Mamma Mia › Brustkrebs › Brustkrebs Heilungschancen & Prognose › Was sind prognostische und prädiktive Faktoren bei Brustkrebs?
Brustkrebs (Mammakarzinom) kann von Frau zu Frau sehr verschieden sein – es gibt mehrere Brustkrebsarten. Bekannt sind einige Faktoren, die den Verlauf von Brustkrebs beeinflussen können. Sie heißen „prognostische Faktoren“. Diese hängen mit dem krankheitsfreien Überleben (ohne Brustkrebs) oder dem Gesamtüberleben zusammen.
Durch die Bestimmung dieser Biomarker können Ärztinnen und Ärzte ungefähr vorhersagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall (Rezidiv) oder eine Metastasierung des Brustkrebses ist. Mammakarzinome bilden bevorzugt Metastasen in der Leber, der Lunge, in den Knochen und seltener im Gehirn oder in der Haut.
Manche Eigenschaften von Brustkrebszellen lassen Rückschlüsse darauf zu, ob eine Krebsbehandlung vermutlich wirksam und erfolgreich sein wird. Medizinische Fachleute bezeichnen diese als „prädiktive Faktoren“.
- Prognostische und prädiktive Faktoren basieren auf den besonderen biologischen und molekulargenetischen Eigenschaften von Krebszellen.
- Durch verschiedene Tests lässt sich ein genauer „Fingerabdruck“ des Tumors erstellen, denn Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs.
- Anhand dieser Merkmale versuchen Ärztinnen und Ärzte, den wahrscheinlichen Verlauf (prognostisch) sowie die vermutliche Wirksamkeit einer Brustkrebstherapie (prädiktiv) abzuschätzen.
- Dann lässt sich die Behandlung individuell auf jeden Brustkrebs „zuschneiden“. Jede Frau soll so eine persönliche, maßgeschneiderte Therapie erhalten.
Prognostische Faktoren: Übersicht
Prognostische Faktoren werden bei Brustkrebs schon seit vielen Jahren routinemäßig bestimmt. Dazu zählen zum Beispiel:
- Tumorgröße – diese wird mit dem Buchstaben „T“ abgekürzt. Je nach Größe des Tumors gibt es die Einstufung von T1 bis T4.
- Lymphknotenstatus – sind in den angrenzenden Lymphknoten Krebszellen nachweisbar und wie viele Lymphknoten sind betroffen? Abgekürzt wird der Lymphknotenstatus mit „N“ (engl. node = Lymphknoten). N0 bedeutet, dass keine Lymphknoten von Krebszellen befallen sind. N1 bis N3 zeigt, in welchem Ausmaß die Krebszellen schon in die Lymphknoten eingedrungen sind.
- Grading (Differenzierung): Wie sehr ähneln die Krebszellen noch gesunden Zellen (wie gut sind sie differenziert)? Dieses „Grading“ geben Ärztinnen und Ärzte mit G1 (gut differenziert), G2 (mäßig differenziert) und G3 (schlecht differenziert) an. Je weniger die Zellen differenziert sind, desto weniger ähneln sie gesunden Zellen. Die Krebszellen sind dann aggressiver und teilen und vermehren sich rascher.
- Hormonrezeptorstatus: Ist der Tumor hormonempfindlich und besitzen die Krebszellen Andockstellen (Rezeptoren) für die Hormone Östrogen (ER+) und/oder Progesteron (PgR+)? Ein hormonempfindlicher Brustkrebs braucht diese weiblichen Geschlechtshormone für sein Wachstum. Dies manchen sich Onkologinnen und Onkologen bei der Antihormontherapie zunutze.
- HER2-Status: Sind auf den Tumorzellen vermehrt Rezeptoren für Humane Epidermale Wachstumsfaktoren 2 (HER2) nachweisbar? Diese leiten Signale ins Zellinnere weiter und fördern so die Zellteilung. HER2-positive Tumore sind oft aggressiver und die Zellen teilen sich schneller.
- Ki67: Dieser Proliferationsmarker zeigt, wie schnell sich die Krebszellen teilen. Aggressive Tumore haben eine hohe Zellteilungsrate und der prozentuale Ki67-Wert ist hoch.
- Alter (Menopausenstatus)
Forschende haben außerdem mehrere molekulare Subtypen von Brustkrebs identifiziert und für diese verschiedene Prognosekriterien festgelegt. Luminale Karzinome machen in dieser Einteilung den Hauptanteil der Mammakarzinome aus. Typisch ist, dass diese Tumoren Hormonrezeptoren in unterschiedlicher Ausprägung besitzen.
