Brustkrebs: Welche Therapien bei welchen Merkmalen?

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© iStock / Feodora Chiosea

Keine Brustkrebserkrankung ist wie die andere. Je besser Ärztinnen und Ärzte die Eigenschaften von Krebszellen verstehen, desto besser sind auch die Behandlungsmöglichkeiten. Welche Merkmale als Therapieziele bei einem Mammakarzinom gelten, zeigt der folgende Überblick. 

Aktualisierung: Mamma Mia! Redaktion 

In der Krebsmedizin gibt es jedes Jahr viele neu zugelassene Medikamente, auch für Brustkrebs Daher steigt auch die Zahl der krebskranken Menschendie von diesen neuen Therapien profitieren könnenForschende entdecken jedoch immer weitere Mechanismen, die das Wachstum von Krebszellen fördern – und somit als Angriffsziel für eine Krebstherapie dienen können. Lesen Sie einen Überblick über besondere Merkmale und Eigenschaften von Krebszellen, die als „Achillesfersen“ gelten und Zielpunkte für Krebsbehandlungen sein können. 

Hormonrezeptoren an der Tumorzelle

An den Krebszellen lassen sich oft besondere Andockstellen nachweisen, sogenannte Rezeptoren. Ein Beispiel sind die Östrogen- und Progesteronrezeptoren, die bei der Mehrzahl der Frauen mit Brustkrebs vorkommen. Seltener sind Androgen-Rezeptoren.  

An diesen Bindungsstellen können Krebstherapien ansetzen.  Lassen sich zum Beispiel Rezeptoren für Östrogen und/oder Progesteron nachweisen, sprechen diese Tumoren besonders gut auf eine Antihormontherapie (endokrine Therapie) an. Die Medikamente blockieren diese Hormonrezeptoren (z.B. der Wirkstoff Tamoxifen) oder unterbrechen die Hormonproduktion (z.B. Medikamente aus der Gruppe der Aromatasehemmer).  

HER2-Rezeptoren

Die Abkürzung HER2 bedeutet „Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2“. Bei ungefähr 15 bis 20 Prozent der Brustkrebstumoren befinden sich zu viele HER2-Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Wenn sie durch Botenstoffe aktiviert werden, können sie das Tumorwachstum beschleunigen. Es gibt inzwischen Medikamente, die diese Rezeptoren gezielt blockieren können. Zu ihnen gehören die Antikörper Trastuzumab und Pertuzumab. Beide Medikamente werden in Kombination als „doppelte Blockade“ sowohl bei frühem Brustkrebs als auch bei einem metastasierten Mammakarzinom eingesetzt. 

Schon gewusst?
  • Im Jahr 1960 wurden die Hormonrezeptoren an Brustkrebszellen entdeckt.  
  • Mit dem Wirkstoff Tamoxifen, das eben diese Hormonrezeptoren blockiert, kam im Jahr 1969 die erste zielgerichtete Therapie auf den Markt.  
  • Jahre später stießen Forscher auf den HER2-Rezeptor, der bei Brustkrebs, aber auch bei anderen Krebsarten eine Rolle spielt.  
  • Im Jahr 1998 wurde der Wirkstoff Trastuzumab als zielgerichtete Therapie (Engl. targeted therapy) zur Behandlung HER2-positiver Tumoren zugelassen.

Tyrosinkinase-Hemmung

Es gibt noch einen weiteren Weg, um HER2 zu blockieren. Das Angriffsziel sind in diesem Fall Tyrosinkinasen. Das sind Eiweiße (Proteine), die im Zellzyklus eine wesentliche Rolle spielen. Werden diese Eiweiße durch Medikamente – sogenannte Tyrosinkinase-Hemmer – unterdrückt, wird eine Signalweiterleitung in der Zelle unterbrochen. Dadurch lässt sich das Krebswachstum aufhalten.  

