Genetische Veränderungen (Mutationen) im BRCA1– oder BRCA2-Gen erhöhen das Risiko für Brustkrebs und Eierstockkrebs. Bei ungefähr fünf Prozent der Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, lässt sich eine solche BRCA-Mutation in der Keimbahn nachweisen. Die genetische Veränderung ist dabei in den sogenannten Keimzellen vorhanden, den Eizellen und den Samenzellen. Sie besteht somit von Geburt an und ist in allen Zellen des Körpers nachweisbar. Ein Mammakarzinom aufgrund einer BCRA-Mutation besitzt oft besondere Eigenschaften. Diese können Ärztinnen und Ärzte für die Behandlung nutzen.
Brustkrebs aufgrund einer BCRA-Mutation ist zum Beispiel besonders empfindlich gegenüber erbgutschädigenden Substanzen wie den sogenannten PARP-Inhibitoren, aber auch gegenüber platinbasierten Chemotherapien. Dagegen reagieren diese Tumoren vermutlich weniger empfindlich auf Medikamente wie CDK4/6-Inhibitoren.
Früher BRCA-Test für maßgeschneiderte Behandlung
Ein rechtzeitiger Test auf eine BRCA-Mutation sei daher für die Therapiestrategie und die bestmögliche Behandlung von Brustkrebs sowohl in einem frühen als auch in einem fortgeschrittenen Stadium besonders wichtig, schreiben Forschende in einem Übersichtsartikel. Er wurde im renommierten Fachblatt British Journal of Cancer (August 2024) veröffentlicht. So ließen sich mehr Patientinnen identifizieren, die von maßgeschneiderten Brustkrebstherapien profitieren könnten.
Ein Test auf eine BRCA-Mutation zeigt zum Beispiel, ob eine Therapie mit einem PARP-Inhibitor infrage kommt. Dieses Medikament können Ärztinnen und Ärzte nur dann einsetzen, wenn eine BRCA-Mutation nachgewiesen ist. Für die Therapieplanung ist der diagnostische BRCA-Test unabdingbar. Die Krankenkassen übernehmen daher auch die Kosten dafür.
Allerdings würden Gentests nach wie vor zu selten bei Patientinnen durchgeführt, betont die Forschungsgruppe. Sie fordert, die Raten an BRCA-Tests deutlich zu erhöhen. Nicht nur an Brustkrebs erkrankte Menschen hätten Vorteile durch einen Gentest, sondern auch Familienangehörige mit einem erhöhten Krebsrisiko. Diesen gesunden Ratsuchenden könnten Ärztinnen und Ärzte Früherkennungsmaßnahmen sowie risikoreduzierende Operationen anbieten.
In den internationalen Leitlinien seien die Kriterien zur Durchführung von Gentests genau definiert. In Deutschland hat das Konsortium für familiären Brust- und Eierstockkrebs Einschlusskriterien für den BRCA-Test festgelegt, die immer wieder überprüft und an neue Forschungsergebnisse angepasst werden. Sie besagen, unter welchen Voraussetzungen ein Test auf ein krankheitsauslösendes BRCA-Gen (und andere risikoerhöhende Gene) möglich ist.
BRCA-Testraten sind niedrig
Entscheidend für den Erfolg einer Teststrategie sei es, dass genetische Tests flächendeckend verfügbar seien und das Ergebnis schnell vorliege, so die Autorinnen und Autoren. Es müsse sichergestellt sein, dass alle geeigneten Patientinnen und Patienten rasch Zugang zu einer Beratung und einem anschließenden Gentest hätten – und dass sich so viele Betroffene wie möglich für diesen genetischen Test entscheiden. Die Raten an absolvierten Gentests seien weiterhin nicht optimal – trotz der Empfehlungen in den Leitlinien.