- Luminal-A-Karzinome: Hier sind die Östrogen- und Progesteronrezeptoren an der Zelloberfläche stark ausgeprägt. Meist sind diese Tumore gut differenziert (G1), wachsen langsam und sind wenig aggressiv. Sie sprechen gut auf eine Antihormontherapie an und besitzen eine besonders gute Prognose.
- Luminal-B-Karzinome: Sie besitzen ebenfalls Hormonrezeptoren, aber meist in geringer Anzahl. Die Tumoren sind aggressiver als der Luminal-A-Typ, sprechen weniger gut auf eine Antihormontherapie an und besitzen eine etwas schlechtere Prognose.
- Triple-negative Karzinome (Basal-like-Karzinome): Ein triple-negativer Brustkrebs (TNBC) besitzt weder Hormonrezeptoren für Östrogen und Progesteron noch HER2-Rezeptoren. Daher heißen sie auch „triple-negative“ (dreifach-negative) Mammakarzinome. Meist wachsen diese Tumoren schnell und sind mit einer eher ungünstigen Prognose verbunden.
- HER2-positive Karzinome: Der Wachstumsfaktor HER2 ist auf der Zelloberfläche vermehrt vorhanden. Diese Tumoren sind ebenfalls aggressiv und wachsen schnell. Es gibt jedoch Therapien, die sich gezielt gegen das Merkmal HER2 richten (Anti-HER2-Therapien). Sie verbessern die Prognose oft deutlich.
Prädiktive Faktoren
Prädiktive Faktoren lassen Vorhersagen zu, ob eine Frau mit Brustkrebs auf eine bestimmte Therapie ansprechen würde – sie ihr also einen Nutzen bringen würde. Prädiktive Faktoren sind:
- HER2-Rezeptorstatus: Bei einem HER2-positiven Brustkrebs kommt eine Anti-HER2-Therapie in Frage, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Trastuzumab oder Pertuzumab.
- Hormonrezeptorstatus: Ist der Brustkrebs Östrogen- und Progesteronrezeptor-positiv? Dann ist die Antihormontherapie (endokrine Therapie) eine wichtige Behandlungsmöglichkeit, zum Beispiel mit Antiöstrogenen oder (je nach Menopausenstatus) mit Medikamenten aus der Gruppe der Aromatasehemmer.
Multigentests bei Brustkrebs
Bei Mammakarzinomen, die hormonempfindlich und HER2-negativ sind, kann die Entscheidung über die weitere Behandlung manchmal schwierig sein. Eine wichtige Frage ist zum Beispiel, ob nach einer Operation eine alleinige Antihormontherapie genügen würde, um das Rückfallrisiko zu senken, oder ob eine zusätzliche Chemotherapie einen weiteren Nutzen bringen würde. Anhand der „klassischen“ Parameter wie der Bildgebung (Radiologie) oder der feingeweblichen Untersuchung der Krebszellen (Pathologie) lässt sich diese Entscheidung oft nur schwer treffen.
Biomarkertests (auch Genexpressionstests, Multigentests, Multigenassays) können Ärztinnen und Ärzte bei dieser Frage unterstützen. Diese Tests bestimmen die Aktivität verschiedener Krebsgene, die verändert sein kann. Eine Unter- oder Überproduktion (Expression) bestimmter Eiweiße kann die Folge sein. Ein Biomarkertest kann dabei mithelfen, das persönliche Rückfallrisiko und manchmal auch den Nutzen einer Chemotherapie besser abzuschätzen. In Deutschland sind derzeit vier Multigentests für bestimmte Frauen mit Brustkrebs zugelassen. So lässt sich die Frage „Chemotherapie – ja oder nein?“ oft besser beantworten.
- Ein prognostischer Test liefert Informationen darüber, wie eine Erkrankung – der Brustkrebs – vermutlich natürlicherweise verlaufen würde. Er ermittelt das individuelle Risiko für einen Rückfall (Rezidiv).
- Ein prädiktiver Test kann dagegen vorhersagen, ob eine Krebsbehandlung voraussichtlich wirken und einen Nutzen bringen würde.
- Manche Tests sind beides – prognostisch und prädiktiv.
Weitere molekulare Tests bei Brustkrebs
Es gibt noch einige andere Tumoreigenschaften, die für die weitere Brustkrebstherapie von Bedeutung sein können. Entwickelt wurden neue Behandlungen, die aber nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam und einsetzbar sind, zum Beispiel bei metastasiertem Brustkrebs. Folgende weitere Merkmale spielen in der Brustkrebstherapie eine Rolle:
PD-L1-Expression
PD-L1 ist die Abkürzung für (engl.) „programmed death ligand 1“. Dahinter verbergen sich Oberflächeneiweiße, die an der Immunantwort beteiligt sind. Auf der Oberfläche mancher Krebszellen sind diese Eiweiße übermäßig vorhanden. Dann werden die Tumorzellen für das Immunsystem „unsichtbar“. Es erkennt die Krebszellen nicht und kann sie nicht abwehren und unschädlich machen.