Für bestimmte Fälle von HER2-postivem Brustkrebs sind die Wirkstoffe Lapatinib, Neratinib und Tucatinib aus der Gruppe der Tyrosinkinase-Hemmer zugelassen. Welches Medikament zum Einsatz kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel von den Vorbehandlungen und vom Stadium der Krebserkrankung. 

mTOR-Hemmung

Das Kürzel mTOR steht für Englisch „mammalian target of rapamycin“. Dahinter steckt ein Eiweiß, das eine zentrale Rolle im Zellzyklus einnimmt. Ist es übermäßig aktiv, wird die Teilung der Zelle – und somit das Tumorwachstum – angeregt. mTOR-Hemmer (m-TOR-Inhibitoren) wie der Wirkstoff Everolimus können die Aktivität dieser Eiweiße unterbinden. Das Medikament ist bei Frauen mit fortgeschrittenem, hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem Brustkrebs einsetzbar. 

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC)

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Engl. Antibody Drug Conjugates, ADC) sind ein noch relativ neues Therapiekonzept. Hier wird die Chemotherapie – ein Zytostatikum – an einen HER2-Antikörper gekoppelt. So wird das Zytostatikum durch den Antikörper direkt zu den Tumorzellen gebracht, dort eingeschleust und kann dann seine Wirkung entfalten.  

Für Brustkrebs sind derzeit drei Antikörper-Wirkstoff-Konjugate für verschiedene Anwendungsfälle zugelassen: 

  • Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) 
  • Trastuzumab-Deruxtecan 
  • Sacituzumab-Govitecan

Genetische Veränderungen (Mutationen) und Biomarker

Spezifische molekulare und genetische Merkmale von Tumorzellen spielen eine immer größere Rolle in der Krebsbehandlung. So ist es nicht mehr nur entscheidend, an welchem Ort sich der Tumor gebildet hat, sondern vielmehr, welche Eigenschaften er hat. Es wurden eine Reihe von genetischen Veränderungen (Mutationen) beziehungsweise Biomarkern identifiziert, die wiederum zur Entwicklung und Zulassung zielgerichteter Medikamente geführt haben. 

Mutation in den BRCA1/2-Genen

Etwa fünf bis zehn Prozent aller Mammakarzinome werden durch eine Mutation im BRCA1- oder BRCA2-Gen ausgelöst. Da diese Mutation vererbbar ist, sprechen medizinische Fachleute von familiärem oder erblichem Brustkrebs. Bis zu 30 Prozent aller Mutationsträgerinnen haben jedoch keine familiäre Belastung. In ihrer Familie kommt Brustkrebs dann nicht gehäuft vor und sie wissen somit auch nichts von ihrer Mutation. Eine BRCA1- oder BRCA2-Mutation kann nicht nur Brustkrebs, sondern auch einige andere Krebsarten begünstigen, zum Beispiel Eierstock-, Prostata- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs.  

Zellen können Schäden an der Erbsubstanz (DNA) über verschiedene Mechanismen reparieren. Eine Möglichkeit ist die Reparatur mithilfe von PARPs (PARP = Poly(ADP-ribose)Polymerasen). Ein wichtiger Vertreter dieser Enzymfamilie ist PARP1, das DNA-Einzelstrangbrüche reparieren kann. Bei einer Hemmung von PARP1 durch Medikamente aus der Gruppe der PARP-Inhibitoren können die Einzelstrangbrüche nicht mehr repariert werden. Dann entstehen bei der nächsten Zellteilung Doppelstrangbrüche, die bei Zellen mit gestörter DNA-Doppelstrangreparatur zum Zelltod führen. Auf diese Weise lässt sich das Tumorwachstum aufhalten.  

Zur Behandlung von fortgeschrittenem Brustkrebs bei Patientinnen mit einer BRCA-Mutation sind mehrere Wirkstoffe zugelassen, zum Beispiel Olaparib und Talazoparib. Der Wirkstoff Rucaparib aus der Gruppe der PARP-Hemmer kommt bei Eierstockkrebs zum Einsatz, der in Verbindung mit einer BRCA-Mutation steht. 