Einige Zahlen dazu:
- Eine erst kürzlich im Jahr 2023 veröffentlichte US-Studie zeigte (Lynce, F et al. ESMO Open. 2023;8(1 Suppl. 4):177P), dass sich nur ungefähr ein Drittel der geeigneten Patientinnen, bei denen zwischen 2011 und 2022 Brustkrebs diagnostiziert worden war, einem BRCA-Test unterzogen hatte. Diese niedrige Testrate galt, obwohl es in den letzten Jahren einen wachsenden Trend zum BRCA-Test gegeben hatte.
- Für Deutschland fehlten verlässliche Zahlen zur Häufigkeit durchgeführter BRCA-Tests, erklärt Dr. Saida Agabejli vom Uniklinikum Dresden im Interview mit Mamma Mia! Einzelne Umfragen zeigten aber, dass die Testraten recht niedrig seien.
Kann ein bevölkerungsbasiertes Screening helfen?
Die Hürden für einen BCRA-Test ergäben sich aufgrund der familien- und risikobasierten Einschlusskriterien, schreiben die Autorinnen und Autoren. Um diese Barrieren zu überwinden, schlagen sie ein bevölkerungsbasiertes Screening vor, um Menschen mit einem hohen Risiko für eine BRCA-Mutation besser zu identifizieren.
So unterstützten zum Beispiel das Gesundheitsministerium in Israel und der National Health Service (NHS) in Großbritannien einen BRCA-Test für bestimmte Personen jüdischer Herkunft, und zwar unabhängig von ihrer persönlichen Krebshistorie. Der Hintergrund ist, dass BRCA1/2-Keimbahnmutationen besonders häufig bei Jüdinnen und Juden aschkenasischer Abstammung auftreten. Ein solches Screening auf BRCA und andere risikoerhöhende Mutationen könne für viele Betroffene lebensrettend sein, so die Forschungsgruppe. Das Screening ließe sich zum Beispiel in Maßnahmen zur Brustkrebsfrüherkennung wie der Mammographie einbetten.
Fazit der Forschungsgruppe
- Eine nachgewiesene BRCA-Mutation kann Ärztinnen und Ärzten helfen, die bevorzugte Behandlungsstrategie festzulegen – von der Operation bis zu systemischen Therapien, einschließlich der PARP-Inhibitoren.
- Konsequentes und zeitnahes genetisches Testen ist der Schlüssel, um Menschen mit einer BRCA-Keimbahnmutation zu identifizieren und ihre Erkrankung bestmöglich zu managen.
- Es gibt Hinweise darauf, dass PARP-Inhibitoren effektiver sind, wenn sie früher in der Behandlung eingesetzt werden.
- Unabhängig von den Empfehlungen in den internationalen Leitlinien zur BRCA-Testung gibt es eine klare Notwendigkeit, die Testraten zu verbessern. Manche Leitlinien gehen sogar so weit, unabhängig vom Alter einen BRCA-Test für alle Patientinnen und Patienten mit der Diagnose Brustkrebs zu empfehlen.
Banu Arun, Fergus J. Couch, Jean Abraham, Nadine Tung, Peter A. Fasching: BRCA-mutated breast cancer: the unmet need, challenges and therapeutic benefits of genetic testing. British Journal of Cancer (2024) 131:1400–1414; https://doi.org/10.1038/s41416-024-02827-z
Childers CP, Childers KK, Maggard-Gibbons M, Macinko J. National estimates of genetic testing in women with a history of breast or ovarian cancer. J Clin Oncol. 2017;35:3800–6.
Lynce, F, Morganti, S, Khan, R, Berrocal-Almanza, L, Miranda, M, Luo, L, et al. Abstract 177P: Oncotype DX breast recurrence score (ODX RS) and gBRCAm in patients with HR+/HER2-negative early breast cancer (eBC) in a retrospective cohort. ESMO Open. 2023;8(1 Suppl. 4):177P.
Nature, https://www.nature.com/articles/s41416-024-02827-z/tables/3
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