prostatakrebs erkrankt ist. Die Diagnose „Krebs“ genügt, um einen GdB von 50 zu erhalten. Nach fünf Jahren ist die Lage etwas anders – dann wird Ihre derzeitige gesundheitliche Situation zugrunde gelegt und der GdB kann niedriger ausfallen.
Welche Fristen und Besonderheiten gibt es?
Den Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis können Sie schon früh stellen, etwa nach einer Operation oder dem Abschluss der Krebsbehandlungen, aber auch später. Auch eine rückwirkende Antragsstellung ist möglich, wenn eine Behinderung schon zu einem früheren Zeitpunkt vorlag. Für den Widerspruch gegen den Bescheid über den GdB gilt eine Frist von vier Wochen.
- einfach teilhaben, Bundesministerium für Soziales und Arbeit, Schwerbehindertenausweis, abgerufen am 18.3.2025
- Sozialverband VDK, Schwerbehindertenausweis, Merkzeichen, Behinderung und Antrag, abgerufen am 18.3.2025
- Aktion Mensch, Familienratgeber, Rechte und Leistungen, Schwerbehinderung, Schwerbehindertenausweis, abgerufen am 18.3.2025
- Deutsche Krebshilfe, Mit Krebs Leben, Sozialleistungen bei Krebserkrankungen, abgerufen am 18.3.2025
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Schwerbehinderung – Wann gilt für Krebspatienten ein besonderer Kündigungsschutz?, abgerufen am 19.3.2025
- Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung, Schwerbehinderung in Deutschland, abgerufen am 19.3.2025
- Bundesministerium der Justiz (BMJ), SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, abgerufen am 19.3.2025
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