Mutation im PIK3CA-Gen

Eine genetische Veränderung im PIK3CA-Gen (Phosphoinositol Kinase 3) kann zu einer Fehlregulierung des sogenannten PI3K-AKT-Signalwegs führen. Rund 40 Prozent der hormonrezeptorpositiven Brustkrebstumoren weisen eine genetische Veränderung im PIK3CA-Gen auf. Diese Tumoren sind mit prognostisch ungünstigen Eigenschaften verbunden.  

Um die Fehlregulierung des Signalwegs zu unterbrechen, wurde der Wirkstoff Alpelisib entwickelt. Es handelt sich um einen sogenannten PIK3-Inhibitor. Das Medikament ist in Europa zugelassen. In Deutschland ist es jedoch seit dem Jahr 2021 nicht mehr erhältlich, sondern muss aus dem Ausland importiert werden. 

PD-L1 Expression

PD-L1 (Engl. Programmed Death Ligand 1) kann auf Tumorzellen sowie Immunzellen, die den Tumor infiltrieren, vorhanden sein.  PD-L1 kann die körpereigene Immunabwehr durch Hemmung von T-Zellen (Immunzellen) außer Kraft setzen.  

Es gibt verschiedene Medikamente – sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren -, welche diese Hemmung aufheben können und so eine Immunantwort gegen den Tumor ermöglichen. Zum Einsatz kommen zum Beispiel die Wirkstoff Atezolizumab oder Pembrolizumab in Kombination mit einer Chemotherapie bei triple-negativem Brustkrebs (TNBC) 

Mikrosatelliteninstabilität / DNA-Reparaturdefekt (Mismatch-Repair-Defizienz)

Die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) ist ein besonderes Merkmal, das auf einen Gendefekt im Reparatursystem des Erbguts (der DNA) hindeutet. Sie kann die Krebsentstehung begünstigen. Bei Brustkrebs kommt dieser Gendefekt jedoch selten vor. Lässt er sich weisen, kann das Medikament Pembrolizumab wirksam sein. Es wurde zugelassen für Tumoren mit hochgradiger Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) beziehungsweise mit einem DNA-Reparaturdefekt (MismatchRepair-Defizienz) – und zwar unabhängig vom Entstehungsort der Krebserkrankung. 

NTRK-Genfusionen

Genfusionen entstehen, wenn während der Zellteilung bestimmte Gene mit anderen Genen verschmelzen (fusionieren). Durch diese Fusion können Signalwege aktiviert werden, die für die Entstehung und das Wachstum von Tumoren verantwortlich sein können.  

Diese Genfusion ist bei Brustkrebs allerdings sehr selten. Sie lässt sich nur bei rund einem Prozent der Tumoren nachweisen. Mit dem Wirkstoff Larotrectinib steht ein Medikament zur Verfügung, das bei dieser Genfusion sehr gute Ansprechraten auf den Tumor zeigt – und zwar unabhängig davon, wo sich der Tumor befindet. 

Test auf behandlungsrelevante Biomarker

Je mehr Medikamente entwickelt werden, die für bestimmte Biomarker oder genetische Veränderungen spezifisch sind, desto größer ist die Herausforderung, diese Mutationen  beziehungsweise Biomarker richtig nachzuweisen. Denn: Die Medikamente sind sonst meist wirkungslos.  

So sind teilweise sehr komplexe Testverfahren notwendig, die nur in bestimmten Zentren durchführbar sind. Untersucht werden DNA-Abschnitte, Gene oder das ganze Tumorgenom. Eine Methode, mit der sich die meisten Mutationen zuverlässig diagnostizieren lassen, ist das sogenannte Next Generation Sequencing (NGS).

Wann sollte was getestet werden?