Es gibt jedoch Medikamente – sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren –, die an das Eiweiß PD-L1 binden. Eine Immuntherapie mit diesen Medikamenten kann diese „Bremse“ des Immunsystems aufheben, es wieder „schärfen“ und dabei mithelfen, dass es wieder selbst gegen die Krebszellen vorgehen kann. Vor dem Beginn der Immuntherapie wird in einem Labor getestet, ob vermehrt PD-L1 auf den Tumorzellen vorhanden ist. Diese Immun-Checkpoint-Inhibitoren können zum Beispiel bei metastasiertem Brustkrebs zum Einsatz kommen.
BRCA-Mutation
Bei manchen Frauen und Männern mit Brustkrebs ist in einem genetischen Test eine BRCA-Mutation nachweisbar. In diesem Fall ist eines der „Brustkrebsgene“ BRCA1 oder BRCA2 verändert (mutiert). Diese Gene arbeiten normalerweise als „Reparaturgene“, die Fehler im Erbgut (der DNA) beheben.
Funktionieren die BRCA-Gene nicht ausreichend, häufen sich die Fehler im Erbgut immer weiter an – Krebs kann entstehen. In Familien mit einer BRCA-Mutation kommen Brust- und Eierstockkrebs gehäuft vor. Viele erkranken schon in jungen Jahren daran. Eine BRCA-Mutation lässt sich heute in manchen Fällen auch therapeutisch nutzen. Neue Medikamente – sogenannte PARP-Inhibitoren – können in der Krebsbehandlung zum Einsatz kommen, wenn eine BRCA-Mutation nachgewiesen ist.
PIK3CA-Genmutation
Die Phosphoinositid-3-Kinase (PI3-Kinase, PI3K) ist ein Enzym („Biokatalysator“), das beim Zellwachstum und der Zellteilung eine Schlüsselfunktion einnimmt. Im Gen namens „PIK3CA“ sind die Informationen für eine Untereinheit dieser Kinase verschlüsselt. Bei bestimmten Mutationen in diesem Gen ist das Enzym dauerhaft aktiv. Die Folge ist ein unkontrolliertes Zellwachstum. Hier setzen neue Medikamente an, sogenannte PI3K-Inbibitoren. Sie hemmen das Enzym gezielt. Die Voraussetzung für den Einsatz von PI3K-Inbibitoren ist der Nachweis einer PIK3CA-Mutation.
ESR1-Mutation
Eine ESR1-Mutation ist eine Veränderung im Estrogen Receptor 1. Diese Mutation kann sich im Verlauf einer Antihormontherapie entwickeln. Diese wirkt dann nicht mehr genügend, weil der Tumor unempfindlich (resistent) gegenüber der endokrinen Therapie geworden ist. Eine ESR1-Mutation lässt sich im Rahmen einer Flüssig- oder Gewebebiopsie nachweisen. Ist sie vorhanden, kann ein neues Medikament aus der Gruppe der „Selektiven Estrogen-Receptor-Degrader (SERD)“ helfen. Es wirkt direkt am Östrogenrezeptor und bindet an ERα (Estrogen Receptor alpha). Der Wirkstoff unterdrückt nachgeschaltete Signalwege, hemmt die Zellteilung und setzt einen beschleunigten Abbau des ERα in Gang. Dadurch wird das Krebswachstum gehemmt.
- Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Stand: Juni 2021, abgerufen am 27.10.2024
- Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO): Prognostische und prädiktive Faktoren, abgerufen am 27.10.2024
- Deutsche Krebsgesellschaft (DKG): Prognosetests bei Brustkrebs und Tumorbiologie und Hormontherapie, abgerufen am 27.10.2024
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ): Tumorarten, Brustkrebs, Behandlungsübersicht, abgerufen am 27.10.2024
- Deutsche Krebshilfe: Brustkrebs, abgerufen am 28.10.2024
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Patientinnenmerkblatt Biomarker, abgerufen am 28.10.2024
- Gesundheitsinformation (gi): Früher Brustkrebs – Ist eine Chemotherapie sinnvoll?, abgerufen am 28.10.2024
Unser Ziel ist es, wissenschaftliche Informationen verständlich zu vermitteln. Die Informationen können jedoch eine professionelle Beratung durch ausgebildete und anerkannte Ärztinnen und Ärzte nicht ersetzen. Auch dienen sie nicht dazu, eigenständig eine Diagnose zu stellen oder eine Therapie einzuleiten.