Antworten von Prof. Dr. Michael Untch: 

  • Wir müssen uns den Zulassungsstatus der Medikamente anschauen. Daraus ergibt sich häufig schon eine Antwort.
  • Bei jeder Brustkrebspatientin mit Metastasen und einem triple-negativen Tumor sollte auf eine PD-L1-Expression und BRCA-Mutation getestet werden.
  • Bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem metastasiertem Brustkrebs ist eine BRCA-Testung ebenfalls sinnvoll.
  • Ansonsten muss im Einzelfall entschieden werden, was wann getestet wird.
  • Es ist ratsam, sich in einem onkologischen Zentrum beraten zu lassen, das über Expertise in dieser Fragestellung verfügt.

Tumor-agnostische Wirkstoffe

In der modernen Krebsforschung geht es nicht mehr nur um die Frage, wo ein Tumor entstanden ist, sondern wie er entstanden ist beziehungsweise welche Faktoren sein Wachstum fördern. Daher werden immer mehr „tumor-agnostische Wirkstoffe“ entwickelt. Der Begriff „agnostisch“ heißt so viel wie „ohne Wissen“. Medikamente werden also aufgrund von molekulargenetischen Veränderungen in der Tumorzelle eingesetzt und nicht nach dem Entstehungsort des Tumors. So kann ein und dasselbe Medikament zum Beispiel bei Brust- und Darmkrebs, aber auch bei weiteren Krebsarten wirksam sein. 

Spezielles Studiendesign nötig

Molekulargenetische Veränderungen sind meist sehr selten. Deshalb ist es schwierig, große Studien mit vielen Patientinnen und Patienten sowie mit einem Vergleichsarm (einer Vergleichsgruppe) durchzuführen.  

So wurden neue Studiendesigns entwickelt, etwa sogenannte Korb-Studien (englisch: basket trials). Hier werden alle Patienten, bei denen ein bestimmter Biomarker gefunden wird, mit einem neuen Medikament behandelt. Es gibt keinen Vergleichsarm. Diese Studien sind eine Herausforderung für die Bewertungsgremien, denn die Bewertung neuer Medikamente beruht auf dem Vergleich mit der herkömmlichen Therapie.  

Werden neue Biomarker identifiziert, gibt es in der Regel noch keine andere, zielgerichtete Therapie. Fachgesellschaften und Patientenvertreter suchen gemeinsam mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach Bewertungsmodellen, um solchen Innovationen gerecht zu werden. 

Mamma Mia! Das Brustkrebsmagazin (2020)

Textvorlage: Prof. Dr. Michael Untch

Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe

Helios Klinikum Berlin-Buch

Kommentare • 3
  1. Danke für den informativen Blog. Interessant, was Mutationen von den betroffenen Genen auslösen. Meine Frau beschwert sich zum vermehrten Mal über einen Knoten in ihrer Brust. Zur Vorsicht wenden wir uns gemeinsam am besten direkt an einen Frauenarzt.

    http://www.schroecksnadel.at/

    1. Hallo!
      Ja, sie sollten diese Beschwerden ernst nehmen und es abklären lassen!
      Wir drücken die Daumen, dass alles in Ordnung ist!

      Herzliche Grüße
      Christiane von Mamma Mia!

  2. Sehr geehrte Damen und Herren,
    Ich lasse meinen Primärtumor ((ED 2019) gerade rückwirkend auf eine PIK 3 CA Mutation testen.
    Welche Therapie- Optionen gibt es in der adjuvanten Situation?
    Normalerweise wäre ein Wechsel auf Tamoxifen theoretisch möglich. In meinem Fall leider ungünstig wegen Long QT Syndrom am Herzen ( Tamoxifen erhöht die QTC- Zeit ) Welche Optionen gibt es noch? Mir ist bewusst, das der Test für meine Situation derzeit NOCH nicht empfohlen wird. Ich habe ihn trotzdem veranlasst, aus Angst, das Aromatasehemmer nicht richtig wirken ( nehme derzeit Letrozol)
    Mit freundlichen Grüßen
    K. Nguyen

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